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Widerrufsrechte in der Lebensversicherung - neues Urteil des BGH

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Der BGH hat in seinem neuen Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11 – die Begrenzung des Widerrufsrechts in der Lebens- und privaten Rentenversicherung für bestimmte Fälle aufgehoben. Er folgte damit dem Europäischen Gerichtshof, Urteil vom 19.12.2013 – C-209/12.

Wenn ein Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt werde, dann dürfe dieses Widerrufsrecht nicht ein Jahr nach Zahlung der 1. Versicherungsprämie erlöschen, entschied das Gericht.

Betroffen war im vorliegenden Streitfall das sogenannte Policen-Modell bei Lebensversicherungen. Danach beantragte der Versicherungsnehmer die Versicherung und erhielt anschließend den Versicherungsschein. Erst mit dem Versicherungsschein wurden ihm die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und alle weiteren notwendigen Informationen übermittelt, insbesondere die Hinweise und Belehrungen über das Widerrufsrecht.

Nach § 5 Buchst. a VVG a. F. konnte der Versicherungsnehmer grundsätzlich den Versicherungsvertrag ohne Angabe von Gründen widerrufen und damit von Anfang an unwirksam machen. Der deutsche Gesetzgeber räumte dem Verbraucher eine Widerspruchsmöglichkeit ein, deren Frist erst nach Erhalt aller Unterlagen begann. Diese Frist betrug für Lebensversicherungsverträge zunächst 14 Tage, später 30 Tage. Das Widerrufsrecht erlosch jedoch spätestens ein Jahr nach Zahlung der 1. Versicherungsprämie durch den Kunden. Waren dem Kunden zu dieser Zeit noch nicht alle Unterlagen übergeben worden oder war die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß, blieb der Kunde trotzdem an den Vertrag gebunden.

Im Fall des EuGH klagte ein Mann, der 1998 eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte und fast 10 Jahre später den Widerruf erklären wollte. Der BGH hat die 1-jährige Ausschlussfrist für Lebens- und private Rentenversicherungen als unwirksam erachtet.

Zu beachten ist Folgendes: Der BGH bezieht sich in seinem Urteil ausdrücklich auf die 3. europäische Richtlinie für Lebensversicherungen. Am 5. November 2002 wurde die entsprechende EU-Richtlinie durch eine Neuregelung abgelöst. Über die Neuregelung hatte der BGH nicht zu entscheiden. Es bleibt daher offen, ob die Rechtsprechung auch für die Zeit nach der Neuformulierung gilt. Zum Jahresbeginn 2008 wurde die strittige Klausel aus dem Versicherungsvertragsgesetz gestrichen.

Zusammenfassung:

  1. Das Urteil betrifft Lebensversicherungen und private Rentenversicherungen, die bis zum 05.11.2002 abgeschlossen wurden (möglicherweise auch bis zum 01.01.2008).
  2. Die Widerrufsbelehrung muss fehlerhaft sein oder dem Kunden sind nicht die weiteren Vertragsunterlagen übergeben worden (Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen, gesetzliche Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes).
  3. Folge: Der Vertrag kann widerrufen werden.
  4. Folgen des Widerrufes:
  • Der Kunde kann die gezahlten Prämien zurückverlangen.
  • Streitig ist, ob die Versicherung an den Kunden Zinsen zu zahlen hat. (Für Banken hatte der BGH dies bereits bejaht, vgl. Urteil v. 10.03.2009 – XI ZR 33/08).
  • Der Kunde muss sich als Vermögensvorteil den bis dahin gewährten Versicherungsschutz anrechnen lassen. Dieser kann etwa darin liegen, dass der Lebensversicherungsvertrag eine Abdeckung des Todesfallrisikos enthält. Im Einzelfall ist dieser Wert unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation zu ermitteln.

Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass alte Verträge mit einer relativ hohen Verzinsung immer noch eine gute Geldanlage sein können. Attraktiv ist das Urteil für diejenigen, die in jedem Falle ihre Lebensversicherung vorzeitig beenden wollen. Bei einer vorzeitigen Beendigung der Lebensversicherung müssen die Versicherungsnehmer normalerweise mit hohen Abzügen beim Kapitalwert rechnen. Das Urteil des BGH bietet hier die Möglichkeit, Abzüge zu vermeiden.

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