YouTube & Recht: Verschwörungstheorien & Fake News– Wie weit darf man gehen?

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Auch wenn man nicht aktiv nach ihnen sucht, kommt man regelmäßig mit ihnen in Berührung: Verschwörungstheorien. So scheint etwa der Youtube-Algorithmus dergestalt konzipiert, dass dem geneigten Youtube-Konsumenten oftmals auch dann entsprechende Videos vorgeschlagen werden, wenn dieser eigentlich nur ganz unbefangen eine unspektakuläre – und keine Verschwörungstheorien verbreitende – Dokumentation schaut. Und ist man dann erstmal „in die Fänge“ solcher Verschwörungsvideos geraten, scheint es dem Algorithmus ein Anliegen, dem Konsumenten immer „krassere“ verschwörungstheoretische Inhalte vorzuschlagen.

Da verwundert es dann nicht, wenn z.B. der Arbeitskollege – den man bisweilen für seine Ansichten geschätzt hat – von jetzt auf gleich in der Mittagspause die krudesten Dinge verbreitet. Denn nie zuvor war es für Verschwörungstheoretiker einfacher, ihre Inhalte unter die Massen zu bringen. Social-Media lässt grüßen…

Definition und Beispiel

Was macht die Verschwörungstheorie eigentlich zur Verschwörungstheorie? Dazu die Bundeszentrale für politische Bildung: „Verschwörung bedeutet, dass Menschen sich im Geheimen zusammentun. Diese Menschen nennt man Verschwörer. Sie wollen ein gemeinsames Ziel erreichen. Das Ziel schadet aber oft anderen Menschen. Deshalb halten die Verschwörer es geheim. Eine Verschwörungstheorie ist eine Vermutung über eine solche Verschwörung.“

Eine Definition bestehend aus sechs Sätzen? Da drängt sich ein Beispiel auf: „9/11“ – Die Terroranschläge (u.a.) auf das World Trade Center in New York. Hier gibt es einige „Theoretiker“, die vermuten – eher: behaupten – dass sich Mitglieder der US-Regierung zusammengetan haben, um die Anschläge selber zu planen und von Dritten durchführen zu lassen. Und zwar um einen Vorwand zu schaffen, in den Irak und nach Afghanistan einzumarschieren. Um dann den vollen exklusiven Zugriff auf das dort üppig vorhandene Öl zu haben.

Wenn – die Betonung von „wenn“ sei hier ausdrücklich herausgestellt – dem wirklich so gewesen, dann hätte es sich bei den beteiligten Mitgliedern der US-Regierung um die sog. Verschwörer gehandelt. Das gemeinsame Ziel wäre letzten Ende das Öl gewesen. Geschadet hätte man u.a. den unmittelbar und mittelbar durch die Anschläge getöteten zigtausenden von Menschen. Menschen, die diese „Vermutung“ nun verbreiten,  wird man als Verschwörungstheoretiker bezeichnen können.

Das Internet ist voll mit derlei Videos und Artikeln. Und Verschwörungstheorien aller Art haben mit Aufkommen der Corona-Pandemie neuen Schwung erhalten.

Rechtliche Beleuchtung

Auch in rechtlicher Hinsicht ist in dieser Thematik so manch Übergang fließend. So etwa der von Verschwörungstheorie hin zu den Fake News.

Natürlich darf man als kritischer Betrachter Dinge in Zweifel ziehen. Einzelne Vermutungen über eine Verschwörung stellen sich ja letztlich auch schon als zutreffend dar. Dann gibt es allerdings viele Verschwörungstheorien, die so „krude“ sind, dass sich deren Urheber jedenfalls nicht über das Schmunzeln des Durchschnittsbürgers wundern dürfen. Allein diese Krudität macht die Verschwörungstheorie aber noch nicht illegal. Daher ist z.B. Youtube weiterhin voll mit entsprechenden Inhalten. Das ist zunächst mal auch kein schlechtes Zeichen, sondern Ausdruck von gelebter allgemeiner Handlungs- und Meinungsfreiheit.

Rechtlich problematisch wird es jedenfalls dann, wenn es sich bei den Verschwörungstheorien erwiesenermaßen um Fake News handelt. Dann liegt auch schon keine Meinungsäußerung mehr vor. Denn eine Meinung zeichnet sich vereinfacht gesagt dadurch aus, dass sie weder falsch noch wahr sein kann. Abgegrenzt wird die Meinung von der Tatsachenbehauptung. Diese ist immer entweder wahr oder falsch. Jene unwahren Tatsachenbehauptungen sind die Fake News.

Häufig kann das „wahr“ oder das „falsch“ aber nur schwerlich bewiesen werden. Demnach wird man in vielen Fällen gar nicht trennscharf zwischen (zulässiger) Verschwörungstheorie und Fake News abgrenzen können. Denn häufig ist die Verschwörungstheorie zwar äußerst unwahrscheinlich, aber eben nicht gänzlich ausgeschlossen. Also nicht erwiesenermaßen eine Fake News.

So werden einige „Hardcore“-Verschwörungstheoretiker darauf beharren, dass auch die komplette Wissenschaft zu den Verschwörern gehört und folglich auch wissenschaftlich felsenfeste Erkenntnisse in Zweifel ziehen. Da auch eine solche Verschwörung der Wissenschaft in der Theorie – wie eigentlich alles – nicht gänzlich ausgeschlossen ist, werden sie sagen, es handele sich ja nicht zu 100% um eine Fake News, sondern nur zu 99,999%. An dieser Stelle muss solchen Verschwörungstheoretikern aber der Wind aus den Segeln genommen werden: Gegen jene – teils Jahrhunderte alten – felsenfesten wissenschaftlichen Erkenntnisse kommen sie z.B. nicht an. Spätestens dort ist die Grenze zu den Fake News überschritten. Dass die Erde eine Scheibe ist, wird somit immer eine Fake News sein.

Was droht Verbreitern von Fake-News?

Bei offensichtlichen Fake News droht z.B. eine Löschung des entsprechenden Videos auf Youtube. Überdies erhält man einen sog. „Strike“. Bei drei Strikes wird der betreffende Youtube-Account für immer gelöscht. Zu dem Thema haben wir bereits einen Artikel veröffentlicht, der in unseren Rechtstipps zu finden ist.

Ferner drohen ggf. Strafverfahren: So ist etwa eine Verurteilung wegen übler Nachrede möglich, wenn der „Verschwörungstheoretiker“ die von ihm behaupteten Tatsachen nicht beweisen kann. Den Ersteller der Theorie trifft also die Beweislast „für die Wahrheit“. Ferner kommen ggf. Verurteilungen wegen Verleumdung aber auch Beleidigung in Betracht. In diesem Kontext ist es wichtig zu wissen, dass auch die Meinungsfreiheit nicht grenzenlos gilt. Werden Persönlichkeitsrechte verletzt, können die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten sein.

Wer kann sich wie wehren?

Zunächst können in ihren Persönlichkeitsrechten Verletzte Strafantrag stellen, um die o.g. Strafverfahren in Gang zu setzen. Ferner kommen Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüche in Betracht. Insbesondere bei Beleidigungen im jedermann zugänglichen Internet sind die Gerichte hinsichtlich der Zuerkennung von Schmerzensgeld „großzügig“. Aufgrund des großen potentiellen Empfängerkreises sind die Opfer nämlich in besonderer Weise in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Auch sind im Einzelfall Schadensersatzansprüche möglich. Wenn z.B. ein ein Konkurrenz-Youtuber in einem Verschwörungstheoretikervideo geschmäht wird und das Opfer dadurch Werbepartner verliert, kann dieses unter Umständen diesen Schaden vom Verschwörungstheoretiker ersetzt verlangen.

Sind Unternehmen oder auch Parteien Opfer eines entsprechenden Videos, können diese ebenfalls Unterlassungsansprüche geltend machen, Gegendarstellungen einfordern oder auch Schadensersatz verlangen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es Verschwörungstheorien & Fake-News in der Menschheitsgeschichte schon immer gab und wohl auch immer geben wird. Dass es sich hierbei jedoch um keinen rechtsfreien Raum handelt. Und dass insbesondere für betreffende Opfer ein ganzes Arsenal an (rechtlichen) Möglichkeiten offensteht, sich gegen Verschwörungstheoretiker zur Wehr zu setzen.

Gerne beraten wir Sie zu dem Thema.

Mehr Infos auch im Video.

Über die Kanzlei Mutschke
Frau Rechtsanwältin Nicole Mutschke ist gefragte Rechtsexpertin und deutschlandweit bekannt aus den Medien (RTL, ntv, ZDF, sternTV, WDR etc.). 

Die Kanzlei Mutschke berät ihre Mandanten bundesweit engagiert und kompetent in allen Fragen des Social Media-, Medien-, Urheberrecht-, Unternehmens- und Verbraucherrechts.
Auf TikTok hat die Kanzlei den ersten Anwaltskanal in Deutschland gegründet und berät dort ihre wachsende Followerschaft in allen rechtlichen Belangen. Die Kanzlei unterhält ebenfalls Kanäle auf Instagram, YouTube, Twitch etc.

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