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Waldorf Frommer: Gerüchte über Klagen bei teilweise verjährten Forderungen

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Waldorf Frommer hat das Tempo noch einmal angehoben und in vielen Verfahren Abmahnungen aus 2013/2014 nun gerichtlich anhängig gemacht. Überrascht bin ich jedoch über das Gerücht, dass Waldorf Frommer nun sogar anfangen soll, im Fall eindeutiger verjährter Abmahnkosten Klagen hinsichtlich des Schadensersatzes einzureichen.

Waldorf Frommer klagen auch bei verjährten Abmahnkosten?

Mir liegen noch keine entsprechenden Klagen vor, es erscheint aber grundsätzlich logisch, dass Waldorf Frommer auch bei teilweise verjährten Abmahnkosten Klagen einreichen. Dafür verantwortlich sind der Gesetzgeber und der BGH. Das möchte ich im Folgenden erläutern.

Warum wäre es plausibel auch bei verjährten Abmahnkosten zu klagen?

Die Forderung in einer Waldorf-Frommer-Abmahnung setzt sich aus zwei Faktoren zusammen: Anwaltskosten und Schadensersatz. Während bei den Anwaltskosten immer weitgehend Einigkeit bestand, dass diese nach drei Jahren verjähren, war in Rechtsprechung durchaus strittig ob und wann die Schadensersatzansprüche verjähren. Das AG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2015 – 57 C 7592/14 führt aus

Der gemäß § 852 S. 1 BGB herauszugebende Gegenstand wird wie in § 812 BGB mit einem „Etwas“ umschrieben, sodass letztlich jeder erlangte Vorteil erfasst ist (Staudinger-Vieweg BGB § 852 Rn. 8). Jedoch ist bei einem privaten Filesharer, dem es lediglich um die Nutzung der Musikwerke zu eigenen Zwecken geht und bei dem die Verbreitung lediglich Nebenfolge des eigenen Verschaffungsakts ist, ein rechtlicher Vorteil durch die Verbreitung nicht gegeben.“

Diese Rechtsauffassung wurde u. a. geteilt vom AG Düsseldorf (Urteil vom 24.07.2014 – Az. 57 C 15659/13), AG Kassel (Urteil vom 24.07.2014 – Az. 410 C 625/14), AG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.10.2014 – Az. 32 C 2305/14 (84), AG Bielefeld (Urteil vom 20.11.2014 – Az. 42 C 483/14), AG Bielefeld (Urteil vom 08.01.2015 – Az.42 C 481/14), AG Düsseldorf (Urteil vom 13.01.2015 – Az. 57 C 7592/14), AG Frankenthal (Urteil vom 14.01.2015 – Az. 3c C 96/14), AG Koblenz (Urteil vom 21.01.2015 – Az. 142 C 486/14), AG Bielefeld (Urteil vom 22.01.2015 – Az. 42 C 230/14), AG Frankenthal (Urteil vom 02.02.2015 – Az. 3b C 169/14), AG Nürtingen (Urteil vom 06.02.2015 – Az. 17 C 1378/14), AG Charlottenburg (Urteil vom 18.02.2015 – Az. 213 C 118/14), AG Köln (Urteil vom 19.02.2015 – Az. 148 C 31/14), AG Bochum (Urteil vom 25.02.2015 – Az. 38 C 362/14), AG Hannover (Urteil vom 06.03.2015 – Az. 524 C 8598/14), AG Bielefeld (Urteil vom 02.04.2015 – Az. 42 C 552/14), AG Bielefeld (Urteil vom 02.04.2015 – Az. 42 C 544/14), AG Köln (Urteil vom 13.04.2015 – Az. 125 C 579/14), AG München (Urteil vom 26.03.2015 – Az. 243 C 19271/14), LG Bielefeld (Az. 20 S 65/14 vom 06.02.2015). Ferner hat auch das LG Frankenthal Az. 6 S 18/15 mit Beschluss v. 17. April 2015 (rechtskräftig) dieser Rechtsauffassung zugestimmt.

Der BGH hat jedoch in der Entscheidung v. 12.05.2016, Az. I ZR 48/15 – „Everytime we touch“ ausdrücklich im Leitsatz klargestellt:

Der Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB, der sich auf die Herausgabe des durch den rechtswidrigen Eingriff Erlangten erstreckt, kann in Fällen des widerrechtlichen öffentlichen Zugänglichmachens eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internettauschbörse mittels einer fiktiven Lizenz berechnet werden.“

Das bedeutet die Verjährung für Schadensersatzansprüche beträgt 10 Jahre. Hinzu kommt folgendes: Mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken wurden die Abmahnkosten bei aktuellen Abmahnungen auf knapp 200,00 EUR beschränkt. Als Folge darauf haben die Rechteinhaber den Schadensersatz bei einem Film auf fast 1000,00 EUR erhöht. Die Abmahnkosten, für welche die dreijährige Verjährung gilt, spielen also in den neuerlichen Abmahnungen kaum noch eine Rolle und sind fast zu vernachlässigen. Daher würde es nicht überraschen, wenn die Kanzlei Waldorf Frommer tatsächlich Altfälle noch mit Klagen bedenken würde.

Begünstigung durch Einschränkung der Störerhaftung: „Alles oder nichts Prinzip“

Ein weiterer Umstand befördert diese Entwicklung: Bekanntlich haftet der Störer nur auf Ersatz der Abmahnkosten. Stellte sich also in einem Gerichtsverfahren heraus, dass der Beklagte nur Störer ist, würde die Klage abgewiesen werden müssen, wenn hinsichtlich der Erstattung der Abmahnkosten die Einrede der Verjährung erhoben wird. Nachdem die Störerhaftung aber immer weiter eingeschränkt wurde (keine Haftung für volljährige Kinder – BGH v. 08.01.2014, Az. I ZR 169/12 Bearshare; keine Haftung für belehrte minderjährige Kinder BGH v. 15. November, Az. I ZR 74/12 Morpheus; keine Haftung für volljährige Gäste, BGH v. 12.05.2016, Az. I ZR 86/15 – Silver Linings Playbook) gehen die aktuellen Auseinandersetzungen eher darum über das Ausschlussprinzip den wahren Täter zu ermitteln oder den Anschlussinhaber zu bewegen, umfassende Kosten zu tragen zur Vermeidung einer Klage gegen haushaltsnahe Dritte.

Müssen nun vor 2013 Abgemahnte befürchten, doch noch verklagt zu werden?

Aktuell hat die Kanzlei Waldorf Frommer wohl noch zu viel zu tun, als in großem Umfang auch teilweise verjährte Forderungen zu den Gerichten zu bringen – und bis jetzt sind die Berichte auch nur unbestätigte Gerüchte/Einzelfälle. Abgemahnte sollten aber über die dreijährige Verjährung der Anwaltskosten hinaus, die Unterlagen nicht verbrennen oder ähnliches. Sollte es zu groß angelegten Klagen auch bei teilweise verjährten Forderungen kommen, werden wir Sie natürlich informieren. Es gibt keinen Grund, panisch auf Gerüchte zu reagieren.


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