Bürgschaft: Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft – Hilfe für den Bürgen

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Bürgschaften können die Existenz des Bürgen gefährden. Daher hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit immer wieder Bürgschaften für „sittenwidrig“ und damit unwirksam erklärt.

Krasse finanzielle Überforderung des Bürgen

In der Praxis am häufigsten ist der Fall der Bürgschaften naher Angehöriger. Diese sind nicht immer unwirksam, aber in vielen Konstellationen. 

Bei einer dieser Konstellationen handelt es sich um die krasse finanzielle Überforderung des Bürgen: Wenn der Bürge bei Vertragsschluss voraussichtlich nicht einmal in der Lage sein wird, die anfallenden Zinsen aufzubringen, dann kann man eine solche Überforderung annehmen. Es kommt also auf das (pfändbare) Einkommen und Vermögen bei Vertragsschluss an. 

Dann wird zugunsten des Bürgen vermutet, dass er die Bürgschaft nicht aus eigenen Interessen, sondern wegen seiner emotionalen Bindung zum Angehörigen abgegeben hat und die Bank dies sittenwidrig ausgenutzt hat. 

Auch hier sind Ausnahmen aber möglich, etwa wenn der Bürge selbst einen wirtschaftlichen Vorteil durch das Darlehen hat bzw. er auch selbst über Verwendung des Darlehens mitbestimmen kann.

Allein der Versuch der Bank, Vermögensverschiebungen vorzubeugen, reicht auch nicht, um Sittenwidrigkeit zu beseitigen. Gemeint ist hier der klassische Fall der mittellosen Ehefrau, die eine Bürgschaft für Unternehmen ihres Ehemannes gibt. Dass die Bank eine Bürgschaft der Frau fordert, um Vermögensverschiebungen von Mann auf Frau vorzubeugen, verhindert nicht, dass die Bürgschaft möglicherweise sittenwidrig ist.

Besonders verwerfliche Einwirkungen der Bank auf die Entscheidungsfreiheit des Bürgen

Unabhängig von der krassen finanziellen Überforderung kann eine Bürgschaft auch aus anderen Gründen sittenwidrig – und damit unwirksam – sein. Dazu bedarf es aber schon besonders erschwerender und dem Kreditinstitut zurechenbarer Umstände. 

Dabei geht es um grds. „besonders verwerfliche Einwirkungen der Bank auf die Entscheidungsfreiheit des Bürgen“. Ein typischer Fall ist die Ausnutzung der Unerfahrenheit des Bürgen. Die Bank darf etwa nicht die geschäftliche Unerfahrenheit eines Bürgen ausnutzen. 

Dies gilt insbesondere bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die noch in der Ausbildung sind oder erst am Anfang ihres Berufslebens stehen und geschäftlich unerfahren sind. 

Dann besteht die Gefahr, dass dem Bürgen eine wirklich freie Entscheidung über seine Verpflichtung unzumutbar erschwert ist, schlicht weil er die Tragweite der Bürgschaft noch gar nicht überblicken kann. 

Gerade wenn man als junger Mensch von seinen Eltern gebeten wird, eine Bürgschaft zu übernehmen, besteht natürlich die Gefahr, dass man diesem Wunsch der Eltern auch entspricht, ohne das Ausmaß der Folgen wirklich zu bedenken. Auch hier gilt: Wenn die Bank dies weiß und trotzdem diese Bürgschaft fordert, kann dies durchaus rechtfertigen, die Bürgschaft als sittenwidrig anzusehen.

Verharmlosung der Risiken

Grundsätzlich gilt natürlich auch immer, dass eine Bank auch nicht das Risiko, die Bedeutung und Tragweite einer Bürgschaft verharmlosen darf. Der Bürge darf nicht den Eindruck bekommen, er habe nichts Ernsthaftes zu befürchten und könne die ihm vorgelegte Bürgschaft ohne weiteres unterschreiben. Die Bank darf dem Bürgen gegenüber das Haftungsrisiko nicht verschleiern.

So handelt eine Bank beispielsweise sittenwidrig, wenn der Bankmitarbeiter dem Bürgen bei Unterschrift erklärt, er gehe damit „keine große Verpflichtung“ ein und er brauche die Unterschrift „nur für seine Akten“. 

Auch wenn die Abgabe der Bürgschaft als „reine Formsache“ bezeichnet wird, kann nicht mehr von einer freien Entscheidung des Bürgen über seine Bürgschaftsverpflichtung die Rede sein. Dann spricht viel dafür, dass die Bürgschaft wegen dieser unzulässiger Verharmlosung bzw. Verschleierung von Risiken sittenwidrig und damit unwirksam ist.

Ausnutzen einer seelischen Zwangslage des Bürgen und Ausübung unzulässigen Drucks

Eine Bank darf einen Bürgen nicht einfach überrumpeln und ihm gewissermaßen „die Pistole auf die Brust setzen“. So kann es sittenwidrig sein, wenn eine Bank von einem völlig unvorbereiteten Kunden bei einem Routinebesuch die Abgabe umfangreicher Bürgschaften auffordert und dann auch noch damit droht, andernfalls die betreffenden Kredite zu kündigen. 

Damit schafft die Bank für den Bürgen eine Zwangslage und übt unzulässig Druck aus, um den Bürgen zur Unterschrift zu bewegen. In diesem Fall haftet der Bürge nicht, das Kreditinstitut kann von vom Bürgen also keine Zahlung verlangen.

Was bedeutet die Sittenwidrigkeit für den Bürgen? 

Eine Bürgschaft ist zunächst einmal nichts anderes als ein Vertrag zwischen dem Bürgen und dem sogenannten Gläubiger. Mit diesem Bürgschaftsvertrag verpflichtet man sich vereinfacht gesagt dazu, für die Schulden eines Anderen, dem sogenannten Hauptschuldner einzustehen. 

Ist nun die Bürgschaft sittenwidrig, dann ist nun gerade der Vertrag unwirksam, mit dem sich der Bürge verpflichtet eine Zahlung für einen anderen zu übernehmen. Für den Schuldner bedeutet der Wegfall der Bürgschaft erst einmal nichts. Seine Schuld bleibt bestehen. Je nach Situation muss er – statt der Bürgschaft – vielleicht eine neue Sicherheit geben. 

Für den Bürgen aber bedeutet die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft, dass er keine Zahlungen auf die Bürgschaft leisten muss.

Über die Kanzlei Mutschke

Die Mutschke Rechtsanwaltsgesellschaft mbH berät Mandanten, die planen, eine Bürgschaft einzugehen sowie Mandanten, die zur Zahlung aus einer Bürgschaft aufgefordert werden. Die Kanzlei ist deutschlandweit tätig und unterhält Büros in Düsseldorf und Bielefeld.



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