BGH-Urteil IV ZR 133/21 vom 25.01.2023: Direktklage gilt wohl auch für Altfälle vor 2008

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Das versicherungsrechtliche Trennungsprinzip besagt, dass Haftung und Deckung unabhängig voneinander zu beurteilen sind. Der Anspruch aus der Haftung richtet sich gegen den Schädiger. Aus dem Titel gegen den Schädiger kann dann im Wege der Drittschuldnerklage gegen die Haftpflichtversicherung aus dem Versicherungsvertrag vorgegangen werden.


Seit der VVG-Reform 2008 gibt es den Direktanspruch gegen den Versicherer aus § 115 VVG bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung, bei Insolvenz oder bei unbekanntem Aufenthalt des Schädigers, § 115 VVG.


Ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers (Schuldner) das Insolvenzverfahren eröffnet worden, kann der Geschädigte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen, jetzt 110 VVG, vormals § 157 VVG.


Nach dem BGH-Urteil IV ZR 309/19 vom 10. März 2021 ist nach dem Inhalt dann auch eine Direktklage gegen den Versicherer möglich. In jenem Fall war auch für einen vorherigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss kein Raum.


Erfasst werden allerdings nur deliktische Forderungen aus § 852 BGB.  


Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG müssen nur bei Bestehen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs vorliegen und können zu einem beliebigen Zeitpunkt vor Schluss der mündlichen Verhandlung eintreten, BGH, Urteil vom 25. Januar 2023 - IV ZR 133/21 - OLG Köln LG Köln.


Damit hat sich der BGH einer vorherigen Mindermeinung angeschlossen, Staab, „Vom richtigen Zeitpunkt – Voraussetzung eines Direktanspruchs gegen Haftpflichtversicherer, NJW 2023, Seite 1775, Randnummer 10.


Diese Änderung der Rechtsprechung des BGH dürfte eine neue kenntnisabhängige Verjährungsfrist für Altfälle in Lauf setzen. Man kann direkt gegen die Versicherung klagen, wenn der Schuldner insolvent ist.  Die (kenntnisabhängige) Verjährung eines Anspruches beginnt mit der ersten richtigen anwaltlichen Beratung  (siehe auch Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist erst bei fehlerhafter Rechtsanwendung des Schuldners, BGH v. 20.10.2022 - III ZR 88/21).


Nach dem überschriftlich zitierten BGH-Urteil vom 25. Januar 2023 - IV ZR 133/21 - OLG Köln LG Köln – dürfte es auf das versicherungsrechtliche Trennungsprinzip bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nicht mehr ankommen. Über die Haftung und Deckung wird dann in einem Verfahren entschieden.


Fazit: Eine Inanspruchnahme des Versicherers ist bei bedingtem Vorsatz nicht ausgeschlossen, wohl aber bei einem direkten Vorsatz, der in vielen Fällen wohl nicht vorliegen dürfte. Ebenfalls ist ein Haftungsausschluss bei wissentlicher Pflichtverletzung des Schuldners gegeben. Der Gläubiger hat es folglich in der Hand, worauf er seinen Anspruch stützt.


Das Trennungsprinzip in der Haftpflichtversicherung steht in den verbliebenen Konstellationen einer unmittelbaren Inanspruchnahme des Versicherers durch den Geschädigten auch ohne vorherige Feststellung des Haftpflichtanspruchs nicht entgegen, wenn der Deckungsanspruch wirksam an den Geschädigten abgetreten ist, BGH, Urteil vom 20. 4. 2016, Az.: IV ZR 531/14.


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