BGH 23.02.2021, Az.: II ZR 184/19: Eine nicht gezahlte Kommanditeinlage kann schon vor Fälligkeit „rückständig“ sein.

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vorgehend OLG München, Urt. v. 31. 07.2019 - 7 U 649/19
vorgehend LG München II, Urt. v. 18.12.2018 - 8 O 2380/18

Die Klägerin, ein Filmfonds in Form einer Publikums-KG, nimmt die Beklagte als ehemalige Komman-ditistin auf Zahlung eines Abfindungsfehlbetrags in Anspruch.

Die Beklagte beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 25.11.2003 als Direktkommanditistin mit einer Zeichnungssumme von 50.000,- € zzgl. 3 % Agio an der Klägerin. Zum Zeitpunkt des Beitritts der Beklagten sah der Gesellschaftsvertrag der KG vor, dass jeder Kommanditist 54% seiner Pflichteinlage zuzüglich Agio sofort als Bareinlage zu erbringen hat. Die restlichen 46 % sollten in einem Betrag durch Verrechnung mit ausschüttungsfähigen Gewinnen erbracht werden. Am 24. 07.2012 beschloss die Gesellschafterversammlung, die Regelung des Gesellschaftsvertrages dahingehend zu ändern, dass die bei Beitritt noch nicht geleisteten 46 % fällig werden sollten, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird. Der Gesellschaftsvertrag beinhaltete darüber hinaus eine Schiedsgutachterklausel für den Fall des Streits über Bestand und Höhe eines Abfindungsguthabens zwischen der KG und dem ausscheidenden Kommanditisten.

Die Beklagte schied nach ordentlicher Kündigung ihrer Beteiligung zum 31.12.2014 aus der Klägerin aus.

Die Klägerin ermittelte ein negatives Auseinandersetzungsguthaben der Beklagten in Höhe von 7.340,- € und forderte sie zur Zahlung auf. Die Beklagte erhob vorgerichtlich verschiedene Einwendungen gegen die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens durch die Klägerin (Ermittlung des Unternehmenswerts, abstrakte Muster-Berechnung anhand einer 100.000 €-Beteiligung, keine Darlegung der Berechnung des konkreten Kapitalkontos).

Im gerichtlichen Verfahren wandte die Beklagte außerdem ein, nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag nicht zur Leistung des restlichen Teils der Einlage verpflichtet zu sein. Auch berief sie sich auf die Schiedsgutachterklausel im Gesellschaftsvertrag.

Das Landgericht hat den Zahlungsantrag wegen der von der Beklagten erhobenen Schiedsgutachtereinrede als derzeit unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil und die Berufung der Klägerin im Übrigen mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen bleibt.

Der BGH hält die Forderung der Fondsgesellschaft dem Grunde nach für gegeben.

Die Beklagte habe mit ihrer Beitrittserklärung die Verpflichtung zur Leistung einer Pflichteinlage in Höhe der gesamten Zeichnungssumme von 50.000,- € übernommen. Dass die Gesellschafter ursprünglich nur 54 % des Zeichnungsbetrags als Geldeinlage zu leisten hatten und die restlichen 46 % erst fällig werden sollten, wenn dieser Betrag aus erwirtschafteten und ausschüttungsfähigen Gewinnen geleistet werden konnte, ändere nichts an ihrer Gesamtverpflichtung in Höhe des vollen Zeichnungsbetrags. Die betreffende Regelung im Gesellschaftsvertrag stelle lediglich eine Stundungsabrede dar.

Das ergebe sich bei objektiver Auslegung aus Sicht eines durchschnittlichen Anlegers (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2012 - II ZR 201/10, ZIP 2012, 2291 Rn. 18) bereits aus dem Wortlaut der Klausel. Eine Auslegung der Regelung im Sinne einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) dahingehend, dass eine weitere Einlageverpflichtung hinsichtlich 46 % des Zeichnungsbetrags nur bei Erzielung entsprechender ausschüttungsfähiger Gewinne entstehen sollte, komme angesichts der ausdrücklichen Bezeichnung der restlichen 46 % als ausstehender Teil der Pflichteinlage nicht in Betracht.

Bei der demnach noch offenen Einlageverpflichtung der Beklagten in Höhe von 23.000 € handele es sich insgesamt um eine "rückständige Einlage" im Sinne von § 167 Abs. 3 HGB. An dieser Rechtslage habe auch die Änderung des Gesellschaftsvertrags im Jahr 2012 nichts geändert. Zwar sollten die Kommanditisten zur Leistung der restlichen 46% ihrer jeweiligen Einlage nur aufgrund eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses verpflichtet sein. Dieser Schutz komme aber bei einem ausgeschiedenen Kommanditisten nicht mehr zum Tragen. Vielmehr könne seine noch offene Pflichteinlage auch ohne entsprechenden Gesellschafterbeschluss in die Auseinandersetzungsbilanz zugunsten der Klägerin eingestellt werden, obwohl die restliche Pflichteinlage durch die Gesellschafter noch nicht eingefordert worden sei. Den berechtigten Interessen der KG und der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern widerspräche es, wenn der Kommanditist mit dem Zeitpunkt seines Ausscheidens von seiner gesamten restlichen, noch nicht durch Gesellschafterbeschluss fällig gestellten Einlageverpflichtung befreit würde. Es sei nicht ersichtlich, weshalb ihn die verbleibenden Gesellschafter derart von seiner ursprünglichen Leistungszusage entbinden sollten, zumal der Ausscheidende sich selbst dafür entschieden habe, am weiteren Schicksal der Gesellschaft nicht teilzunehmen und stattdessen eine Abrechnung zum Zeitpunkt seines Ausscheidens zu verlangen. Dies führe nach Meinung des BGH auch zu keiner Schlechterstellung des Ausscheidenden gegenüber den in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern, da diese ebenfalls grundsätzlich weiterhin zur Leistung der restlichen Einlage verpflichtet seien und der entsprechende Betrag auch bei ihnen im Fall der Liquidation der Gesellschaft oder bei ihrem Ausscheiden ohne vorherige Beschlussfassung in der noch offenen Höhe zu ihren Lasten in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen sei.

Die vorbeschriebenen Feststellungen verhalfen der Klägerin gleichwohl aber nicht zum Erfolg, weil das Berufungsgericht nach Auffassung des BGH den Zahlungsantrag zutreffend in voller Höhe wegen der von der Beklagten erhobenen Schiedsgutachtereinrede als derzeit unbegründet abgewiesen belassen habe. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe vor Klageerhebung ein Schiedsgutachten über die Höhe des Abfindungsguthabens einholen müssen, wurde vom BGH nicht beanstandet.

Anmerkungen von RA Dr. jur. Bernd Zimmermann:

Der BGH stellt sich mit seiner Entscheidung gegen die Rechtsprechung zahlreicher Obergerichte, die mit rechtlich nachvollziehbarer Begründung die Auffassung vertraten, dass der Rest der ausstehenden Pflichteinlage durch die KG nur dann eingefordert werden kann, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss vorliegt.  

Im Ergebnis sei die restliche Einlage gegenüber dem ausgeschiedenen Kommanditisten erst dann „rückständig“ i.S.d. § 167 Abs. 3 HGB, wenn die Einlage durch Gesellschafterbeschluss fällig gestellt wurde (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03.09.2020 – I-27 U 8/20 [rechtskräftig]; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.10.2019 - 24 U 52/19 -; OLG Celle, Beschl. v. 26.11.2019 und 08.01.2020 – 9 U 63/19; OLG München, Urt. v. 31.07.2019 – 7 U 651/19).

Für die Praxis bedeutend ist, dass der BGH die Abweisung der Klage als „derzeit unbegründet“ bestätigt hat. Die aus der Gesellschaft ausgeschiedenen Kommanditisten können sich auf die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Schiedsgutachterklausel berufen. Danach wird die Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters durch einen von der Wirtschaftsprüferkammer zu benennenden Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter verbindlich ermittelt, wenn über die Höhe der Abfindung kein Einvernehmen erzielt werden kann. Eine solche in KG-Verträgen übliche Klausel gilt nicht nur bei einem positiven Auseinandersetzungsguthaben, sondern auch wenn die Gesellschaft ein negatives "Guthaben", also einen Fehlbetrag, behauptet. Der Zweck der Vertragsklausel, bei Streit über die Höhe der Abfindung durch den Gutachter, der als Wirtschaftsprüfer ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2020 - II ZR 339/18), eine neutrale verbindliche Feststellung des Abfindungsguthabens zu erhalten, greift auch in diesem Fall.


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