Widerruf Autofinanzierung nach dem jüngsten EuGH – Urteil

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Bereits mit unserem Rechtstipp vom 30.03.2020 haben wir auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 26.03.2020 (Az. C-66/19 "Kreissparkasse Saarlouis") zu Widerrufsbelehrungen hingewiesen. Diese Entscheidung wird erhebliche praktische Bedeutung erlangen, denn nach ihr sind zahlreiche Verbraucherverträge auch noch Jahre nach ihrem Abschluss widerrufbar. Dies gilt für alle Immobilienkreditverträge ab 2010, Autodarlehen, Kfz-Finanzierungen und sonstige Verbraucherkredite. Insbesondere der Widerruf von Kfz-Finanzierungen kann für Verbraucher erhebliche Vorteile bringen, etwa auch dann wenn es sich um vom Diesel-Skandal betroffene Fahrzeuge handelt. 

Um was geht es genau?

In der Entscheidung des EuGH vom 26. März 2020 ging es um die Frage, ob die in dem der Entscheidung zugrunde liegende Widerrufsbelehrung mit dem EU-Recht vereinbar ist. Eine Widerrufsbelehrung wendet sich an den durchschnittlichen Verbraucher und soll diesen eindeutig auf sein Widerrufsrecht, die Folgen und die Modalitäten der Ausübung des Widerrufsrechts hinweisen. Im vorgelegten Fall wurde in der Widerrufsbelehrung zur Fristberechnung zunächst auf ein Gesetz verwiesen und von dort aus noch einmal auf ein weiteres Gesetz (sogenannte „Kaskadenverweisung“). Nach dem EuGH ist diese Widerrufsbelehrung nicht geeignet den Verbraucher eindeutig zu belehren, denn eine derartig komplexe Berechnung von Fristen kann von einem Verbraucher nicht verlangt werden. 

Auch das höchste Zivilgericht in Deutschland, der Bundesgerichtshof (BGH), hat sich in der Vergangenheit mit dieser Frage schon beschäftigt. Dieser kam hingegen zum Ergebnis, dass die vom EuGH kritisierte Klausel ausreichend sei, da sie dem gesetzlichen Mustertext entspreche, auf den sich die Banken nach Ansicht des BGH berufen dürfen (sog. „Gesetzlichkeitsfiktion“).

Demnach steht die Rechtsprechung des EuGH nun im Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH.

Was bedeutet dies für die betroffenen Verbraucher?

Es existieren auch bereits divergierende Entscheidungen der Oberlandesgerichte zu dieser Frage. So folgte das Oberlandesgericht Rostock dem EuGH und auch andere Oberlandesgerichte äußern Zweifel, ob die Banken sich nach dem EuGH-Urteil tatsächlich noch auf den „Musterschutz“ berufen können. Der BGH hat jedoch in einem jüngsten Beschluss klargestellt, dass er die Gesetzlichkeitsfiktion nicht in Frage stellen wird (Beschluss vom 31.03.2020, Az. XI ZR 198/19). Der BGH argumentiert, dass zwar das nationale Recht EU-rechtskonform auszulegen ist, dies führe jedoch nicht dazu, das das nationale Recht nicht gegen den eindeutigen Wortlaut ausgelegt werden kann, da dies als Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip anzusehen wäre. Wie sich die Rechtsprechung langfristig entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

Abweichungen von der Musterwiderrufsbelehrung

Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass der EuGH-Entscheidung nun keinerlei praktische Relevanz zukommen würde, auch wenn der BGH langfristig an der Gesetzlichkeitsfiktion festhält.  Banken, die auch nur kleine Veränderungen an dem vom deutschen Gesetzgeber vorgegebenen Mustertext vorgenommen haben, können sich nämlich gerade nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Hierzu reichen bereits geringe Abweichungen etwa in Satzbau oder Form aus. Derartige Darlehensverträge sind daher mit Erfolg widerrufbar, wenn sie den vom EuGH als nicht ausreichend angesehenen sogenannten "Kaskadenverweis" enthalten. Dies betrifft nach unseren Erfahrungen zahlreiche Verträge, insbesondere auch KFZ-Finanzierungen.

Wie stehen die Erfolgsaussichten für betroffene Verbraucher?

Ob ein Widerruf mit anschließender Rückabwicklung erfolgversprechend ist, hängt vom jeweiligen Vertrag ab. Eine rechtliche Prüfung der Vertragsunterlagen, insbesondere der jeweiligen Widerrufsbelehrung schafft schnell Klarheit. Zudem müssen in jedem Einzelfall Erfolgsaussichten und etwaige Kostenrisiken abgewogen werden.

Gerne prüfen wir Ihre Unterlagen für Sie und beraten Sie in Bezug auf ein mögliches weiteres Vorgehen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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