Welche Kündigungsfrist ist richtig - Europa läßt grüßen

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Kündigungsfristen des § 622 II, s.2 BGB, LAG Rheinland-Pfalz 31.07.2008

Nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB verlängern sich Kündigungsfristen für den Arbeitgeber, wenn Arbeitnehmer länger im Betrieb beschäftigt werden. Das ist bekannt. Auch bekannt dürfte sein - weil gesetzlich geregelt in §622 II, S.2 BGB - das die Zeiten der Betriebsgehörigkeit bei Mitarbeitern, die noch nicht das 25. Lebensjahr erreicht haben, nicht mitzuzählen sind. Für diese jungen Mitarbeiter erhöhen sich die Kündigungsfristen für den Arbeitgeber bei Ausspruch von Kündigung nicht.

Bsp.: Wurde ein Arbeitnehmer mit 15 Jahren eingestellt und wird mit 25 Jahren gekündigt, hat er nach 10 Jahren eine Kündigungsfrist von 4 Wochen zum 15. oder Ende des Monats. Wäre er mit 25 Jahren eingestellt worden, hätte er nach 10 Jahren bereits eine Kündigungsfrist von 4 Monaten zum Ende eines Monats.

Die Altersdiskriminierung ist sanktioniert worden, insbesondere durch das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Von daher stellt sich die Frage, ob diese Verlängerung der Kündigungsfristen sowie derzeit im deutschen BGB verankert, richtig ist. Denn warum soll ein junger Arbeitnehmer schlechter gestellt werden als ein älterer Arbeitnehmer?

Das Arbeitsgericht Lörrach hat offen gelassen, ob § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB europarechtswidrig ist. Die europäische Kommission hat in einem Schreiben an die Bundesregierung die Auffassung vertreten, dass Deutschland seinen Verpflichtungen zur Umsetzung der Richtlinie nicht im vollen Umfange nachgekommen ist. In dem Schreiben hat die Kommission insbesondere darauf hingewiesen, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB die Zeiten des Arbeitnehmers, die dieser vor dem 25. Lebensjahr zurückgelegt hat, bei einer Kündigung nicht berücksichtigt werden. Für diese Benachteiligung junger Beschäftigter gäbe es keine Rechtfertigung. Damit wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass dieses Gesetz insoweit unwirksam sei.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hält § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB für uneingeschränkt anwendbar. Zwar dürfte auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz die Problematik der Altersdiskriminierung erkennen, es hält jedoch eine Vorabentscheidung an den EuGH für nicht geboten. Das Gericht überlässt es vielmehr dem BAG als obersten Gerichtshof des Bundes, die Vorlage zu unterbreiten.

Letztlich müsse die Rechtsprechung in Deutschland das Gesetz solange anwenden, bis das Gesetz geändert sei oder für nichtig erklärt wird. Das sei derzeit noch nicht der Fall.

Das LAG Düsseldorf hatte ebenfalls über diese Frage zu entscheiden (10 Sa 295/08), das Gericht hält die Vorschrift für so eindeutig, dass es nicht ausgelegt werden kann. Es ist aber der Ansicht, direkt die Entscheidung dem EuGH vorlegen zu können. Der EuGH solle also darüber entscheiden, ob § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB anwendbar oder unanwendbar ist.

Auch das LAG Berlin-Brandenburg hatte über diese Frage zu entscheiden (Urteil vom 24.07.2007, 7 Sa 561/07). Das LAG Berlin-Brandenburg wendet deshalb § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB selbst nicht an und entscheidet selbst.

Für die Praxis bedeutet das für Arbeitnehmer, deren Kündigungsfrist aufgrund der Vorschrift nicht (ausreichend) verlängert wurde, dass in jedem Fall Klage auf Einhaltung der richtigen Kündigungsfrist eingereicht werden sollte. Die Erfolgsaussichten stehen gut.

Für Arbeitgeber bedeutet die Diskussion über die verlängerten Kündigungsfristen, dass sie immer damit rechnen müssen, dass die verlängerten Kündigungsfristen für Arbeitnehmer zugrunde gelegt werden, sei es durch eine direkte Entscheidung der Arbeitsgericht oder aber durch eine bald zu erwartende Entscheidung des EuGH. Jedenfalls ist stark zu vermuten, dass die Ungleichbehandlung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht mehr lange rechtmäßig aufrechterhalten werden kann.


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