Warum fallen Strafen in Deutschland häufig so „milde“ aus? Teil 2
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Im ersten Teil habe ich die allgemeinen Punkte aufgeführt, welche im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Im zweiten und dritten Teil erläutere ich die einzelnen Punkte ausführlich, um ein besseres Verständnis für die konkrete Strafzumessung vermitteln zu können.
Im Nachfolgenden werden die Punkte Beweggründe und Ziele des Täters, Gesinnung des Täters, aufgewendeter Wille bei der Tat, Maß der Pflichtwidrigkeit und Art der Ausführung der Tat erläutert.
Im letzten Teil werde ich noch die Punkte verschuldete Auswirkungen der Tat, Vorleben des Täters, persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Täters, das Nachtatverhalten des Täters und die sonstigen Strafzumessungskriterien erörtern.
Welche Beweggründe und Ziele des Täters wirken strafschärfend und welche strafmildernd?
Strafschärfend wirken sich grob egoistische Motive, sittenwidrige Zwecke, Gewinnsucht, grober Eigennutz und rassistische, antisemitische, fremdenfeindliche, geschlechtsspezifische, homophobe und sonstige menschenverachtende Gründe aus. Diese Umstände müssen jedoch im konkreten Zusammenhang zur begangenen und abzuurteilenden Tat stehen.
Strafmildernd wirken hingegen uneigennützige Motive, wenn der Tat eine Provokation durch das Opfer voranging, die Tat aus Angst oder Verzweiflung begangen wurde, die Tat in einer notstandsähnlichen Situation verübt wurde, der Täter gruppendynamischen Zwängen unterlag, der Täter zu der Handlung genötigt wurde oder die Tat aus wirtschaftlicher Not heraus begangen wurde.
Welche Gesinnung des Täters wirkt sich strafschärfend und welche strafmildernd aus?
Die Gesinnung des muss sich bei der Begehung der Tat manifestiert haben, um strafschärfend oder strafmildernd wirken zu können.
Strafschärfend wirkt sich eine rohe, böswillige, grausame, skrupellose oder rücksichtslose Einstellung des Täters aus. Ebenso wenn der Täter eine allgemein rechtsfeindliche Gesinnung hat.
Strafmildernd wirken sich hingegen Gesinnungen aus, die für die Bevölkerung nicht allgemein unverständlich sind. Zum Beispiel der Einbruch in ein Labor um die Versuchstieren zu befreien.
Was meint bei der Tat aufgewendeter Wille?
Das Gericht muss hier feststellen, welche kriminelle Energie des Täters, sich in der Tat gezeigt hat. An dieser Stelle wirkt sich daher eine erhebliche kriminelle Energie strafschärfend und eine geringe kriminelle Energie strafmildernd aus.
Was sind Anzeichen für eine erhebliche kriminelle Energie?
Davon kann ausgegangen werden,
- wenn der Täter über einen langen Zeitraum eine Vielzahl von Straftaten begangen hat,
- wenn die Tat sorgfältig und langfristig geplant wurde,
- wenn die Tat besonders professionell ausgeführt wurde
- wenn der Täter die Bereitschaft zur Begehung einer schweren Straftat hatte, trotz dem Wissen, dass nur eine geringe Beute zu erwarten war
- wenn der Täter das Überführungsrisiko planmäßig verringert hat
- wenn der Täter bei der Tatausführung besonders brutal, grausam oder hartnäckig vorgegangen ist.
Was sind Anzeichen für eine geringe kriminelle Energie?
Davon kann aufgegangen werden,
- wenn die Tat spontan aufgrund einer sich bietenden Gelegenheit begangen wurde,
- wenn bei der Tat opferschützende oder ungefährliche Tatmittel benutzt wurden,
- wenn die Tatausführung dilettantisch war
- wenn die Tat aufgrund einer langjährigen Rauschgiftabhängigkeit und daraus resultierender Willensschwäche begangen wurde,
- wenn die Tat durch den Einfluss Dritter bzw. gruppendynamisches Verhalten begangen wurde.
Was meint Maß der Pflichtwidrigkeit?
Das Maß der Pflichtwidrigkeit spielt vor allem eine Rolle bei Fahrlässigkeitsdelikten, Unterlassungsdelikten, Straftaten im Amt, Vorsatzdelikten mit besonderen Pflichten und unechten Unterlassungsdelikten, bei denen der Täter gegenüber seinem Opfer eine Garantenpflicht hatte.
Bei Fahrlässigkeitsdelikten geht es also um den Grad der Fahrlässigkeit, leichte Fahrlässigkeit wiegt weniger schwer, also grobe Fahrlässigkeit.
Bei Unterlassungsdelikten stellt sich die Frage, wie weit entfernt war das Abverlangte Verhalten von der Grenze des für den Täter zumutbaren.
Bei Straftaten im Amt muss geklärt werden, wie weit der Amtsträger gegen seine eigenen Pflicht verstoßen hat.
Bei Vorsatzdelikten mit besonderer Pflicht zum Beispiel Untreue, muss geprüft werden wie weit das entgegengebrachte Vertrauen des Opfers enttäuscht wurde.
Eine gesetzliche Garantenpflicht haben beispielsweise Eltern gegenüber ihren Kindern oder Eheleute untereinander. Aber eine Garantenpflicht kann ebenso aus einer vertraglichen Beziehung resultieren. So haben etwa Kindergärtner, Lehrer, Babysitter, Ärzte, Bademeister, Taxifahrer, Polizisten und Rettungskräfte während ihrer Dienstzeit ebenfalls eine Garantenstellung inne.
Was ist mit „die Art der Ausführung der Tat“ gemeint?
Bei diesem Punkt geht es um die spezifische Ausführung der abzuurteilen Tat.
Strafschärfend wirkt in diesem Zusammenhang aus,
- wenn sich die Tatausführung über einen längeren Zeitraum erstreckt hat. Dies ist etwa bei einer Freiheitsberaubung zu bejahen, die nicht nur ganz kurz, sondern über mehrere Tage erfolgt ist oder bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl, bei dem die Wohnung nicht nur ganz kurz nach Wertsachen durchsucht wurde, sondern über mehrere Stunden ausgeräumt wurde
- wenn durch die Tatbeteiligung mehrerer ein erhöhtes Gefährlichkeitsrisiko für das Opfer entstanden ist. Dies ist jedoch nicht allein schon durch mittäterschaftliches Handeln zu bejahen
- wenn die Tatausführung besonders brutal, grausam oder hartnäckig erfolgt ist und sich darin eine besonders hohe kriminelle Energie manifestiert hat
- wenn ein besonders gefährliches Tatmittel (z.B. Schusswaffe) verwendet wurde. Dies darf jedoch nur berücksichtigt werden, wenn das Tatmittel nicht bereits Tatbestandsmerkmal ist.
- wenn durch die Tatausführung mehrere Menschen zu schaden gekommen sind
- wenn der Täter ein besonders hilfloses oder schutzwürdiges Opfer ausgesucht hat
Strafmildernd wirkt sich in diesem Zusammenhang aus,
- wenn bei der Tatausführung ein opferschonendes oder ungefährliches Tatmittel benutzt wurde (z.B. Scheinwaffe)
- wenn die Tatausführung vollkommen dilettantisch erfolgt ist
- wenn durch die Tatausführung keine ernsthafte Gefährdung des durch das Gesetz geschützten Rechtsguts eingetreten ist
- wenn der Täter bei der Tatausführung aufgrund von Alkohol oder Rauschmitteln enthemmt war oder an einer Affektstörung litt, die jedoch nicht ausreichend für eine Schuldunfähigkeit war. Bei alkohol- und drogenbedingter Enthemmung muss allerdings beachtet werden, dass eine strafmildernde Wirkung nicht in Betracht kommt, wenn der Zustand selbst verschuldet ist.
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