Wenn das Verkehrsschild zugewachsen ist

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Ein zugewachsenes und damit nicht erkennbares Verkehrszeichne entfaltet objektiv keine Regelwirkung.

Vorliegend war der Betroffene innerorts mit seinem PKW mit 70 km/h (nach Toleranzabzug) unterwegs, wobei nur eine Geschwindigkeit von 30 km/h zulässig war. Diese wurde durch Verkehrszeichen 274.1 (Tempo-30-Zone) angeordnet. Das Verkehrszeichen 274.1 befand sich auf der Straße, in die der Betroffene nach rechts abgebogen war. Das Schild war zum Tatzeitpunkt durch Baum- und Buschbewuchs für den Betroffenen nicht erkennbar. Die gesamte von dem Betroffenen zurückgelegte Fahrtstrecke bis zur Messstelle ist durch das Gericht gemeinsam mit dem Betroffenen und seinem Verteidiger abgefahren worden.

Aufgrund der festgestellten örtlichen Verhältnisse – u. a. mehrfacher Fahrbahnerhöhungen, eine Fahrbahnverengung, die Geltung der Regelung „rechts vor links“ an nahezu allen Einmündungen, neben einer Schule und einem Kindergarten an der I-Straße fast ausschließlich vorhandene Wohnbebauung – ist das Amtsgericht zu der Überzeugung gelangt, der Betroffene hätte erkennen können und müssen, dass er sich in einer Tempo-30-Zone befand und hat ihn einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 40 km/h für schuldig befunden. Bei der Bußgeldzumessung ist das AG von Regelgeldbuße von 100,- € ausgegangen und hat diese unter Berücksichtigung von vier Voreintragungen auf 200,- € erhöht.

Das Oberlandesgericht hob das Urteil auf und verurteilte den Betroffenen wegen Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO um 20 km/h.

Nach den Urteilsfeststellungen konnte der Betroffene das Verkehrszeichen 274.1, das den Beginn der Tempo 30-Zone anzeigte, wegen des zum Tatzeitpunkt vorhandenen Baum- und Buschbewuchses nicht erkennen. Dieser Umstand hatte zur Folge, dass das Verkehrszeichen für den Betroffenen keine Verbindlichkeit entfaltete. Für die Wirksamkeit von Verkehrszeichen gilt der Sichtbarkeitsgrundsatz. Nach diesem Grundsatz sind Verkehrszeichen so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhalten der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Werden Verkehrsregelungen aufgrund von Abnutzung oder Witterungsbedingungen derart unkenntlich, dass die Erkennbarkeit im o.g. Sinne nicht mehr vorhanden ist, so verlieren sie ihre Wirksamkeit (vgl. OVG Münster a.a.O.; BayObLG NJW 1984, 2110; König in Jagusch/ Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 39 Rdnr. 32 m.w.N.; Heß in Burmann/ Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 39 StVO Rdnr. 18 a m.w.N.). Dies gilt gleichermaßen, etwa wenn eine Markierung abgenutzt ist oder ein Schild völlig verschneit ist (vgl. BayObLG a.a.O.) oder wenn aufgrund von Zweigen bzw. Gebüsch in der Nähe des Verkehrszeichens eine Wahrnehmbarkeit im o.g. Sinne nicht mehr gegeben ist (vgl. OLG Stuttgart VRS 95, 441).

(OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2010 - III-3 RBs 336/09)


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