Warum ein Rechtsanwalt?
- 7 Minuten Lesezeit

Sie können sich in jeder rechtlichen Auseinandersetzung einen Rechtsanwalt nehmen und sich von ihm vertreten lassen, aber Sie müssen dies nicht zwingend in jedem Fall tun. Sie können selbst den Rechtsstreit außergerichtlich und gerichtlich führen. Sie sollten allerdings das nachfolgende Zitat nicht unberücksichtigt lassen: Wer sich selbst verteidigt, hat einen Narren zum Klienten. Damit sollen all die Hobby-Juristen gewarnt sein, die ohne Not Rechtsanwalt in eigener Sache spielen wollen. Ich möchte an dieser Stelle aufzeigen, was das juristische do-it-yourself mit sich bringen kann. Es gibt diverse unüberschaubare Probleme, die jeder bedenken sollte, der vor der Frage steht, ob er ein rechtliches Problem mit oder ohne Rechtsanwalt lösen will.
Subjektive Befangenheit
Zunächst ist da die subjektive Befangenheit in der eigenen Sache. Es ist nach meinen Erfahrungen für den juristischen Laien ausgesprochen schwer, ein rechtliches Problem losgelöst von seinen subjektiven Erwartungen so zu begreifen und zu bewerten, wie es der gegnerische Rechtsanwalt und das Gericht später tun. Der eigene Rechtsanwalt berät seinen Mandanten nämlich über die Rechtslage, die Erfolgschancen und die Möglichkeiten für eine Beweissicherung aus der Sicht eines Fachmanns. Dennoch, immer wieder haben Hobby-Rechtsanwälte den Eindruck, ihr Fall sei doch völlig klar und könnten sich daher ohne große Probleme selbst vor Gericht vertreten, denn selbstverständlich muss der Richter es doch einsehen, dass sie Recht und der Gegner einfach Unrecht hat. Dabei wird aber allzu oft verkannt, dass es in der Rechtsprechung nicht um subjektive Wahrnehmungen einer Situation, sondern gerade um die Anwendung von Gesetzen geht. Und diese können bemerkenswerte Wendungen und Windungen mit sich bringen. Zur eigenen Sicherheit sollte der Betroffene seinen Fall zuvor einem unbeteiligten Dritten schildern, um zu erfahren, wie diese Geschichte auf andere wirkt, und sich erst dann weitere Gedanken zum weiteren Vorgehen machen.
Juristische Fachkompetenz
Der zweite Punkt wiegt schwerer, nämlich die juristische Fachkompetenz. Denn nicht jeder, der zuhause eine Ausgabe des BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) hat, ist deswegen schon rechtskundig. Auch ist nicht schon der Jurist, der eine Gesetzeskommentierung sein Eigen nennt und im Bücherregal aufbewahrt, denn in der Hand eines Laien ist eine solche Kommentierung durchaus ein zweischneidiges Schwert und kann bei falscher Anwendung und Auslegung immense Nachteile mit sich bringen. Streitigkeiten, die zunächst kompliziert aussehen, können rechtlich eher einfach sein. Genauso geht es aber auch umgekehrt, dass eigentlich einfach aussehende Fälle sich als sehr schwierig erweisen, weil nämlich eine in der Rechtsprechung umstrittene rechtliche Frage dahintersteht. Hier kann auf jeden Fall ein Rechtsanwalt weiterhelfen, die Erfolgsaussichten abzuschätzen und auch positiv zu beeinflussen, auch wenn eine 100%ige Sicherheit nie garantiert werden kann.
Besser direkt einen Anwalt nehmen
Weiterhin regelt das deutsche Recht keine Individualfälle, also muss jeder Fall (vom Gericht) einzeln geprüft werden. Die Gesetze geben hier vielfach nur einen Rahmen vor. Natürlich kann man auch Google befragen und mittels göttlicher Hilfe hoffen, damit richtig zu liegen. Wer aber zuerst Google befragt, scheitert häufig mit seinem Ansinnen und bezahlt am Ende meist sogar deutlich mehr als bei der Mandatierung eines Rechtsanwalts, weil das in den Brunnen gefallene Kind dann in aller Regel einen erhöhten Aufwand benötigt, um herauszukommen bzw. die aus dem Ruder gelaufene Angelegenheit wieder einzufangen, rückgängig zu machen oder einfach nur zu korrigieren. Zudem machen viele Hobby-Rechtsanwälte gegenüber der Gegenseite oder gegenüber dem Gericht unüberlegte Äußerungen mit rechtlicher Wirkung, die ihnen später zum fatalen Verhängnis werden. Die Vorsorge mittels eines von Anfang an hinzugezogenen Rechtsanwalts ist regelmäßig preiswerter als die Beseitigung des selbst verursachten Scherbenhaufens.
Fachkundige Beratung
Ein weiterer Punkt liegt in der fachkundigen Beratung des Rechtsanwalts, denn durch sie kann der Mandant die tatsächlichen und rechtlichen Umstände seines Falles (besser) verstehen. Das kann dazu führen, dass er vergleichbare Fehler für die Zukunft vermeiden kann, was auch wieder zur Kostenersparnis führt. Dies gilt insbesondere vor der Unterzeichnung von Verträgen, Vergleichen, Testamenten oder Nutzungsvereinbarungen, die bei schlichter juristischer Unkenntnis immense Unannehmlichkeiten hervorrufen können. So kann der fachkundige Rechtsberater hilfreich sein, Lücken, Unklarheiten, unwirksame Klauseln oder Rechtsfehler zu vermeiden.
Dass ein Rechtsanwalt über soziales, gesellschaftliches und wirtschaftliches Verständnis verfügen sollte, mag auf den ersten Blick schon verwundern, aber es ist so. Deswegen ist es sehr hilfreich, wenn der Rechtsanwalt versteht, wie die Vorschriften, die er anwendet, sich sozial, gesellschaftlich und wirtschaftlich auswirken. Das kann unter Umständen entscheidend für die Auslegung der Vorschriften sein.
Haftung des Anwalts
Und, was auf keinen Fall vergessen werden darf, ist der Regress des Rechtsanwalts, wenn nämlich dieser aufgrund einer Falsch- oder Schlecht-Beratung wegen Schadensersatz in Haftung genommen werden kann. Diese Möglichkeit besteht bei eigenen Fehlern nicht. Jedoch begründet nicht jede verloren Streitigkeit einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem eigenen Rechtsanwalt, sondern nur die, in denen dem Rechtsanwalt eine Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden kann, etwa bei grob falscher Beurteilung der Rechtslage, Unkenntnis bestimmter erheblicher Gesetze oder Fristversäumnissen. Diese Pflichtverletzung muss auch ursächlich für den Schaden gewesen sein.
Akteneinsicht
Schließlich hat ein beauftragter Rechtsanwalt die Möglichkeit für einen Geschädigten einer Straftat oder eines Unfalls Einsichten in staatsanwaltliche bzw. behördliche Akten zu bekommen. Der Hobby-Rechtsanwalt bekommt keine Akteneinsicht und erfährt somit nichts Hintergründiges zum Streitfall, was sich regelmäßig negativ auswirken kann, da man die Gegenargumente nun einmal nicht kennt und somit vielfach blind argumentieren muss. Auch bei anderen Auskünften, etwa Auskünften aus dem Melderegister, dem Handelsregister oder ähnliches, kann der Rechtsanwalt behilflich sein.
Risiken und Kosten
Der nächste Punkt bezieht sich auf die Risiken und Kosten weiterer Schritte. Der Hobby-Rechtsanwalt wird regelmäßig nicht in der Lage sein, die Risiken und Kosten seines Tuns abzuschätzen. Ein Rechtsanwalt kann wegen seiner langjährigen Berufserfahrung und vertieften Spezialkenntnissen recht gut ermitteln, ob der Mandant mit seinem Begehren überhaupt erfolgreich sein kann. Der Rechtsanwalt kann die Risiken und Erfolgsaussichten einer Klage oder die kostengünstigste Möglichkeit zur Vermeidung der Folgen einer Klage besser abwägen bzw. abschätzen.
Anwaltszwang
Es muss auch berücksichtigt werden, dass vor diversen Gerichten Anwaltszwang gilt. Anwaltszwang bedeutet, dass die Partei vor Gericht von einem Rechtsanwalt vertreten werden muss und selbst keine Verfahrensrechte nach der Prozessordnung hat. Die Gründe für diesen sogenannten Anwaltszwang, der bei einigen Gerichtsverhandlungen im Zivilrecht herrscht, liegen in der Postulationsfähigkeit. Die Postulationsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit, vor Gericht rechtswirksame Handlungen vorzunehmen. Zu diesen rechtswirksamen Handlungen gehört beispielsweise das Stellen von Anträgen an das Gericht, das Einreichen einer Klage oder das Einlegen von Rechtsmitteln wie der Berufung. Im sog. Anwaltsprozess ist nur ein Rechtsanwalt postulationsfähig, nicht jedoch die beteiligten Parteien.
Erscheint eine Partei zur Verhandlung in einem Anwaltsprozess ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt, so ist das Ergebnis das Gleiche, als wenn die Partei gar nicht erschienen wäre (Versäumnisurteil). Sie können dann ohne einen Rechtsanwalt also keine Klage erheben, keine Anträge stellen und keinen Beweis anbieten, wohl aber wegen ungehörigen Benehmens aus dem Gerichtssaal verwiesen werden oder ein Ordnungsgeld/Ordnungshaft verordnet bekommen. Die Fälle, in denen ein Anwaltszwang oder eine notwendige Verteidigung vorgeschrieben sind, sind in der Regel keine Bagatellfälle mehr. Insbesondere im Zivilverfahren besteht der sog. Anwaltszwang, und zwar immer dann, wenn das Verfahren am Landgericht oder am Oberlandesgericht stattfindet. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn der Streitwert 5.000 Euro übersteigt oder wenn das Verfahren in eine höhere Instanz (z.B. durch eine Berufung) geht.
Bei erstinstanzlichen Verfahren am Amtsgerichtdürfen Sie sich also selbst vertreten, jedoch sollten Sie im Einzelfall genau abwägen, ob das ein kluge Entscheidung ist. Eine Ausnahme bilden Ehescheidungen und einige daraus resultierende familienrechtliche Auseinandersetzungen wie etwa Unterhalts- oder Güterrechtsstreitigkeiten, die immer mittels eines Rechtsanwalts geführt werden müssen, und zwar zum Schutz der Beteiligten.
Auf Augenhöhe
Und schließlich ist zu berücksichtigen, dass, wenn die Gegenseite zudem anwaltlich vertreten ist, es regelmäßig noch schwerer fällt, sich selbst zu verteidigen und sich den Argumenten des gegnerischen Rechtsanwalts sinnvoll und objektiv etwas entgegenzusetzen. Der gegnerische Rechtsanwalt und der Richter sprechen eine andere Sprache vor Gericht, die Sie ohne juristische Ausbildung kaum verstehen werden. Gerne auch werfen die Juristen vor Gericht mit Paragrafen um sich – und bevor Sie im Gesetzbuch nachgeschaut und nachgelesen haben, was das wohl bedeuten mag, geht die Verhandlung unverrichteter Dinge weiter. Sie werden dann einfach den Anschluss und somit den Überblick verlieren. Und am Ende das gesamte Verfahren. Die für Laien oft einschüchternde Atmosphäre im Gerichtssaal tut ihr übriges, so dass man ohne anwaltliche Vertretung oft genug als Verlierer aus einer Verhandlung hervorgeht. Empfehlenswert ist ein solcher Alleingang also nicht, am Amtsgericht aber durchaus erlaubt. Vielleicht nehmen Sie sich einfach etwas Zeit und setzen sich in eine Gerichtsverhandlung hinein, um Atmosphäre, anwaltliches Streiten, Sprache der Beteiligten usw. aufzunehmen. Sollten Sie dann immer noch der Meinung sein, dies allein unbeschadet durchfechten zu können, wünsche ich viel Erfolg. Aber im Ernst, ist es denn nicht viel beruhigender zu wissen, dass man in der Streitsache nicht allein ist, sondern mit einem Rechtsanwalt einen echten Fachmann an seiner Seite hat, der das ganze Spiel perfekt beherrscht? Ja, der Rechtsanwalt schuldet kein Obsiegen, sondern nur eine anwaltliche Dienstleistung, aber er wird Ihnen sicherlich helfen, das bestmögliche Ergebnis für Sie zu finden und Ihnen auf dem steinigen Weg einen großen Teil der Last abnehmen.
Glückauf,
Ihr Rechtsanwalt
JUDr. Norman M. Spreng, LL.M.
Artikel teilen: