BGH: Wettbewerbswidrige Beschränkung der Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren durch Online-Händler

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Urteil vom 21.08.2019, Aktenzeichen VIII ZR 265/18, klargestellt, welche Anforderungen an eine unternehmerische Erklärung über die Bereitschaft zu einer Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz zu stellen sind.

Um welche Regelung geht es?

Der BGH hatte sich mit den Informationspflichten für Unternehmen nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) zu befassen. Mit dem VSBG hat der deutsche Gesetzgeber Teile der europäischen Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (Richtlinie Nr. 2013/11/EU, sog. „ADR-Richtlinie“) umgesetzt. Danach soll Verbrauchern bei Streitigkeiten mit Unternehmern im Zusammenhang mit Kauf- und Dienstleistungsverträgen eine Möglichkeit zur außergerichtlichen Streitbeilegung zustehen. Dadurch soll die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher erleichtert werden, indem langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren vermieden werden.

Unternehmen können entweder freiwillig an einem Streitbeilegungsverfahren teilnehmen (dies ist der Grundsatz) oder sind gesetzlich zu einer Teilnahme verpflichtet. Eine Verpflichtung zur Teilnahme ergibt sich beispielsweise aus § 111b Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) oder § 57a Luftverkehrsgesetz (LuftVG).

Wenn ein Unternehmen eine Webseite betreibt oder Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet, besteht nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG grds. eine Pflicht dahingehend, Verbraucher über die Verpflichtung bzw. Bereitschaft zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren zu informieren.

Was ist in dem vorliegenden Fall geschehen?

Ein Online-Händler betreibt einen Online-Shop, in dem er Verbrauchern unter anderem Lebensmittel zum Kauf anbietet. In dem Impressum auf der Webseite des Online-Händlers ist folgender Hinweis zu finden:

„Der Anbieter ist nicht verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Die Bereitschaft dazu kann jedoch im Einzelfall erklärt werden.“

Eine entsprechende Regelung findet sich auch in den online abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen des beklagten Online-Händlers.

Eine Verbraucherschutzorganisation sah die Hinweise als rechtlich unzureichend an und klagte nach einer Abmahnung gegen den Online-Händler auf Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten.

Das LG Oldenburg sah keinen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG und wies die Klage in erster Instanz ab. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG Oldenburg – anders als das Landgericht – der Klage stattgegeben. Gegen das Urteil des OLG legte der Kläger Revision vor dem BGH ein. Die Revision war erfolglos. Der BGH gab der klagenden Verbraucherschutzorganisation recht.

Was hat der BGH entschieden?

Nach Ansicht des BGH stand dem Kläger gegen den Beklagten auf Grund des Verstoßes des Beklagten gegen § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG ein Anspruch auf Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten zu.

Hierzu führte der BGH aus, dass der in Streit stehende Hinweis in dem Impressum und in den AGB nicht ausreichend klar und verständlich ist. Es sei offen, von welchen Faktoren der Online-Händler die Entscheidung zur Teilnahme an dem Streitschlichtungsverfahren abhängig macht. Der Verbraucher sei im Einzelfall dazu gezwungen, bei dem Online-Händler nachzufragen. Dies sei dem Verbraucher aber nicht zumutbar und gerade nicht Sinn und Zweck der Verbraucherschutzregelungen. Der Verbraucher soll vor seiner Entscheidung, ob er mit dem Unternehmer einen Vertrag schließt, erkennen können, ob und inwieweit der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitschlichtungsverfahren verpflichtet bzw. bereit ist.

Der BGH stellt zugleich klar, dass ein Unternehmer seine Teilnahmebereitschaft grds. beschränken könne. Eine entsprechende Beschränkung sei etwa in Bezug auf bestimmte Streitwerte oder auf bestimmte Kategorien von Verträgen möglich. Ein Unternehmer müsse aber klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, in welchen Fällen eine Teilnahmebereitschaft gegeben ist.

Welche Konsequenzen hat die Entscheidung des BGH?

Die Entscheidung des BGH zeigt einmal mehr, dass bei der Ausgestaltung des Impressums auf einer Webseite und dem Inhalt der AGB Vorsicht geboten ist. Auf Grund der Vorgaben des § 36 Abs. 1 VSBG besteht für Unternehmer, insbesondere für Online-Händler im Bereich B2C, die Pflicht zur Aufklärung über die Teilnahmepflicht und die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Verbraucherstreitbeilegungsverfahren. Ein genereller Vorbehalt der Teilnahme für den jeweiligen Einzelfall ist jedenfalls unzulässig. Daneben muss bei einer bestehenden Verpflichtung oder Bereitschaft auf die zuständige Streitschlichtungsstelle hingewiesen werden.

Sollten Unternehmer ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren beschränken wollen, muss der Hinweis auf die Beschränkung klar und unmissverständlich sein. Andernfalls droht eine Abmahnung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens.

Bestehen weitere Hinweispflichten für Online-Händler bzgl. der alternativen Streitbeilegung?

Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass speziell für Online-Händler zusätzliche Informationspflichten bestehen.

Für Streitigkeiten aus Verbraucherverträgen, die online abgeschlossen werden, hat die Europäische Kommission eine Online-Streitbeilegungsplattform eingerichtet (sog. „ODR-Plattform“ oder „OS-Plattform“). In der EU niedergelassene Online-Händler sind nach Artikel 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 (sog. „ODR-Verordnung“) dazu verpflichtet, auf ihren Webseiten einen leicht zugänglichen Link auf die ODR-Plattform der Europäischen Kommission (https://ec.europa.eu/consumers/odr) zu setzen. Auch wenn der Hinweis auf die ODR-Plattform fehlt, kann dies auf Grund wettbewerbswidrigen Verhaltens eine Abmahnung zur Folge haben.

Daher sollten Online-Händler den Link auf die ODR-Plattform gut innerhalb des Impressums neben die Erklärung nach § 36 Abs. 1 VSBG einbinden.

Bei Fragen zur rechtssicheren Gestaltung Ihrer Webseite wenden Sie sich gerne an mich.


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