Brief vom Inkassobüro – Schufa? Pfändung? – Was tun?

  • 4 Minuten Lesezeit

Was Sie über Inkasso wissen

1. Der Brief

Jeder kennt das. Man denkt an nichts schlimmes und glaubt, man hat keine Schulden. Dann kommt der Brief vom Inkassobüro. Meistens mit eindrucksvollen Namen ausgestattet fordern diese Läden einen auf, irgendeine Rechnung zu bezahlen, die man nicht kennt oder die man ignoriert hat, weil man nicht dran gedacht oder nicht dran geglaubt hat.

Überraschenderweise wird aus einer Rechnung in Höhe von 20€ gleich eine solche in Höhe von 73€ mit der Aussicht, dass es noch viel teurer wird.

2. Die Drohung

Nicht nur, dass man zur Zahlung aufgefordert wird. Gleichzeitig werden auch noch schlimme Folgen angedroht, falls man nicht zahlt. Lohnpfändung beim Arbeitgeber. Weitere Kosten. Schufa-Eintrag. Haftbefehl.

All diese Dinge und noch mehr bis hin zur vorläufigen Enthauptung werden in Aussicht gestellt.

3. Der Psychoterror

Wer nicht drauf eingeht und nicht bezahlt, bekommt voraussichtlich mehr Post. Außerdem erhält man E-Mails und gelegentliche Telefonanrufe. Wer die Anrufe ignoriert, wird wieder angerufen, gerne auch nachts. Das Drohszenario wird immer intensiver und stets schwingt mit: Wer zahlt, wird in Ruhe gelassen.

4. Die Versöhnung

Aber Ihnen wird auch Verständnis entgegengebracht. Einige Briefe sind versehen mit dem Angebot, Ihnen einen gewissen Betrag nachzulassen, oder die Schuld in Raten abzubezahlen, wenn Sie nur ein vorgefertigtes Formular unterschreiben und Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erklären.

Manch einer lässt sich darauf ein und zahlt in Raten á 20€ seine Schuld über einige Monate oder gar Jahre ab.

Was ich über Inkasso weiß

1. Der Brief

Zunächst einmal wird eine Forderung lediglich behauptet. Ob diese auch begründet ist, wissen Sie nicht. Das Inkassobüro weiß es ebenfalls nicht. 

Der Grund ist, dass weder Sie, noch die Juristen sind. Ein Anwalt dürfte einen Großteil der Forderungen gar nicht beitreiben. Wenn ein Anwalt nämlich weiß, dass eine Forderung keine Substanz hat, darf er sie nicht einfordern. Die Zulassung stünde dann auf dem Spiel!

Was Inkassobüros allerdings wissen, ist wie Anwälte abrechnen. Und das tun sie. Bei jedem einzelnen Schreiben. Deshalb werden die vermeintlichen Forderungen so hoch.

2. Die Drohung

Die Drohungen sollten niemanden verunsichern, auch wenn das System gut funktioniert. Bis Ihr Lohn beim Arbeitgeber z. B. gepfändet wird, muss viel passieren. Das Inkassobüro kann das nicht aus eigener Kompetenz heraus tun.

Auch ein Haftbefehl und vergleichbare Horrorszenarien brauchen einen immensen Vorlauf und garantiert passiert so etwas nicht ohne vorherige Anhörung wenigstens durch einen Gerichtsvollzieher.

Bis Ihnen irgendeines der genannten Mittel droht, wird Ihnen immer mindestens ein Gerichtsvollzieher die Gelegenheit geben, durch Zahlung die Zwangsmittel abzuwenden.

3. Der Psychoterror

Wenn Sie in der Mühle sind, haben Sie Glück. Glauben Sie, ein Rechtskundiger, der sich seiner Sache sicher ist, würde so vorgehen? Wurden Sie schon mal von einem Anwalt über Monate oder Jahre hinweg telefonisch belästigt?

Nein! Ich würde Sie einmal anrufen, dann würde ich Ihnen einen Brief schreiben, dann würde ich ein Gericht anrufen. So und nicht anders treibt man begründete Forderungen ein.

4. Die Versöhnung

Jetzt kommt der Clou. Was auch immer Sie tun, füllen Sie niemals (ohne Rücksprache) das Formular aus! 

Wenn Sie das tun, sind Sie verloren. Dieses Formular mit seinem harmlosen und entgegenkommenden Erscheinungsbild bricht Ihnen das Genick. Es hat zwei Funktionen:

Die erste Funktion: Schuldanerkenntnis

Sie erkennen die Forderung mit Ihrer Unterschrift an. Das steht immer in dem Text, den sie mit unterzeichnen. An herausgehobener Stelle sogar. Aber Sie haben keine Ahnung, was Sie damit eigentlich tun.

Wenn Sie die Forderung anerkennen, dann existiert sie auf einmal. Vorher hatten Sie möglicherweise Schulden. Wahrscheinlich nicht, sonst hätten Ihre „Gläubiger“ vermutlich kein Inkassobüro, sondern einen Anwalt beauftragt. Mit Ihrer Unterschrift haben Sie Schulden.

Außerdem wird Ihnen meistens noch der Verzicht auf die Einrede der Verjährung mit in den Mund gelegt. Was das bedeutet, erklärt Ihnen Ihr Anwalt gerne, nachdem er in seinen Schreibtisch gebissen hat.

Die zweite Funktion: Mehr Gebühren

Ihre Schulden werden größer. Denn wenn das Inkassobüro mit Ihnen eine Ratenzahlungsvereinbarung schließt, kann es weitere Gebühren von Ihnen verlangen, die sog. Einigungsgebühr wird nämlich fällig.

Und wenn Sie sich diesen Monat auf 20€-Raten einigen und Sie nächsten Monat etwas ärmer werden, kann das Inkassobüro noch mal von Ihnen die Einigungsgebühr verlangen, wenn Sie 15€-Raten für die Zukunft vereinbaren.

Wie ich mit dem Inkassobüro umgehe

Mein Vorteil: Ich bin Anwalt und weiß bereits vorher recht gut, ob ich jemandem Geld schulde. Wenn es so ist, bezahle ich, wenn nicht, dann nicht.

Deshalb sitze ich die Angelegenheit „Inkasso“ einfach aus.

Sie sind vermutlich kein Anwalt, wenn doch, schönen Gruß, Kollege und danke fürs Lesen!

Vermutlich tun Sie also gut daran, einen Anwalt aufzusuchen, ihm zu erklären, wie es zu der Forderung kommt und sich eine erste Einschätzung geben zu lassen.

Insbesondere, wenn Sie kein Geld haben, sollten Sie einen Beratungsschein beantragen und einen Anwalt aufsuchen. Er wird Ihnen etwas über Pfändungsfreibeträge erzählen und vielleicht auch, dass eine Privatinsolvenz keine Schande ist.

Die meisten der wenigen begründeten Forderungen wären nämlich gar nicht beizutreiben und Sie bräuchten sich vor dem Gerichtsvollzieher nicht zu fürchten. 

Das Inkasso-Business verdient Milliarden (!) – meist nur an den Ärmsten und ihrer Gutgläubigkeit. Armut ist keine Schande, Dummheit hingegen schon. 

Seien Sie nicht dumm und spielen Sie deren Spiel nicht unhinterfragt mit.



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