AU-Bescheinigung - Fragen, Probleme, Folgen

  • 4 Minuten Lesezeit

AU-Bescheinigung – Fragen, Probleme, Folgen

Aufgrund der aktuellen Situation bezüglich der Covid-19-Pandemie gab es verschiedene Lockerungen bzw. Neuregelungen im Gesundheitswesen, welche zu immer neuen Fragen unserer Mandanten führten.

Krankschreibung per Telefon

Grundsätzlich ist es nicht möglich, dass ein Arzt per Telefon eine AU-Bescheinigung erteilt bzw. Diagnosen stellen kann. Dies wurde aufgrund der Covid-19-Pandemie durch den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) jedoch erleichtert. Bis einschließlich 31.05.2020 gab es hier befristete Sonderregelungen, die eine telefonische Krankschreibung erlaubten. So war es möglich, aufgrund von Symptomen des Covid-19-Virus eine AU-Bescheinigung für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen telefonisch zu erlangen. Diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung konnte sogar einmalig für weitere sieben Tage verlängert werden, um die Arztpraxen zu entlasten. Aufgrund des Rückgangs der Infektionszahlen konnte nunmehr auf eine weitere Verlängerung dieser Sonderregelung verzichtet werden und die Arztpraxen hatten ausreichend Zeit, Hygienekonzepte auszuarbeiten.

Eine AU-Bescheinigung kann somit nun nicht mehr telefonisch ausgestellt werden!

Strafbarkeit

Stellt ein Arzt dennoch ein Zeugnis für einen Patienten aus, ohne diesen vorher untersucht zu haben, so macht er sich nach § 278 StGB strafbar. § 278 StGB regelt das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Ein Gesundheitszeugnis ist ein Zeugnis über den gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen, aber auch hinsichtlich früherer bzw. zu erwartender Krankheiten (Gutachten, Impfscheine, Krankenscheine, Blutalkoholuntersuchung etc.). Ein solches Gesundheitszeugnis ist dann als unrichtig anzusehen, wenn die Gesamtbeurteilung des Patienten oder einzelner Befunde nicht den Tatsachen oder dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft entspricht.

Nach der Bekanntgabe des G-BA, dass die Möglichkeit der telefonischen Befunderhebung für Krankschreibungen nicht weiter verlängert wird, ist es auch nicht möglich, sich diesbezüglich auf Unkenntnis zu berufen.

Rückdatieren

Grundsätzlich soll eine Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum vor der ersten ärztlichen Inanspruchnahme nicht bescheinigt werden. Eine Rückdatierung auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie die rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu drei Tagen zulässig (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Richtlinie des G-BA über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V, Stand 01.06.2020). Zum Nachweis bezüglich der Rückdatierung sind sehr hohe Hürden zu nehmen.

Entgelt bei Arbeitsunfähigkeit

Grundsätzlich hat man die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Fortzahlung des Entgelts. Voraussetzungen für die Entgeltfortzahlung sind:

a) Verhinderung der Arbeitsleistung infolge Krankheit, ohne dass den Arbeitnehmer ein Verschulden trifft

b) unverzügliche Mitteilung gegenüber dem Arbeitgeber (jeweilige Regelung im Arbeitsvertrag beachten)

c) vierwöchige ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses

d) Sonderregelungen bezüglich erneuter AU beachten

Nach Ablauf der sechs Wochen Entgeltfortzahlung tritt die Krankenversicherung ein. Die gesetzliche Krankenversicherung (private Krankenversicherung Sonderregeln beachten) leistet für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, Krankengeld. Anspruchsvoraussetzungen hierfür sind:

a) Arbeitsunfähigkeit

b) ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für jeden Tag

c) Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld

d) Meldung der Arbeitsunfähigkeit

e) kein Vorsatz im Sinne des § 52 SGB V

Bezüglich der Höchstfrist von 78 Wochen ist zu beachten, dass diese nur innerhalb von drei Jahren in Anspruch genommen werden kann. Es werden Arbeitsunfähigkeitszeiten für dieselbe Krankheit zusammengezählt. Beachten Sie hier auch die Sonderregelungen:

1. Wenn zu einer Arbeitsunfähigkeit bezüglich einer Krankheit eine weitere Krankheit hinzutritt, verlängert sich der 78-Wochen-Zeitraum nicht.

2. Ende des Arbeitsverhältnisses während der Arbeitsunfähigkeit:

Beachten Sie hier die Sonderregelung des § 190 Abs. 2 SGB V. Grundsätzlich ist es so, dass mit dem Ende Ihres Beschäftigungsverhältnisses auch die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung endet. Sie wären dann möglicherweise über § 10 SGB V in der Familienversicherung mitversichert. Hier hätten Sie aber keinen Anspruch auf ein weiteres Krankengeld nach § 44 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Liegen jedoch lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, besteht weiterhin Anspruch auf Krankengeld (zeitliche Begrenzung beachten) gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Es kann also passieren, dass sich bei einem Tag ohne Anspruch auf Krankengeld Ihr gesamtes Versicherungsverhältnis ändert.

3. Fehlinformationen des Arztes:

Leider passiert es immer wieder, dass Ärzte bzw. medizinisches Personal bezüglich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen Fehlinformationen weitergeben. So haben wir bereits mehrere Prozesse geführt, da Ärzte einem Patienten mitgeteilt haben, es genüge, wenn er am nächsten/übernächsten Tag vorbeikomme, um sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abzuholen. Es ist so, dass der Krankengeldanspruch nur dann weiterhin fortbesteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und Zumutbare tut, um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erreichen und dies auch rechtzeitig unternimmt. 

Es gibt nur wenige Hinderungsgründe:

a) Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit des Versicherten

b) im Verantwortungsbereich der Krankenkasse liegende Mängel

(1) Organisationsmangel

(2) unrichtige Beratung durch Krankenkasse

(3) ärztliche Fehldiagnose

(4) nicht medizinische Fehleinschätzung des Arztes (nicht: falsche rechtliche 

Einschätzung des Arztes)

Wir hoffen, dass wir Ihnen diesbezüglich einen kurzen Überblick über die Probleme der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geben konnten. Wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber oder Ihrer Krankenversicherung Probleme bezüglich Arbeitsunfähigkeitszeiten, deren Anerkennung usw. haben, kontaktieren Sie uns. – Wir beraten Sie gerne.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Ulrike Böhm-Rößler

Beiträge zum Thema