Anklageschrift erhalten: Was tun?

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Sobald der Beschuldigte die Anklageschrift erhalten hat, geht das Verfahren in die nächste und entscheidende Phase. Die Staatsanwaltschaft hat beim zuständigen Gericht den Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens gestellt. Für den Beschuldigten, der nunmehr als Angeschuldigter bezeichnet wird, bedeutet das im Klartext: Die Staatsanwaltschaft vertritt die Meinung, dass eine Verurteilung in einem gedachten Strafprozess wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Die Situation ist daher nicht zu unterschätzen!

Anklageschriften und ihre (vermeintlichen) Fristen: Ruhe bewahren!

Ein Strafverfahren ist kein Vergnügen. Besondere Aufmerksamkeit sollte in der Anklageschrift auf die Möglichkeit der Stellungnahme gelegt werden. Wird dem Angeschuldigten Gelegenheit gegeben, binnen einer Woche eine Stellungnahme abzugeben, sollte er unbedingt Ruhe bewahren. Dasselbe gilt für Beweisanträge, die ebenfalls innerhalb der Frist bei Gericht vorliegen sollen. In der Situation sind solche Ausführungen irreführend.

Leider führen sie aber manchmal zu unerfreulichem Erfolg. Der Angeschuldigte erliegt dem Druck, und lässt sich (ohne Aktenkenntnis!) zum Sachverhalt ein oder stellt irgendwelche Beweisanträge. Er meint, dass die Zustellung der Anklageschrift die letzte Chance sei, seine Rechte noch schnell (besser: vorschnell) geltend zu machen.

Dieser Eindruck ist falsch und sollte daher schnell verworfen werden. Eine Einlassung kann während der Hauptverhandlung nachgeholt, und Beweisanträge können bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden. Die Anklageschrift ist nicht die letzte Chance, sondern ein weiteres Alarmzeichen!

Anklageschriften und Pflichtverteidigung: Chancen nutzen!

Geht aus der Anklageschrift hervor, dass dem Angeschuldigten ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, sollte er umgehend tätig werden. Er darf innerhalb einer bestimmten Frist einen Pflichtverteidiger für die Wahrnehmung seiner Interessen benennen. Und dieses Recht wird er bitte auch ausschöpfen!

Strafverteidigung basiert auf Vertrauen und Loyalität. Ist beides nicht gegeben, weil dem Angeschuldigten später vom Gericht ein unbekannter Strafverteidiger beigeordnet wird, darf er sich schon glücklich schätzen, wenn der Jurist in jüngster Vergangenheit überhaupt strafrechtlich aktiv gewesen ist. Vorzugswürdig und zielführend ist das sicherlich nicht!

Kein Recht auf Pflichtverteidigung: Wahlanwalt beauftragen?

Erfahrungsgemäß stellt sich der Angeschuldigte im Zwischenverfahren (= nach Zustellung der Anklage) die Frage, ob es sich überhaupt noch lohnt, einen Anwalt zu beauftragen. Die Antwort ist denkbar knapp: Es lohnt sich immer!

Mit zunehmender Verfahrensdauer beraubt sich der Betroffene zwar häufig selbst wertvoller Chancen. Beispielsweise ist eine Einstellung im Ermittlungsverfahren oftmals erfolgreicher durchzusetzen als im Zwischenverfahren. Hat die Staatsanwaltschaft nunmehr Anklage bei Gericht erhoben, müssen schon zwei Seiten von einer Einstellung überzeugt werden.

Nichtsdestotrotz ist die Beauftragung eines Strafverteidigers auch nach Zustellung der Anklage dringend anzuraten. Der Strafrechtler wird zunächst Einsicht in die Akte nehmen. Nur auf Grundlage der Informationen lässt sich überhaupt nachvollziehen, was die Staatsanwaltschaft konkret ermittelt hat und auf welche Beweise sie ihre Ergebnisse zurückführt.

Dieses Wissen ist für eine weitsichtige Verteidigung unerlässlich. Unter Umständen kann es den entscheidenden Unterschied ausmachen, sodass das Verfahren doch noch vor der mündlichen Hauptverhandlung zur Einstellung gebracht wird. Entscheidend ist wie immer der konkrete Einzelfall. Eine Verteidigung ohne Aktenkenntnis ist hingegen wie Topfschlagen auf einem juristischen Minenfeld!

Rechtsanwalt und Strafverteidiger Christian Kohlhaas


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