Arbeitsagentur: So sperren Sie sich gegen Sperren!
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Ein gewichtiges Urteil bringt Bewegung ins ärgerliche Thema Sperren des Arbeitslosengeldes. Mit dem Freund oder der Freundin zusammen zu ziehen, für den Gesetzgeber galt das bisher nicht als „wichtiger Grund“ für einen Ortswechsel. Denn wollte man eine Sperrzeit beim Erhalt von Arbeitslosengeld am neuen Wohnort vermeiden, mussten die Partner nachweislich ihre Hochzeit planen. Das Landgericht Niedersachen-Bremen hat diese Praxis von vorgestern mit überraschend deutlichen Worten gekippt. Und sich damit gegen die bisher gültige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gestellt. Eine Sperrzeit sei kein „Instrument zur Disziplinierung und Durchsetzung von gesellschaftspolitischen, religiösen oder moralischen Vorstellungen“, stellten die Richter klar (1). Man reibt sich vor Freude die Augen, es tut sich was! Damit kann nun endlich auch unbesorgt kündigen, wer nicht verheiratet ist. Und keine Kinder hat. Wer eine sogenannte Erziehungsgemeinschaft gründen möchte, der/die brauchte auch bisher, schon seit über zehn Jahre, keine Furcht vor einer Sperre zu haben. Hier hat das BSG im Jahr 2007 entschieden, dass das Kindeswohl grundsätzlich an erster Stelle steht (2).
Doch selbst wenn die Arbeitsagenturen gern einen anderen Anschein wecken: Auch bei, vielen, vielen weiteren Kündigungsgründen sind Sperren unberechtigt bzw. unzulässig. Besteht zum Beispiel auch nur die Aussicht auf einen anderen (besseren) Arbeitsplatz, reicht dies als Rechtfertigung, mit oder ohne Ortswechsel. So hat es das Landessozialgericht Hamburg entschieden (3). Ob es dann tatsächlich zu dem neuen Arbeitsverhältnis kommt, ist dabei völlig unerheblich. Ebenso darf keine Sperre verhängt werden, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin das Recht auf eine fristlose Kündigung aus schlimmeren Anlässen gehabt hätte. Sollte der Chef also wiederholt unpünktlich das Gehalt überwiesen haben, oder bei ihm gar ein echtes Vergehen vorgelegen haben, wie die Nötigung zu einer Straftat, worunter auch Mitwisserschaft fallen kann, ist man aus dem Schneider (4). Stand in dem Betrieb die Gesundheit des Arbeitnehmers auf dem Spiel, wegen permanenter Überforderung, Mobbing, einer Allergie, Schmerzen und anderem, ist eine Sperre ebenfalls nicht rechtens und ausgeschlossen. Hierfür legt man ein entsprechendes Attest des Hausarztes vor. So hat es das Landessozialgericht in Hessen entschieden (5). Ein viel zu wenig beachtetes Urteil, übrigens.
Sie sehen: Bei genauer Betrachtung bleiben der Behörde nur sehr wenige Möglichkeiten, die eine Sperre tatsächlich rechtfertigen. Ich möchte Ihnen empfehlen: Nutzen Sie Ihr gutes Recht! Die Arbeitsagentur wird schließlich von allen finanziert. Auch von Ihnen.
Herzliche Grüße,
Ihr Rechtsanwalt Gerhard Rahn, Fachanwalt für Sozialrecht
Zitierte Urteile:
Landgericht Niedersachsen Az. L 7 AL 36/16
BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007, Az. B 11a/7a AL 52/06 R
LSG Hamburg Az. L 2 AL 49/09
LSG Hamburg Az. L 5 AL 21/08
LSG Hessen, Urteil vom 18. Juni 2009, Az. L 9 AL 129/08
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