Wirksamkeit eines Testaments: Kein Testierwille bei Verwendung von „butterbrotartigem“ Pergament

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Die äußere Form eines eigenhändigen Testaments als Problemfall

Testamente können nur persönlich errichtet werden (§ 2064 BGB). Ein eigenhändiges Testament wird durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung des Erblassers errichtet (§ 2247 Abs. 1 BGB).

In der Praxis kann es vorkommen, dass ein solches Testament an rein formalen Kriterien scheitert. Wenn die äußere Form des betreffenden Schriftstücks in Verbindung mit den dort aufgezeichneten Verfügungen nicht auf einen verlässlichen Testamentsinhalt schließen lässt, so ist dies ein starker Hinweis auf einen fehlenden Testierwillen des Verfassers. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 27. November 2015, Aktenzeichen 10 W 153/15) beleuchtet den besonders anschaulichen Fall eines Schriftstücks, das nicht als gültiges Testament anerkannt wurde.

Im zu entscheidenden Fall hatten in einem Nachlassverfahren die Enkel der Erblasserin dem Nachlassgericht zwei Schriftstücke (aus ein und demselben Jahr) vorgelegt, die angeblich Testamente der Erblasserin waren. Dabei handelte es sich zum einen um einen 8 cm mal 10 cm großen Zettel, der von Hand ausgeschnitten war und die Aufschrift „Tesemt. Haus. Das für J“ trug. Auf dem Zettel befand sich der Schriftzug der Erblasserin. Das andere Schriftstück war ein mehrfach gefaltetes Stück Papier, welches die Beschaffenheit von Butterbrotpapier hatte. Hierauf befanden sich dieselben Worte, aber in einer etwas anderen Anordnung. Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der Enkel der Erblasserin zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Hamm mit der oben genannten Entscheidung zurückgewiesen.

Testament und Testierwille

Ein Testament ist zunächst eine Willenserklärung, also die Äußerung eines rechtlich erheblichen Willens, die auf eine rechtliche Wirkung hinzielt. Diese Äußerung ist hier eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung. Das Oberlandesgericht führt aus, dass ein Testament somit nur wirksam ist, wenn der Erblasser bei der Errichtung einen ernstlichen Testierwillen hatte. Er muss den ernstlichen Willen gehabt haben, eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall zu treffen. Ein Testierwille kann zweifelhaft sein, wenn ungewöhnliche Schreibmaterialien oder Errichtungsformen verwendet werden oder wenn die inhaltliche Gestaltung oder der Aufbewahrungsort Fragen aufgeben. Es ist dann stets in Erwägung zu ziehen, ob es sich nicht lediglich um den Entwurf für ein Testament handelt. Bleiben Zweifel erhalten, so kann nicht von einem gültigen Testament ausgegangen werden. Denn für ein gültiges Testament muss der ernstliche Testierwille außer Zweifel stehen.

Zweifel am Testierwillen

Im zu entscheidenden Fall hat das Gericht Zweifel an einem ernstlichen Testierwillen vor allem darin gesehen, dass die beiden angeblichen Testamente nicht auf einer üblichen Schreibunterlage (Papierblätter in Größe DIN A4 oder DIN A5) verfasst wurden, sondern auf einem ausgeschnittenen Stück Papier und auf einem mehrfach gefalteten Bogen Pergamentpapier.

Weitere Zweifel ergaben sich daraus, dass die Schriftstücke äußerlich und inhaltlich ungewöhnlich gestaltet waren. Sie enthielten gravierende Rechtschreibfehler („Tesemt“) und waren nicht in einem vollständigen Satz verfasst, obwohl die Erblasserin nach Erkenntnis des Gerichts der deutschen Sprache in Schrift und Grammatik mächtig war.

Nach Auffassung des Gerichts sprach auch der Umstand, dass in demselben Jahr zwei nahezu gleichlautende Schriftstücke erstellt wurden, gegen den ernsthaften Willen der Erblasserin, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten. Hierfür war kein nachvollziehbarer Grund erkennbar. Im Gegenteil sprachen die beiden inhaltsgleichen Schriftstücke, die auf ungewöhnlichen Schreibunterlagen verfasst waren, eher dafür, dass es sich hier um Vorüberlegungen bzw. Entwürfe handelte.

Schließlich wertete das Gericht den Umstand, dass die beiden betreffenden Schriftstücke an einem Ort aufbewahrt wurden, der für Testamente eher ungewöhnlich ist, als weiteres Indiz für einen fehlenden Testierwillen. Die Schriftstücke lagen in einer Schatulle ungeordnet zusammen mit verschiedenen anderen Unterlagen und z. B. mit leeren, gebrauchten Briefumschlägen.

Folgen für den Umgang mit Testamenten

Die dargestellte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ist ein weiterer Beleg für mögliche Schwierigkeiten bei der Interpretation von letztwilligen Verfügungen. Bevor nämlich bei einem Testament inhaltlich der Wille des Erblassers ermittelt werden kann, ergibt sich mitunter die Vorfrage, ob das betreffende Schriftstück ursprünglich mit Testierwillen errichtet wurde – ob also in formeller Hinsicht überhaupt von einem Testament zu sprechen ist.

Wie die Entscheidung des Oberlandesgerichts zeigt, können durchgreifende Zweifel an einem ernstlichen Testierwillen – und damit am Vorliegen eines wirksamen Testaments – insbesondere dann aufkommen, wenn der Erblasser eine unübliche Schreibunterlage verwendet, wenn die äußere und inhaltliche Gestaltung ungewöhnlich ist oder wenn das betreffende Schriftstück an einem für Testamente ungewöhnlichen Ort aufbewahrt wird.

Nikolai Nikolov

Rechtsanwalt


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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