Zugesprochene Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz vor dem Sozialgericht

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Unser Mandant, der Kläger, begehrte vor dem Sozialgericht die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz

Der Kläger ist seit dem Alter von sechs Jahren in Kinderheimen aufgewachsen. Nach dem Abbruch einer Lehre wurde er 1983 im Jugendwerkhof Crimmitschau untergebracht. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem anderen Jugendlichen verbüßte er für ca. 14 Tage eine Arreststrafe im Jugendwerkhof Torgau. Anschließend verblieb er bis zu seiner Volljährigkeit im Jugendwerkhof Crimmitschau. Im Anschluss absolvierte er eine Ausbildung zum Teilfacharbeiter für Grobkeramik. Bis 1989 arbeitete er als Textilarbeiter und Maurer. Nach der Wende war er als Kraftfahrer, Tiefbauer und Putzer beschäftigt. Zuletzt arbeitete er 1999 in der Landschaftspflege und seit April 1999 war er arbeitslos und bezog zuletzt ALG II.

Von Anfang Januar bis Ende Februar 1989 befand sich der Kläger in stationärer psychiatrischer Behandlung mit der Diagnose neurotische Fehlentwicklung. Ausweislich der Epikrise standen hierzu Beschwerden in Form von Herzbeschwerden, Angstsymptomen, Verkrampfungen und Kopfschmerzen im Vordergrund. Der Kläger leide unter Depressivität und starker Hypochondrie.

Im Juni 2008 beantragte der Kläger die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente, die mit Bescheid im Februar 2009 abgelehnt wurde. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid im Juli 2009 zurückgewiesen. In dem nachfolgenden Klageverfahren wurde ein psychiatrisches Fachgutachten in Auftrag gegeben. Der ausführende Professor, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, führte in seinem Gutachten vom Dezember 2012 aus, dass der Kläger berichtet habe, dass er während seiner Zeit in Torgau Todesangst verspürt habe. Er sei 14 Tage in Einzelhaft bei eisigen Temperaturen gewesen, nachdem er drei Tage lang in Dunkelhaft weggesperrt worden sei. Darüber hinaus sei er mit eisigem Wasser abgespritzt worden und habe Zwangssport machen müssen. Während dieser Zeit sei seine Persönlichkeit zerbrochen. Er leide seit dieser Zeit unter schlimmen Schlafstörungen. Bei ihm müsse die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt werden. Es habe sich eine deutliche Affektlabilität gezeigt und es bestehe ein alptraumartiges Wiedererleben der damaligen Situationen im Jugendwerkhof mit erheblichen Schlafstörungen. Darüber hinaus sei eine anhaltende affektive Störung im Dysthymie festzustellen. Die posttraumatische Belastungsstörung gehe mit einer depressiven Verstimmung einher und einer deutlichen Beeinträchtigung der Gedächtnisleistungen und Konzentrationsfähigkeit. Dies führe zu einer erheblichen Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Er könne nicht mehr als 4 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden. Dem Kläger wurde daraufhin ab dem Datum der Beantragung im Juni 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit bewilligt.

Im August 2014 beantragten wir aufgrund des vorgenannten fachlichen Gutachtens für der Kläger die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Ergänzend zum vorgenannten Gutachten führten wir nach ausführlicher Befragung aus, dass er bei der Eingangsuntersuchung gegen seinen Willen eine Spritze in die linke Herzgegend bekommen hätte. Ihm sei gesagt worden, dass dies eine Vitaminspritze sei. Danach seien ihm die Haare kurz geschoren worden und anschließend hätte er mehrere Treppenstufen im Schlusssprung hoch- und runterspringen müssen, bis er vor Erschöpfung zusammengebrochen sei. Danach sei er in die Dunkelkammer (Fuchsbau) gesperrt worden. Dort habe er Todesängste und Platzangst bekommen. Nach drei Tagen sei er in eine eiskalte Einzelzelle gesperrt worden. Er habe bis zur Erschöpfung Zwangssport treiben müssen mit freiem Oberkörper in eisiger Kälte. Dabei seien sie einmal trotz Minusgraden mit einem Wasserschlauch abgespritzt worden. Daraufhin habe er eine starke Erkältung bekommen. Trotz der Erkältung und einem Durchfall habe er keine ärztliche Hilfe erhalten. Innerhalb dieser 14 Tage habe er 13 Kilo abgenommen. Seither leide er unter Schlafstörungen, Alpträumen, Angstzuständen und Platzangst. 

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid im Februar 2015 ab. Trotz durchgeführter Ermittlungen hätten sich keine Hinweise auf die angeschuldigten Schadensereignisse während des Aufenthaltes im Jugendwerkhof Torgau gefunden. 

Der dagegen erhobene Widerspruch vom März 2015 wurde mit Widerspruchsbescheid vom September 2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen erhoben wir für den Kläger im Oktober 2015 Klage. Während der Zeit in Torgau habe es mehrere tätliche Angriffe gegenüber dem Kläger in Form von menschenunwürdiger Einzelhaft, Zwangssport und körperlicher Misshandlung gegeben. Hierdurch sei es zu einer psychischen Erkrankung beim Kläger gekommen.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Es fehle bereits an einer Glaubhaftmachung eines schädigenden Ereignisses. Darüber hinaus sei ein Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Erkrankungen des Klägers und der Haft in Torgau nicht belegt. Es sei zudem zweifelhaft, ob der nach § 10a OEG erforderliche Mindest-GdS von 50 erreicht werde.

Im Klageverfahren ist zunächst ein aussagepsychologisches Gutachten eingeholt worden. Die Sachverständige, eine Diplompsychologin, hat in ihrem Gutachten vom Januar 2018 ausgeführt, dass im Rahmen der Konstanzanalyse festzustellen sei, dass die Angaben des Klägers im Verlauf größtenteils übereinstimmen und als konstant einzuordnen seien. Beim Kläger finden sich auch keine Hinweise auf eine suggestive Verzerrung der Erinnerungen. Auch die Hypothese zur intentionalen Falschbesichtigung sei zurückzuweisen. Aus aussagepsychologischer Sicht seien die Angaben des Klägers als erlebnisfundiert einzuordnen.

Des Weiteren wurde ein psychiatrisches Fachgutachten in Auftrag gegeben. Die Sachverständige, eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, hat in ihrem Gutachten vom Juni 2019 ausgeführt, der Kläger habe berichtet, dass er nach seinen Erlebnissen in Torgau eine psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen habe. Dies alles habe ihm nicht wirklich helfen können. Seit den Geschehnissen in Torgau habe er starke Angst vor Kliniken und Ärzten und könne sich letztlich nicht vertrauensvoll auf eine Behandlung einlassen. Insbesondere die 14 Tage in Torgau habe er als extrem belastend empfunden. Er leide seitdem unter Schlafstörungen und Alpträumen. Er fühle sich seit Jahren wie „ausgebrannt“. Er habe als Kind sehr gerne Sport getrieben. Dies sei nach dem Aufenthalt in Torgau nicht mehr möglich gewesen. Der Kläger beschreibe eine ausgeprägte und anhaltende Angstsymptomatik. Ausgelöst durch bestimmte Situationen und Wahrnehmungen komme es zu panikartiger Steigerung der Angst, die der Kläger nicht kontrollieren könne. Er fühle sich permanent angespannt und unruhig, schreckhaft und sei häufig gereizt. Es bestehen ausgeprägte Schlafstörungen mit Albträumen und er sei ohne Hilfe nicht mehr in der Lage, seinen Alltag zu strukturieren, was fremdanamnetisch auch durch seine Ehefrau bestätigt werde.

Beim Kläger bestehe eine komplexe und chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung sowie eine anhaltende ängstlich-depressive Störung. Der Aufenthalt in Torgau sei eine besonders einschneidende, schwerwiegende und traumatisierende Erfahrung für den Kläger gewesen. Er habe dort außergewöhnlich schwere seelische und körperliche Gewalt mit Gesundheitsgefährdung, vitaler Bedrohung, Aggressivität, Demütigung und Entmachtung erfahren. Dies habe zu einer posttraumatischen Belastungsstörung beim Kläger geführt, die zwischenzeitlich chronifiziert sei. Es bestehe ein ausgeprägter sozialer Rückzug mit Störungen von Kontakt- und Beziehungsfähigkeit. Die Selbst- und Körperwahrnehmung sei verändert mit den damit verbundenen psychosomatischen Beschwerden. Es zeige sich eine emotionale und affektive Instabilität mit emotionaler Überflutung und Labilisierung einerseits sowie emotionaler Entfremdung, Leere und Anhedonie andererseits. Es zeige sich eine herabgesetzte Alltags- und Sozialkompetenz. Die psychische Schädigung sei mit einem GdS von 40 zu bewerten.

Das Gericht gab der Klage statt. 

Der Kläger hat einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen sich jedenfalls glaubhaft gemacht. Eine Glaubhaftmachung erfolgt in Anwendung von § 15 S. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG).

Gerne stehe ich Ihnen als juristischer Beistand in diesem Rechtsgebiet zur Verfügung. 

Darüber hinaus beraten wir auf dem Gebiet des Verkehrszivilrechtes, im Bußgeldrecht sowie im Verkehrsstrafrecht. 

Gerne können Sie sich auch in anderen Rechtsgebieten, wie Erbrecht, Familienrecht, Arbeitsrecht oder Reiserecht an uns wenden. 

Das Team der Kanzlei Schwennen



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