Wer muss die Verluste der Lebensversicherung nach einem Widerruf tragen?

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Kunden einer fondsbasierten Lebens- oder Rentenversicherung sind von der Wertentwicklung ihrer Versicherung oft entsetzt, hatten sie mit dem Abschluss der Versicherung doch Erwartungen und Hoffnungen an eine gesicherte Altersvorsorge verbunden. Stattdessen stellt mancher nach Jahren der Beitragszahlung fest, dass sich das Fondsvermögen nicht positiv entwickelt hat, oder schlimmer noch, massive Verluste eingetreten sind.

Totalverlust der Sparanteile

Das OLG Stuttgart hatte kürzlich über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Totalverlust der Fondsanteil eingetreten war (vgl. Urt. v. 22.05.2017 – 7 U 34/17). Der Kläger hatte von seinem „Widerrufsjoker“ Gebrauch gemacht und auf Rückabwicklung, also Rückzahlung aller bezahlten Beiträge nebst Zinsen und Nutzungen, geklagt. Das OLG Stuttgart hat hinsichtlich der Fondsverluste u. a. damit argumentiert, dass der Verstoß des Versicherers gegen seine Belehrungspflicht dadurch ausreichend sanktioniert werde, dass dem Versicherungsnehmer ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht zusteht. Deswegen hätte der Versicherungsnehmer die Verluste vollständig selbst zu tragen.

Diese Rechtsansicht halten wir für grob verfehlt und unvereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH) zur Frage, wer Fondsverluste zu tragen hat.

Effektivitätsgebot aus dem Europarecht

Das europarechtliche Effektivitätsgebot bedeutet, dass bei der Auslegung nationaler Gesetze stets die Auslegung vorzuziehen ist, bei der sich das Europarecht am besten und wirkungsvollsten realisiert. Für die Auslegung des Widerrufsrechts nach § 5a VVG a. F. ist unter europarechtlichen Gesichtspunkten stets der Gedanken der 2. Und 3. „Richtlinie Lebensversicherung“ maßgeblich. Hierin hat der EU-Gesetzgeber die Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht geregelt. Diese Pflicht solle nicht dadurch abgeschwächt werden, dass nach Ablauf einer bestimmten Zeit das Widerspruchsrecht ausgeschlossen ist.

Effektiv ist das Widerrufsrecht nur, wenn auch andere Umstände nicht dazu führen, dass das Widerrufsrecht entwertet und aufgeweicht wird. Zwar hat der BGH in seiner Entscheidung vom 11.11.2015 (Az. IV ZR 513/14) gesagt, dass das Widerrufsrecht jedenfalls dann nicht entwertet wird, wenn der Versicherungsnehmer Verluste tragen muss, die nur einen geringen Teil der Sparanteile ausmachen. Allerdings ist in dieser Entscheidung auch klar ausgesprochen worden, dass die Verluste nicht überwiegend auf den Kunden abgewälzt werden können.

BGH-Rechtsprechung zu Fondsverlusten

Der BGH hat es allerdings verpasst, eine klare Regelung für den Fall zu treffen, dass die Verluste einen größeren Anteil der Sparanteile ausmachen. Der genannten Entscheidung vom 11.11.2015 lag ein Fall zugrunde, in dem die Verluste nur etwa 5 % der Sparanteile betrugen.

Im Lichte der BGH-Rechtsprechung überrascht die Entscheidung des OLG Stuttgart zum Totalverlust des Sparanteils. Durch seine Formulierung hat der BGH eindeutig vorgegeben, dass bei höheren Verlusten durchaus eine Verletzung des europäischen Effektivitätsgebots in anzunehmen ist, wenn der Versicherungskunde die Verluste zu tragen hätte. Erst recht überzeugt das Argument des OLG Stuttgarts nicht, wonach der Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung schon durch das unbefristete Widerrufsrecht ausreichend sanktioniert würde. Tatsächlich treffen hierbei die finanziellen Folgen alleine den Versicherungsnehmer, nicht aber den Versicherer, der gegen seine Belehrungspflicht verstoßen hat. Oder will das OLG Stuttgart sagen, die Versicherung sei schon damit ausreichend gestraft, dass sie mit dem widerrufenen Vertrag nicht die geplante Rendite erzielen konnte?

Bedeutung für den Einzelfall

Durch die relativ offene Formulierung in der Entscheidung des BGH ist eine einheitliche Linie in der Instanzenrechtsprechung leider noch nicht ersichtlich. Weder ist eine prozentuale Grenze festgelegt, ab welcher der Versicherungskunde die Verluste tragen muss, noch ist bislang klar, ob der Versicherungsnehmer ab einer bestimmten Grenze Verluste anteilig oder überhaupt nicht tragen muss.

Der BGH wird sich hierzu, sowie zur Ansicht des OLG Stuttgarts, noch äußern müssen, da Fondsverluste in vielen Lebensversicherungen eingetreten sind und die schlechte Wertentwicklung gerade ein maßgeblicher Grund für die Ausübung des Widerrufsrechts sein wird.

Denkbar – und aus unserer Sicht wahrscheinlich – dürfte eine Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zur Haftung von Banken bei Kapitalanlagen sein. Dort ist der Widerrufende so zu stellen, als hätte er die entsprechende Kapitalanlage nicht getätigt.

Nur dann, wenn der Kunde auch im Fall des Widerrufs einer Lebensversicherung so gestellt wird, wie er stünde, wenn er die Anlage niemals getätigt hätte, kann dem europarechtlichen Effektivitätsgebot Genüge getan werden.

Widerruf und Rückabwicklung von Lebensversicherungen weiter attraktiv

Nach wie vor ist für schlecht laufende Lebensversicherungen die Ausübung des Widerrufsrechts die beste Möglichkeit, aus einer schlechten Anlage nachträglich noch ein gutes Geschäft zu machen.

Warnung vor „Dienstleistern“

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