Bundesverfassungsgericht: Durchsuchung bei Verdacht auf Insolvenzverschleppung unverhältnismäßig

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Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem richtungsweisenden Beschluss vom 10.01.2018 (Az. 2 BvR 2993/14) die Staatsanwaltschaften in die Schranken verwiesen. Das Gericht hat eine Wohnungsdurchsuchung im Fall des Verdachts einer Insolvenzverschleppung für verfassungswidrig erklärt. 

§ 102 StPO regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Durchsuchung bei Beschuldigten erfolgen darf. Insbesondere im Fall der Durchsuchung einer Wohnung wird erheblich in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, die der Artikel 13 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantiert, und in das allgemeine Persönlichkeitsrechtrecht (Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) eingegriffen. Wie bei jedem Grundrechtseingriff durch staatliche Organe gilt daher auch für die Durchsuchung nach § 102 StPO der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Daran musste jetzt das Bundesverfassungsgericht offenbar die Staatsanwaltschaft sowie das für den Durchsuchungsbeschluss zuständige Amtsgericht Frankfurt/Oder erinnern. Die Entscheidung dokumentiert eindrucksvoll, wie leichtfertigt der Vorwurf der Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO) auf die bloße Anzeige eines Vermieters hin in dem Raum gestellt wird und zu einem Ermittlungsverfahren gegen den Unternehmer führt. 

Bemerkenswert war hier, dass die Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Wohnung und des privaten Geschäftsführerbüros beantragte, obschon die von dem anzeigeerstattenden Gläubiger erhobene und eingeklagte Forderung zwischen den Parteien im Streit stand, also ein Zivilprozess geführt wurde. Weiterhin schöpften die Ermittler weitere Erkenntnismöglichkeiten nicht aus. Das Verfassungsgericht betont deutlich, dass die Staatsanwaltschaft zunächst grundrechtsschonende Maßnahmen hätte ergreifen müssen, die offensichtlich zahlreich zur Verfügung standen. Konkret nennt das Gericht die Möglichkeit, bei dem für ein Insolvenzverfahren zuständigen Insolvenzgericht einmal ganz simpel zu fragen, ob ein Insolvenzantragsverfahren anhängig ist. Zudem hätte die Staatsanwaltschaft kurzer Hand Einsicht in das Schuldnerverzeichnis beim zentralen Vollstreckungsgericht des Landes Brandenburg nehmen können. Darin ist verzeichnet, ob es andere Gläubiger gibt, deren Forderungen nicht bezahlt werden. Auch etwaige Zwangsvollstreckungsverfahren und Vermögensauskünfte („Offenbarungseid“) wären so zu ermitteln gewesen. Zudem war die von dem Betroffenen geführte Gesellschaft eine GmbH, die zur Veröffentlichung ihrer Jahresabschlüsse verpflichtet ist. Diese Erkenntnisse wären ebenso wie Auskünfte bei der BaFin und den kontoführenden Kreditinstituten problemlos abrufbar gewesen. Wer einmal erlebt hat, wie belastend es ist, wenn fremde Beamte in die eigene Wohnung marschieren und alles durchstöbern, und wie bloßstellend dies im Verhältnis zu Nachbarn sein kann, der wird diese Entscheidung begrüßen. Auch die Durchsuchung von Geschäftsräumen ist eine Belastung, kann das Ansehen bei Geschäftspartnern ruinieren und den Betriebsablauf empfindlich beeinträchtigen. Das Mittel der Durchsuchung sollte daher nur sehr zurückhaltend verwendet werden. Für den Betroffenen zeigt die Entscheidung: Wenn Amts- und Landgericht nicht helfen, so sollte der Geschädigte auch den Gang zum Bundesverfassungsgericht nicht scheuen. 

26.03.2018, RA FA InsR Dr. Olaf Hiebert


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