Arzt haftet für Kindesunterhalt bei fehlerhaften Verhütungsmaßnahmen

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Die Klägerin ist Mutter eines im Dezember 2002 geborenen, gesunden Kindes. Sie verlangt von ihrem Gynäkologen, aus eigenem (und aus abgetretenem Recht des Kindsvaters) Schadensersatz des den Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung entstandenen und noch entstehenden Schadens. Der Beklagte (Gynäkologe) hatte der Klägerin im Januar 2002 das lang wirkende Verhütungsmittel "Implanon" verabreicht. Bei diesem Verhütungsmittel handelt es sich um ein circa 3 mm starkes und wenige Zentimeter langes Plastikröhrchen, welches oberhalb der Ellenbogenbeuge unter die Haut eingebracht wird. Im Juli 2002 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest. Das "Implanon"-Implantat konnte nicht mehr gefunden werden. Der Wirkstoff des Implantates konnte im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Die Klägerin konnte wegen der Schwangerschaft und der Betreuung des Kindes eine ihr zugesagte Arbeitsstelle nicht antreten. Der Vater des Kindes, hat die Vaterschaft anerkannt, lebt aber nicht mit der Klägerin zusammen. Er kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Sohn nach.

Die Klägerin hat dem Beklagten vorgeworfen, dass ihm beim Einsetzen des Verhütungsmittels ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Unterhaltsschadensersatz für den zurück liegenden Zeitraum (Dezember 2002 bis Dezember 2005) und bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes monatlich im Voraus in Höhe von 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung abzüglich des jeweiligen gesamten Kindergeldes zu bezahlen. Die Revision des Arztes hat der unter anderem für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat einen Behandlungsfehler des Beklagten beim Einsetzen des Verhütungsmittels festgestellt. Daher war im vorliegenden Fall eine Haftung des Arztes für den Unterhaltsschaden der Eltern zu bejahen. Dies ergibt sich bereits aus der bisherigen Rechtsprechung  des Bundesgerichtshofs zur "fehlgeschlagenen" Familienplanung, wie sie das Bundesverfassungsgericht gebilligt hat. Die persönliche Beziehung zwischen Eltern und Kind spricht nicht dagegen, in derartigen Fällen die Belastung mit einer Unterhaltsverpflichtung als Vermögensschaden anzusehen. Im Bereich der Arzthaftung gilt, wie in jedem anderen Bereich der Vertragshaftung, dass der durch eine schuldhafte Vertragsverletzung verursachte Schaden zu ersetzen ist. Eine Ersatzpflicht der Behandlungsseite besteht auch dann, wenn die gegenwärtige berufliche und wirtschaftliche Planung einer jungen Frau durchkreuzt wird und die zukünftige Planung noch nicht abschließend absehbar ist. Gerade in solchen Fällen kann der Fehler des Arztes zu erheblichen wirtschaftlichen Folgen führen. In den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages zwischen Arzt und Patientin ist nicht nur ein ehelicher, sondern auch der nichteheliche Partner einbezogen, der vom Fehlschlagen der Verhütung ebenfalls betroffen ist. Zu ersetzen ist nur das Existenzminimum des Kindes, welches das Oberlandesgericht hier als zutreffend berechnet hatte.


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