Anklageschrift: Was nun?
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Sie haben eine Anklageschrift erhalten und fragen sich, was das ist?
Eine Anklageschrift wird von der Staatsanwaltschaft verfasst und ist sozusagen der Beginn eines Strafverfahrens vor Gericht. Sie sind verdächtig, eine Straftat begangen zu haben und eine Verurteilung erscheint zumindest aus Sicht der Staatsanwaltschaft wahrscheinlicher als ein Freispruch. Die Anklageschrift muss alle gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfe sowie die genaue Angabe von Tatzeit und Tatort enthalten. Auch die Rechtsgrundlagen und Beweismittel wie Zeugenaussagen oder Urkunden müssen angegeben werden.
Die Anklageschrift bildet die Grundlage des Gerichtsverfahrens und informiert den Angeschuldigten über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
Das Gericht hat mittels der Anklageschrift über die Zulassung eines gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden und gibt gleichzeitig den Rahmen für die spätere Beweisaufnahme vor.
Ist die mündliche Hauptverhandlung die zwingende Folge einer Anklageerhebung?
Die mündliche Hauptverhandlung ist nicht in jedem Fall die Folge einer Anklage. Als Ihr Strafverteidiger kann ich die Einstellung des Verfahrens beantragen. Wird diesem Antrag stattgegeben, so ist eine mündliche Hauptverhandlung nicht mehr nötig.
Natürlich ist es vorab zwingend notwendig, Akteneinsicht zu beantragen und die Beweislage mit dem Mandanten zu erörtern. Nur durch Einsicht in die Verfahrensakte ist es mir möglich gemeinsam mit Ihnen die bestmögliche Verteidigungsstrategie zu erarbeiten und mit Ihnen zu besprechen ob ggf. Beweisanträge sowie Nachermittlungen beantragt werden sollen.
Bedeutet eine Anklage, dass Sie Ihre Unschuld beweisen müssen, um nicht verurteilt zu werden?
Nein, Sie müssen nicht Ihre Unschuld beweisen. In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung. Das bedeutet, dass Sie bis zu Ihrer Verurteilung als unschuldig gelten.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Ihre Schuld im Strafprozess bewiesen werden muss. Gibt es keine überzeugenden Beweise für Ihre Schuld, dann können Sie auch nicht verurteilt werden.
Sollten man sich an einen Strafverteidiger wenden oder sich selbst verteidigen?
Die Zusammenarbeit mit einem Strafverteidiger erscheint unerlässlich. Nur ein Strafverteidiger weiß, wie eine Hauptverhandlung abläuft und zu welchem Zeitpunkt bestimmte (Prozess-) Handlungen vorgenommen werden sollten.
Am wichtigsten ist jedoch, dass Ihr Strafverteidiger Akteneinsicht in die Ermittlungsakte beantragen und dadurch eine Verteidigungsstrategie erarbeiten kann.
Zudem wird Ihr Strafverteidiger mit Ihnen den Ablauf der Hauptverhandlung besprechen, damit Sie wissen, was auf Sie zukommen wird.
Es ist demnach nicht zu empfehlen, sich selbst zu verteidigen. Der einzige Vorteil ist gegebenenfalls der finanzielle Aspekt. Oftmals ist jedoch der finanzielle oder freiheitliche Nachteil weit größer als die Honorarkosten für den Verteidiger.
Ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass jeder Angeklagte einen Strafverteidiger zur Seite gestellt bekommt?
Im Strafverfahren gibt es keine Prozesskostenhilfe. Im Rahmen der notwendigen Verteidigung wird ein Strafverteidiger, der sogenannte Pflichtverteidiger, zwingend beigeordnet, sofern sich noch kein anderer Verteidiger mit der Sache befasst hat. Grundsätzlich ist also nicht für jedes Verfahren die Zuziehung eines Verteidigers vorgesehen.
Wichtig zu wissen: Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist keine Frage der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Zuordnung eines Pflichtverteidigers geschieht nur in Ausnahmefällen. In § 140 StPO werden diese Fälle aufgelistet. Relevant sind insbesondere die Fälle, in denen der Vorwurf eines Verbrechens im Raum steht, oder der Prozess vor einem Landgericht stattfindet. Ein Verbrechen liegt vor, wenn die verletzte Strafnorm eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vorsieht.
Ist der Pflichtverteidiger kostenlos?
Die Kosten für einen Pflichtverteidiger übernimmt zunächst die Staatskasse. Im Fall einer Verurteilung müssen Sie die Kosten jedoch meist nachträglich übernehmen, bei einem Freispruch nicht.
Wie wird der Strafverteidiger vorgehen, sobald Sie ihn darüber informiert haben, dass Sie eine Anklageschrift erhalten haben?
Zunächst sollten Sie Ihrem Strafverteidiger die Anklageschrift zukommen lassen, damit er sich einen ersten Überblick über die gegen Sie erhobenen Vorwürfe verschaffen kann. Dann wird er sofort beantragen, dass das Gericht ihm Einsicht in Ihre Ermittlungsakten gewährt.
Sodann wird Ihr Strafverteidiger zunächst prüfen, ob alle Ermittlungsmaßnahmen durch die Polizei und Staatsanwaltschaft gesetzmäßig durchgeführt worden sind. Wenn nicht, sind möglicherweise gefundene Beweise nicht verwertbar.
Zudem sollten Sie dann auch zu einem persönlichen Gespräch zu Ihrem Strafverteidiger in die Kanzlei kommen und den Inhalt der Verfahrensakte besprechen. Gemeinsam können Sie eine Verteidigungsstrategie ausarbeiten und Beweisanträge zu Ihren Gunsten stellen.
Wurde in dem Schreiben, das Sie erhalten haben, bereits eine Strafe verhängt?
Dann haben Sie bereits einen Strafbefehl und keine Anklageschrift erhalten. Der Unterschied besteht darin, dass in der Regel keine mündliche Hauptverhandlung vorgesehen ist, sondern sofort schriftlich eine Strafe verhängt wird.
Aber auch bei einem Strafbefehl ist es ratsam, einen Strafverteidiger zu konsultieren. Gegen den Strafbefehl kann Einspruch eingelegt werden, so dass eine mündliche Hauptverhandlung stattfinden muss. Nach einem Einspruch läuft das Verfahren so weiter, als ob Sie eine Anklageschrift erhalten hätten.
Weitere Informationen zum Erhalt eines Strafbefehls erhalten Sie hier:
https://www.anwalt.de/rechtstipps/strafbefehl-was-nun-213610.html
Fazit
Der Erhalt einer Anklageschrift löst häufig Angst vor einer Verurteilung und ein Gefühl der Überforderung aus.
Gemeinsam mit einem Strafverteidiger können Sie jedoch angemessen auf die Anklageschrift reagieren und dafür sorgen, dass die bevorstehende Hauptverhandlung ordnungsgemäß abläuft.
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