Bußgeldverfahren: Krankheit am Tag der Hauptverhandlung

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Gar nicht so selten kommt es vor, dass der Betroffene eines Bußgeldverfahrens an der Gerichtsverhandlung, in der über seinen Einspruch gegen den vorausgegangenen Bußgeldbescheid entschieden werden soll, aufgrund einer Erkrankung nicht teilnehmen kann. Was ist dann zu tun? Kommt man ohne Entschuldigung nicht zum Termin, wird das Gericht, ohne sich mit der Sache überhaupt näher zu befassen, den Einspruch als unzulässig verwerfen (sog. Verwerfungsurteil). Das ist natürlich meistens nicht das gewünschte Ergebnis. Die Rechtslage sieht in diesen Fällen so aus:

Die Verpflichtung, als Betroffener an der Hauptverhandlung teilzunehmen, ergibt sich aus § 73 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Der Gesetzgeber hat es so gewollt. Man kann von der Pflicht zwar auf Antrag befreit werden; muss dann aber in der Regel mindestens schriftlich gegenüber dem Gericht eingestehen, der Fahrer gewesen zu sein. Das kann wiederum in vielen Fallgestaltungen ein taktischer Fehler sein.

Wegen der Abwesenheit genügend entschuldigt ist derjenige, dem es unter Berücksichtigung der Umstände und der Bedeutung der Sache nicht zumutbar oder nicht möglich ist, am Termin teilzunehmen. Dabei gilt auch, dass die Pflicht, an der Verhandlung teilzunehmen, der Regelung beruflicher oder privater Angelegenheiten grundsätzlich vorgeht. Auf eine Verhinderung wegen Urlaubs oder wegen etwaiger beruflicher Dinge soll hier aber nicht näher eingegangen werden.

Wer arbeitsunfähig ist, ist nicht automatisch auch verhandlungsunfähig!

Nicht jede Erkrankung führt dazu, dass die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung nicht zugemutet werden kann. Es sollte jedem einleuchten, dass man beispielsweise trotz Gipsbein einen Besuch im Amtsgericht absolvieren kann. Wenn man sich mit einer Krankheit entschuldigen muss, muss man daher das Gericht in die Lage versetzen, sich von dem Entschuldigungsgrund selbst eine Meinung bilden zu können. Das kann mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) nicht gelingen, denn darauf findet sich gewöhnlich nicht die Diagnose des Arztes.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist kein Attest!

Grundsätzlich wird man daher ein Attest benötigen, um gegenüber dem Gericht die Verhinderung glaubhaft zu machen. Der Weg zum Arzt ist deshalb unumgänglich. Erfahrungsgemäß neigen Ärzte dazu, eine AU auszustellen, wenn man sie um ein Attest bittet. Wer so etwas in der Praxis in die Hand bekommt, sollte sofort protestieren und um eine Ergänzung der AU um die Diagnose bitten. Ohne Angabe der Krankheit auf dem Attest wird man bei Gericht nicht weit kommen. Es genügt auch nicht, wenn der Arzt den Code der Krankheit angibt. Diesen kann man zwar im Internet nachsehen; das wissen die meisten Richter aber nicht.

Die Angabe von Verhandlungsunfähigkeit ohne Angabe der Diagnose genügt als Entschuldigung gewöhnlich nicht!

Es genügt auch nicht, wenn der Arzt ausdrücklich Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt, aber die Krankheit nicht nennt. Aktuell hat das ein Richter am Amtsgericht Bad Liebenwerda nicht akzeptiert und den Einspruch verworfen. Ob der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit einem nachgebesserten Attest Erfolg haben wird, steht noch nicht fest.

Beispiele: Vor einigen Jahren hat ein hessischer Bußgeldrichter nach der Vorlage einer AU die Verhandlung ohne Anwesenheit des Betroffenen erst begonnen, dann die Sitzung unterbrochen und auf den Nachmittag desselben Tages vertagt. In der Pause hat er die Polizei vor Ort des Betroffenen in der Lausitz gebeten, bei dem Betroffenen vorbeizufahren und nach seinem Befinden zu sehen. Kürzlich wollte ein Richter einen Mandanten aufgrund dessen Verlegungsantrags mit AU zum Amtsarzt schicken.

Wer eine Zahn-OP auf den Tag des schon bekannten Gerichtstermins legt, ist nicht entschuldigt, auch wenn der Zahnarzt in den nächsten Wochen sonst keinen Termin mehr frei hat. Wer am Vortag eine Zahn-OP hatte und am nächsten Tag noch krankgeschrieben ist, ist bei Gericht damit nicht entschuldigt.

Die Angabe und Bescheinigung einer MRT-Untersuchung am Tag der Verhandlung entschuldigt nur dann, wenn es tatsächlich eine zeitliche Überschneidung gibt. Man muss prüfen, ob nicht beides durchführbar ist.

Zur Schweigepflicht der Ärzte

Ärzte können sich auf ihre Schweigepflicht berufen und reagieren mitunter tatsächlich auch mit diesem Hinweis auf die Bitte von Patienten, ihnen die Krankheit für das Gericht zu attestieren. Das ist natürlich unsinnig, denn die Verschwiegenheitspflicht besteht nur zugunsten des Patienten und dieser kann darauf verzichten. Mit der Bitte um ein Attest übt er diesen Verzicht auch tatsächlich aus. Mit der Vorlage des Attests bei Gericht gibt er diesen Verzicht im Übrigen sogar weiter. Das Gericht kann damit weitere Erkundigungen direkt beim Arzt einholen. Mancher Richter macht davon Gebrauch, ruft beim Arzt an und stellt weitergehende Fragen. In der Rechtsprechung wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass ein Straf- oder Bußgeldrichter sogar verpflichtet ist, sich beim Arzt zu erkundigen, wenn aus dem Attest die Entschuldigung nicht eindeutig hervorgeht, was bei Vorlage einer AU ohnehin der Fall wäre. Die meisten Bußgeldrichter betreiben aber erfahrungsgemäß diesen Aufwand nicht, sondern verwerfen den Einspruch.

RA Klaus Kucklick

RA Klaus Kucklick, Fachanwalt für Verkehrsrecht, ADAC-Vertragsanwalt, Tel. (0351) 80 71 8-70, kucklick@dresdner-fachanwaelte.de

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