Aus der Rechtsprechung lernen!

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Rechtsfälle aus der Praxis

Die Rechtsprechung hält immer wieder Fälle bereit, aus denen man für die tägliche Baupraxis lernen kann. Das sollte man nicht unterschätzen und die Fehler, die Andere gemacht haben, bestenfalls vermeiden. Denn Fehlervermeidung heißt Haftung und Geldverluste vermeiden. 


1. Pauschalpreisvertrag oder Einheitspreisvertrag?

Der 1. Fall beschäftigt sich mit dem Zustandekommen eines Vertragsverhältnisses. Bereits da sollte man als Auftragnehmer die Augen aufhalten. Dieser Fall kommt sehr häufig in der Baupraxis vor. Bei einem Vertrag wird der Angebotspreis abgerundet. Es fragt sich, ob ein Pauschalpreis vereinbart oder ein Nachlass gewährt wurde. Bei dem vorliegenden Sachverhalt, den das OLG Bamberg mit Beschluss vom 09.10.2019 entschieden hat und vom BGH durch Beschluss vom 09.03.2022 nicht angenommen wurde, kam es zur Abgabe eines Angebots über Rohbauarbeiten auf Einheitspreisbasis. Man kennt das. Die Addition aller Positionspreise ergibt einen Gesamtbetrag in Höhe von 145.307,33 € brutto. AG und AN schließen einen Bauvertrag, wonach der AN eine Pauschalvergütung in Höhe von 136.850,00 € erhält. Der Vertrag wird geschlossen. Während der Ausführung wird durch den AN festgestellt, dass er im Vergleich zu den Mengenansätzen seines Angebots erhebliche Mehrmengen auszuführen hat. Natürlich stellt der AN diese Mehrmengen in Rechnung. Erwartungsgemäß lehnt der AG die Zahlung unter Hinweis auf den vereinbarten Pauschalpreis ab. Der AN meint dagegen, man habe keine echte Pauschalpreisabrede getroffen, sondern es handelt sich immer noch um einen Einheitspreisvertrag mit einem Nachlass von 6,18 %. Die Sache geht durch drei Instanzen und der AN verliert in allen drei Instanzen. Der AG muss nicht zahlen. Die Gerichte legen die Vereinbarung aus und kommen unisono zu dem Ergebnis, dass eine Pauschalpreisvergütung getroffen wurde. Das Tückische bei einer Pauschalpreisvergütung ist, dass in dem Fall jede Mengenmehrung in das Risiko des AN fällt und kein Anspruch auf weitere Zahlung besteht. Dies ist vielen Auftragnehmern überhaupt nicht bewusst. Anders ist dies dagegen beim Einheitspreisvertrag. Mengenmehrungen führen zu höheren Mengenvordersätzen und somit zu höherem Umsatz. Also ist es schon wesentlich, welcher Vertragstyp, also Pauschalpreisvertrag oder Einheitspreisvertrag vereinbart wird. Dies kann gravierende Folgen haben. Wenn man definitiv einen Einheitspreisvertrag vereinbaren will, dann darf der Begriff pauschal nicht im Vertragstext stehen. Und Achtung: Viele Auftraggeber meinen einen Nachlass, der gewährt werden soll, schreiben aber dann einfach das Wort pauschal hinein und behaupteten dann gegenüber dem Auftragnehmer einfach, dass dies dasselbe sei. Damit sollte sich ein Auftragnehmer, der einen Einheitspreisvertrag möchte und bloß einen Nachlass gewähren will, auf keinen Fall zufriedengeben.


2. Nachtragsangebot und Nachtragspreis

Der 2. Fall beschäftigt sich mit Nachtragsangeboten. Hier geht es um die Frage, ob der AG Einheitspreise akzeptiert hat, wenn er dem Nachtragsangebot nicht widerspricht. Dieser Fall lag dem OLG Brandenburg mit Urteil vom 12.05.2022 zugrunde. In dem Fall macht der AN restliche Vergütungsansprüche geltend. Dabei geht es auch um die Höhe von Nachtragspositionen. Die Frage war, ob der AG dadurch, dass er die Leistungen in Kenntnis der Nachtragsangebote durchführen lässt, auch an diese Nachtragspreise gebunden ist. Das OLG entscheidet zugunsten des Auftragnehmers. Zwar ist grundsätzlich ein Schweigen auf ein Vertragsangebot nicht als stillschweigende Zustimmung zu werten. Jedoch kann ausnahmsweise ein Schweigen als Zustimmung darin gesehen werden, wenn ein Widerspruch des Angebotsempfängers zu erwarten gewesen wäre. Aus der besonderen Kooperationspflicht beim Bauvertrag leitet sich her, dass sich die Pflicht des AGs ergibt, alsbald Widerspruch zu erheben, wenn der AG die Nachtragspreise nicht gegen sich gelten lassen will. In dem Fall war es so, dass durch den Auftraggeber auch eine Abnahme der Leistungen erklärt worden ist und eine Zeitspanne von mehreren Monaten vergangen ist, in der der AG nicht reagiert hat. Das OLG Brandenburg kommt hier zu einer stillschweigenden Annahme der Nachtragsangebote. Dies zeigt, dass der AN gute Karten hat, seine Ansprüche durchzusetzen. 


3. Kündigung von LV-Positionen durch den AG

Im 3. Fall geht es um den Verzicht auf die Ausführungen von LV-Positionen durch den AG. Der AG beauftragt einen AN mit Tiefbauarbeiten anlässlich des Neubaus einer Mensa. Zwei LV-Positionen kündigt der AG. Mit der Schlussrechnung rechnet der AG eine Zahlung von 25.932,60 € als Gewinn für die gekündigten LV-Positionen ab. Das OLG Celle kommt durch Beschluss vom 08.10.2020, welches durch den BGH durch Beschluss vom 12.01.2022 nicht zugelassen worden ist, zu dem Ergebnis, dass der AN dies gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B berechnen kann. Diese Berechnung stützt das Gericht zu Recht nicht auf § 2 Abs. 3 VOB/B (Mengenmehrung). Denn bei dieser Vorschrift geht es immer darum, dass sich zufällig, also ohne Beteiligung des AN oder AG die Mengen erhöhen. Hier liegt der Fall jedoch anders, da gerade der Auftraggeber die Anordnung gegeben hat, dass zwei Leistungspositionen gekündigt wurden. Also immer, wenn der AG eine Anordnung trifft, hat der AN einen Vergütungsanspruch aus § 2 Absatz 5 VOB/B oder bei Kündigung von Leistungspositionen aus § 8 Abs. 1 VOB/B. 


4. Unklarheit in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Der 4. Fall beschäftigt sich mit der Abrechnungssumme bei Vertragsstrafen. In den meisten Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht als Bezugsgröße für die Berechnung einer Vertragsstrafe nur Abrechnungssumme. Damit ist nicht klar, ob die Netto-Abrechnungssumme oder die Brutto-Abrechnungssumme gemeint ist. Hier ging es um einen Fall, dass der AG vom AN eine Vertragsstrafe von 5 % der Bruttoabrechnungssumme verlangt. Zahlenmäßig ging es dabei um eine Vertragsstrafe in Höhe von 150.000,00 € wegen verspäteter Fertigstellung der Werkleistung. Dieser Fall hat der BGH mit Urteil vom 05.05.2022 entschieden. Der BGH hat entschieden, dass der Begriff der Abrechnungssumme mehrdeutig ist, da sowohl die Brutto- als auch die Netto-Abrechnungssumme gemeint sein kann. Dies führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Klausel wegen Intransparenz. Der AN hat Pech. Unklare Klauseln gehen gemäß § 305 Abs. 2 BGB immer zulasten des Verwenders, also hier des AG. Deshalb kann der AG nur eine Vertragsstrafe nach der Nettoabrechnung verlangen. Für die Baupraxis ist mitzunehmen, dass jede Unklarheit der eigenen AGBs zu Lasten des Verwenders gehen. 


5. Schwarzgeldgeschäfte

Der 5. Fall befasst sich mit „schwarz“ bezahlten Ersatzvornahmekosten. Die Frage war, ob diese dann erstattungsfähig sind. Die Ausgangssituation ist ganz einfach. Der AG beauftragt den AN mit der Erstellung eines Einfamilienhauses. Die VOB/B ist vereinbart. Der AN kommt seinen Pflichten nicht nach. Zahlreiche Mängel bestehen. Der AG verlangt Abhilfe. Der AN macht nichts. Der Vertrag wird durch den AG wirksam gekündigt. Ein Drittunternehmer taucht auf und stellt das Bauvorhaben fertig. Natürlich kommt es zu Mehrkosten durch die Dritt-Fertigstellung. In dem Fall ging es interessanterweise darum, dass der AG ein Drittunternehmen mit Sitz auf den Virgin Islands beauftragt hat. Der Drittunternehmer stellt eine Rechnung ohne Mehrwertsteuer. Der gekündigte AN behauptet, dass keine Mängelbeseitigung erfolgt sei. Wenn doch, dann habe es sich um Schwarzarbeit gehandelt, weil die vorgelegte Rechnung eben keine Mehrwertsteuer ausweist. Das OLG Schleswig, Urteil vom 30.04.2019 gibt dem AN Recht. Das OLG Schleswig stellt ausdrücklich fest, dass es sich um Schwarzarbeit aufgrund der fehlenden Ausweisung der Umsatzsteuer handelt. Daraus folgt, dass der AG die Ersatzvornahmekosten nicht gegenüber dem AN geltend machen kann und der AN sogar seinen Restwerklohnanspruch realisieren kann. Hier kann man auch als AN mitnehmen, dass sich Schwarzarbeit nicht lohnt. Denn solche Geschäfte sind nach dem Gesetz immer unwirksam.


Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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