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Das Bundesverfassungsgericht: Deutschlands Wächter der Verfassung

  • 6 Minuten Lesezeit
 Das Bundesverfassungsgericht: Deutschlands Wächter der Verfassung

„Ich gehe bis nach Karlsruhe“ – diese Redewendung haben die meisten schon einmal gehört.

Wenn jemand bis nach Karlsruhe geht, meint er damit, dass er einen Rechtsstreit bis zum Schluss ausfechten möchte. Denn in Karlsruhe sitzt das Bundesverfassungsgericht und seine Entscheidungen sind unanfechtbar.

Doch was bedeutet das genau? Und kann wirklich jeder bis nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht gehen? Das und mehr erfahren Sie in diesem Ratgeber.

Aufbau und Struktur

Das Bundesverfassungsgericht ist nicht nur ein Gericht, sondern zugleich ein Verfassungsorgan. Anders als die Fachgerichte untersteht es daher nicht der Dienstaufsicht eines Ministeriums. Das Bundesverfassungsgericht besteht zwar aus zwei Senaten, es entscheidet jedoch immer als „das Bundesverfassungsgericht“.

Um das hohe Arbeitsaufkommen des Gerichts zu bewältigen, bedarf es einer gut strukturierten Arbeitsweise. Im Folgenden sollen einige der Arbeitsbereiche des Bundesverfassungsgerichts näher beschrieben werden.

Präsident und Vizepräsidentin

Der Präsident (Prof. Dr. Harbarth) und die Vizepräsidentin (Prof. Dr. König) des Bundesverfassungsgerichts sind die Vorsitzenden der Senate. Zudem ist es die Aufgabe des Präsidenten, die Verwaltung des Gerichts zu leiten und es nach außen zu repräsentieren.

Nachfolgend finden Sie eine Liste aller ehemaligen Präsidenten und Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts:

Präsidenten des BundesverfassungsgerichtsBeginn der AmtszeitEnde der Amtszeit
Stephan Harbarth22. Juni 2020
Andreas Voßkuhle16. März 201022. Juni 2020
Hans-Jürgen Papier10. April 200216. März 2010
Jutta Limbach14. September 199410. April 2002
Roman Herzog16. November 198730. Juni 1994
Wolfgang Zeidler20. Dezember 198316. November 1987
Ernst Benda8. Dezember 197120. Dezember 1983
Gebhard Müller8. Januar 19598. Dezember 1971
Josef Wintrich23. März 195419. Oktober 1958
Hermann Höpker-Aschoff7. September 195115. Januar 1954


Vizepräsidenten des BundesverfassungsgerichtsBeginn der AmtszeitEnde der Amtszeit
Doris König22. Juni 2020
Stephan Harbarth30. November 201822. Juni 2020
Ferdinand Kirchhof16. März 201030. November 2018
Andreas Voßkuhle7. Mai 200816. März 2010
Winfried Hassemer10. April 20027. Mai 2008
Hans-Jürgen Papier27. Februar 199810. April 2002
Otto Seidl13. Oktober 199527. Februar 1998
Johann Friedrich Henschel29. September 199413. Oktober 1995
Jutta Limbach24. März 199414. September 1994
Ernst Gottfried Mahrenholz16. November 198724. März 1994
Roman Herzog20. Dezember 198316. November 1987
Wolfgang Zeidler7. November 197520. Dezember 1983
Walter Seuffert18. Oktober 19677. November 1975
Friedrich Wilhelm Wagner19. Dezember 196118. Oktober 1967
Rudolf Katz7. September 195123. Juli 1961

Das Plenum

Das Plenum besteht aus allen 16 Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts. Wenn nötig, wird im Plenum ein Beschluss gefasst, um die Zuständigkeit der Senate abweichend von den Vorgaben aus dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz zu regeln. Von dieser Möglichkeit wird oft Gebrauch gemacht, da der Erste Senat aufgrund der Vielzahl an Verfassungsbeschwerden sonst deutlich stärker belastet wäre als der Zweite Senat. Zudem trifft das Plenum grundsätzliche organisatorische Entscheidungen und bestellt einen Haushalts- und Personalausschuss.

In der Sache entscheidet das Plenum nicht selbst. Eine Ausnahme besteht nur in den Fällen, in denen der eine Senat von der Rechtsauffassung des anderen Senats abweichen möchte. Dann ergeht eine Entscheidung des Plenums.

Senate

Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten mit jeweils acht Richterinnen und Richtern. Die Zuständigkeiten der beiden Senate sind genau geregelt.

Innerhalb der Senate werden Kammern mit jeweils drei Mitgliedern gebildet. In diesen Kammern werden die Fälle entschieden, die keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung haben. Von den über 6000 Verfassungsbeschwerden, die jährlich eingehen, betrifft das rund 99 Prozent.

Die 16 Richterinnen und Richter werden vom Bundestag und vom Bundesrat je zur Hälfte gewählt. Erforderlich ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit, um die Ausgewogenheit der Senate sicherzustellen. Wenn Sie sich genauer für die Voraussetzungen des Richteramts beim Bundesverfassungsgericht interessieren, finden Sie weitere interessante Informationen in unserem Ratgeber zum Thema Richter.

Weitere wichtige Mitarbeiter

Um diesen ganzen Verfahren gerecht zu werden, bedarf es vieler Mitarbeiter. Beim Bundesverfassungsgericht sorgen rund 260 Personen für eine reibungslose Erledigung des Arbeitsanfalls.

So werden die Richterinnen und Richter jeweils durch vier wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützt. Zudem sind Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Geschäftsstellen, Vorzimmern und der Kanzlei im Einsatz. Darüber hinaus werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der allgemeinen Verwaltung, der Bibliothek und für die EDV beschäftigt.

Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts

Seit seiner Gründung im Jahr 1951 überwacht das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung des Grundgesetzes und beschützt dadurch die freiheitliche demokratische Grundordnung. Eine seiner Hauptaufgaben besteht in der Durchsetzung der Grundrechte.

Generell sind alle staatlichen Stellen zur Beachtung des Grundgesetzes und insbesondere der Grundrechte verpflichtet. Kommt es jedoch darüber zum Streit und wird das Bundesverfassungsgericht angerufen, so entscheidet es final darüber. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann man nicht anfechten und die übrigen Staatsorgane sind an sie gebunden.

Das Bundesverfassungsgericht ist auch dazu befugt, Gesetze für verfassungswidrig zu erklären. Dabei muss es sich aber streng an das Grundgesetz als Maßstab halten. Es darf keine politischen Entscheidungen treffen, da es kein politisches Organ ist. Das Gericht bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen, in dem sich die Politik bewegen darf.

Wann wird das Bundesverfassungsgericht tätig?

Das Bundesverfassungsgericht wird nur auf Antrag tätig. Im Grundgesetz und Bundesverfassungsgerichtsgesetz sind die möglichen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abschließend geregelt.

Verfahren vor dem BVerfG

Die folgenden Verfahren können vor dem Bundesverfassungsgericht geführt werden:

  • Verfassungsbeschwerde: Wenn sich Bürger durch den Staat in Grundrechten verletzt fühlen.

  • Organstreitverfahren: Zur Klärung der Rechte und Pflichten oberster Bundesorgane aus der Verfassung.

  • Bund-Länder-Streit: Streit um Zuständigkeiten von Bund und Ländern im bundesstaatlichen Gefüge.

  • abstrakte und konkrete Normenkontrolle: Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm.

  • Parteiverbotsverfahren: Nur das Bundesverfassungsgericht kann Parteien verbieten.

  • Wahlprüfungsbeschwerde: Prüfung, ob das Wahlrecht bei Bundestags- und Europawahlen beachtet wurde.

Kann sich jeder ans Bundesverfassungsgericht wenden?

Mit einer Verfassungsbeschwerde kann sich jede natürliche oder juristische Person – also zum Beispiel ein eingetragener Verein oder eine GmbH – ans Bundesverfassungsgericht wenden, sofern sie eine Verletzung ihrer Grundrechte oder bestimmter grundrechtsgleicher Rechte durch die öffentliche Gewalt behauptet. Es besteht kein Anwaltszwang. Wenn es jedoch zu einer mündlichen Verhandlung kommt, dann muss sich die Beschwerde führende Person rechtlich vertreten lassen. Gemäß § 22 Absatz 1 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) kann sich der Beschwerdeführer durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, vertreten lassen.

Nutzen Sie das Merkblatt des Bundesverfassungsgerichts über die Anforderungen der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde. Möchten Sie Verfassungsbeschwerde erheben und sich dabei aber von einem Anwalt unterstützen lassen, dann finden Sie den passenden Anwalt für Verfassungsrecht auf anwalt.de.

Wichtige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Beschluss zur Bundesnotbremse II, 2021Schulschließungen waren nach der im April 2021 bestehenden Erkenntnis- und Sachlage zulässig.
Beschluss zur Bundesnotbremse I, 2021Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen waren in der äußersten Gefahrenlage der Coronapandemie mit dem Grundgesetz vereinbar.
Urteil zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, 2020Das Verbot ist verfassungswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
„Kopftuch-Beschluss“, 2015Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen ist mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nicht vereinbar.
Urteil zum „Hartz-IV-Gesetz“, 2010Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfordert die realitätsgerechte Festsetzung der Höhe von Sozialleistungen.
„Mauer-Schützen“-Entscheidung, 1996Tötungen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze können bestraft werden.
„Maastricht-Urteil“, 1993Billigung der Mitwirkung Deutschlands an der Gründung der Europäischen Union.
„Volkszählungsurteil“, 1983Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde etabliert.
„Lüth-Urteil“, 1958Entscheidung, dass sich die Wirkung der Grundrechte nicht auf das Verhältnis Bürger-Staat beschränkt, sondern auch auf das Verhältnis Bürger-Bürger ausstrahlt.
„Elfes-Urteil“, 1957Entwicklung eines umfassenden Freiheitsschutzes in Form der allgemeinen Handlungsfreiheit.

(PBI)

Warum gibt es das BVerfG?

Das Bundesverfassungsgericht wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes und die Grundrechte. Es beschützt die freiheitliche demokratische Grundordnung und soll einen Missbrauch der Verfassung, wie er in der Geschichte Deutschlands stattgefunden hat, verhindern.

Was ist das BVerfG?

Das Bundesverfassungsgericht ist nicht nur ein Gericht, sondern zugleich ein Verfassungsorgan. Die weiteren Verfassungsorgane neben dem Bundesverfassungsgericht sind der Bundestag, der Bundesrat, der Bundespräsident und die Bundesregierung.

Seit wann gibt es das BVerfG?

Das BVerfG wurde im Jahr 1951 gegründet. Zuvor trat das Grundgesetz 1949 in Kraft.

Warum ist das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe?

Den einen Grund dafür gibt es nicht. Das Gesetz über den Sitz des BVerfG hat bestimmt, dass dieser „vorerst“ in Karlsruhe sein soll. Seit 1950 befindet sich nämlich auch der Bundesgerichtshof dort. Zudem wollte man eine räumliche Distanz zur Hauptstadt schaffen. Außerdem hatte Karlsruhe den Status als Landeshauptstadt verloren und der Sitz beider obersten Gerichtshöfe sollte diesen Verlust gewissermaßen kompensieren.

Zu welcher Gewalt gehört das Bundesverfassungsgericht?

Das Bundesverfassungsgericht gehört zur Judikative.

Warum rote Roben am Bundesverfassungsgericht?

Die Richterinnen und Richter entschieden sich bei Gründung des Bundesverfassungsgerichts selbst für die Farbe Rot. Die Roben symbolisieren die Autorität und Unabhängigkeit, die sich das Bundesverfassungsgericht erst hart erkämpfen musste. Das Bundesverfassungsgericht ist das einzige Gericht, das seine Amtstracht autonom regelt (§ 64 Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG-GO).

Ist das Bundesverfassungsgericht das höchste Gericht in Deutschland?

In den fünf Gerichtsbarkeiten (ordentliche Gerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit) gibt es jeweils einen Obersten Gerichtshof, der die höchste Instanz bildet (Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht).

Dem Bundesverfassungsgericht kommt dabei eine Sonderstellung zu. Es ist zugleich Verfassungsorgan und sorgt für die Einhaltung der Grundrechte. Dazu kann es auch Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe überprüfen. Insofern kann man also sagen: Ja, das Bundesverfassungsgericht ist das höchste Gericht in Deutschland.

Foto(s): (c)Pixabay/Udo Pohlmann

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