Berücksichtigung von Tilgungsraten für selbst bewohntes Eigentum beim Kindesunterhalt

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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bestätigte in seinem Beschluss vom 9.3.2022 zum Aktenzeichen XII ZB233/22 ein vorangegangenes Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg nach Abweisung der Beschwerde des Landkreises Leer als Unterhaltsvorschuss erbringenden Leistungsträger, dass beim Kindesunterhalt grundsätzlich auch Tilgungsleistungen des Unterhaltsverpflichteten bis zur Höhe des Wohnvorteils berücksichtigt werden können, die dieser auf ein Darlehen zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie erbringt.

Der Landkreis Leer hatte gegen einen geschiedenen Familienvater die Erstattung von laufendem Kindesunterhalt aus übergegangenen Recht für zwei minderjährige Kinder, die er mit seiner Exfrau bekommen hatte und für die die Unterhaltsvorschusskasse seit 2017 aufgekommen war, gerichtlich geltend gemacht. Der Produktionshelfer hatte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.772 € und erlegte den 11 km langen Weg zu seiner Arbeitsstätte mit dem Auto zurück, insoweit berufliche Aufwendungen für Fahrtkosten in Abzug zu bringen waren. Er hatte zudem im Jahr 2017 fremdfinanziert eine Eigentumswohnung erworben, die er selbst bewohnte. Sie hatte einen Mietwert von 350 €.  Die zwei Darlehen in einer Gesamthöhe von 72.000,00 € trug er mit monatlichen Kreditraten in Höhe von zum einen 215,50 € und zum anderen in Höhe von 107,00 €, jeweils beinhaltend Zins und Tilgung, ab. 

Sowohl das Amtsgericht Leer als auch das Beschwerdegericht, das Oberlandesgericht Oldenburg, als auch letztendlich der Bundesgerichtshof, gab dem Kindesvater insoweit Recht, dass er die für seine Eigentumswohnung aufgenommenen Verbindlichkeiten bis zur Höhe des seinem Einkommen hinzuzurechnenden Wohnwertes, als Pendant zu einer insoweit ersparten Miete, als abzugswürdigberücksichtigen lassen durfte. Bei der Frage nämlich, inwieweit Verbindlichkeiten des unterhaltspflichtigen Vaters nach § 1603 BGB allgemein einschränkend zu berücksichtigen sind, müsse dem Umstand hier Rechnung getragen werden, dass gerade durch die Zins- und Tilgungsleistungen, die der Selbstnutzer eines Eigenheims auf einen zu dessen Finanzierung aufgenommenen Kredit erbringe, ein einkommenserhöhender Wohnvorteil erst ermöglicht werde. Zwar handele es sich bei der Tilgung des Immobilienkredits immer noch um eine Vermögensbildung, aber ohne Zins und Tilgung, so stellte auch der Bundesgerichtshof klar, gäbe es den unterhaltsrechtlich zu seinen Lasten berücksichtigungswürdigen Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete erst gar nicht. Insoweit verdient die Vermögensbildung in Gestalt der angemessenen Tilgung für ein selbstbewohntes Eigentum im Gegensatz zu anderen Ausgaben und anderenvermögensbildenden Maßnahmen eine Sonderbehandlung. Dieser Grundsatz solle sogar dann gelten, wenn der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder gefährdet sei. Laut Bundesgerichtshof könnte einem Unterhaltsschuldner dann ausnahmsweise allerdings eine Tilgungsstreckung zugemutet werden, wobei auch dieses nur in Ausnahmefällen in Betracht käme, wenn zum Beispiel eine sehr hohe Tilgungsrate vereinbart oder aber die Immobilie schon fast komplett abgezahlt worden wäre. Eine völlige Aussetzung der Tilgungsraten jedenfalls sei unzumutbar. 

In diesem hier vorliegenden Fall wurde von einer Streckung bzw. Herabsetzung der Tilgungsleistungen abgesehen, da weder die Immobilie in dem hier geschilderten Fall weder nahezu abbezahlt worden war, noch die Höhe der monatlichen Rate bei dem anfänglichen Tilgungssatz von unter 2 % als unangemessen hoch zu Buche schlug.

Fazit ist also, dass auch bei der Berechnung des Kindesunterhaltes der fiktiv dem Einkommen hinzuzuschlagenden ersparten objektive Miete, bei der Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit, monatliche Darlehensraten bis eben zur Höhe dieser objektiv ersparten Miete als abzugswürdig gegenübergestellt werden können. 





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