Cannabis Patient in der Zwickmühle zwischen Dr. Rausch, der schwarzen Königin des TüV und der Ärztekammer

  • 18 Minuten Lesezeit

Cannabis Patient unter Druck

Klassisch ist dieser Tage, dass Cannabis Patienten der Wind ziemlich ins Gesicht weht, wenn es um die Fahrerlaubnis geht. Manchmal lässt sich das alles noch mit ein paar netten Worten regeln, mal fühlt sich das eher so an, als müsste man bei dem einen oder anderen Protagonisten mal vorbei schauen zur persönlichen Vorsprache.

An Fällen, in denen die Existenz der Betroffenen durch behördliches und gutachterliches Versagen vernichtet wurden, mangelt es nicht.

Häufig ist für die Fälle kennzeichnend,  dass der betroffene Patient einer Phalanx von Gegnern gegenübersteht, bei denen Lust- und Interessenlosigkeit und falsche rechtliche und wissenschaftliche Handhabe  in nicht selten erschreckender Weise ausgeprägt sind. Man hat es mit einem ganzen Blumenstrauß an Fehlverhalten zu tun, gegen die der Betroffene ohne anwaltliche Hilfe machtlos gegenüber steht. 

Und auch aus anwaltlicher Sicht sind diese Fälle nicht selten erschreckend in ihrer Gemengelage.

An dieser Stelle sei nun ein nicht untypischer Fall vorgestellt. 

Vorhang auf, dies sind die Protagonisten:

  • Zeitloser Cannabis Arzt: Dr. Rausch aus Ulm
  • Gutachterstelle, die Cannabis generell nicht bei Schmerzen verschreiben will: TüV Süd mit der schwarzen Königin als Gutachterin
  • Behörde mit Kontrollanforderungen außer Kontrolle: Stadt Kempten
  • Ärztekammer mit langer Leine für zeitlose Ärzte: Bezirksärztekammer Südwürttemberg 
  • Schmerzpatient

Akt 1:

Ein Schmerzpatient meldet sich bei Herrn Dr. Rausch aus Ulm. Er leidet unter Schmerzen, die durch Gicht und Arthritis hervorgerufen werden. Der Arzt attestiert dem Patienten unter anderem einen "Cannabis Abusus". Darunter versteht man einen dauerhaften und kontinuierlichen Missbrauch von Cannabis, also in einen täglichen Konsum mit Suchtcharakter. 

Nun beteuert der Patient aber, er habe gar nichts gesagt, was diese Einschätzung rechtfertige. 

Ob die Verordnung von Cannabis als Medikament Sinn macht, wo doch angeblich ein Mißbrauch hinsichtlich dieser Substanz bestand, darüber streiten die Gelehrten.

In Sachen Führerschein ist das aber nicht putzig. Dazu liest man in den Begutachtungsleitinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage, S. 442, dass bei Kandidaten mit Missbrauchsvorgeschichte davon ausgegangen wird, dass Missbraucher  "u.U. auch weiterhin Cannabis sowohl legal über Verschreibung durch den Arzt erhalten als auch vom illegalen Markt besorgen. In diesen Fällen dürfte die Fahrereignung wohl bereits durch die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund der Annahme des regelmäßigen Cannabiskonsums und der Anwendung der Nr. 9.2.1. der Anlage 4 FeV verneint werden."

Will heißen: Kommt der Patient mit dem Dr. Rausch "Abusus" Stempel in ein durch die Fahrerlaubnisbehörde angeordnetes Gutachten (MPU / ärztliches Gutachten) so wird dieses negativ ausgehen. Und zwar nicht vielleicht.

Sollte der Arzt eigentlich wissen und vielleicht mal mit dem Patienten drüber reden, wie das so in Sachen Fahrerlaubnis ist und der Abusus Diagnose. Auf jeden Fall scheint viel los zu sein bei ihm und die Bude so voll, dass für eine eingehende Beschäftigung mit dem Patienten vielleicht nicht so viel Zeit ist:

Mehrere Mandanten berichteten darüber, dass vor der Praxis teilweise Schlangen von 20 - 30 Leuten waren, die offenbar im Fließbandverfahren abgefertigt werden. Da können schon mal Lappalien wie fahrerlaubnisrechtliche Feinheiten untergehen, oder? Wenn interessiert schon, wenn ein Cannabis Patient den Führerschein verliert? 

Nun denkt sich der Patient nichts böses, er ist ja Cannabis Patient und setzt  sich ins Auto. Motor an, Fuss aufs Gas und ab in die Polizeikontrolle.

Akt 2:

Fuß wieder runter vom Gas. Beamter wedelt mit Kelle. Mal ranfahren.

"Allgemeine Verkehrskontrolle. Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte"

"Bitte sehr."

"Sie wirken irgendwie nervös. Irgendwie glaube ich auch ein leichtes Augenzucken und einen Schweißtropfen auf Ihrer Stirn zu erkennen Kann es sein, dass Sie Drogen genommen haben?"

"Ich bin Cannabis Patient, hier die Nachweise" 

"Danke, wirklich nett von Ihnen, wir leiten das mal an die Führerscheinstelle in Kempten weiter, die kümmern sich dann um Sie."

Ein paar Wochen später meldet sich die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Kempten und will wissen, was Phase ist.  Man habe davon gehört, dass Cannabis als Medizin verschrieben wurde und dem muss nachgegangen werden.

Wäre nett, wenn paar ärztliche Nachweise vorlegt würden, so hieß es sinngemäß. Warum verschrieben und wieviel. Details, Details, wir brauchen mehr Details.

Eigentlich ja kein Problem so eine ärztliche Bescheinigung, die zu Compliance und Adhärenz Stellung und damit der Fahrerlaubnisbehörde respektive der Gutachterstelle die üblichen Spielwege  zustellt. 

Nur: Hier trennt die Spreu vom Weizen. Manche Mediziner sind sich der Verantwortung für Ihrer Patienten auch über den bloßen Akt des Verschreibens von Cannabis hinaus bewusst. Wer Cannabis als Medikament verschreibt, der muss wissen, dass dies nicht selten fahrerlaubnisrechtliche Fragen nach sich zieht. 

Und dem sollte man als redlicher und verantwortungsvoller Arzt Rechnung tragen durch eine möglichst genaue Dokumentation, die der Fahrerlaubnisbehörde respektive der Gutachterstelle den Wind aus den Segeln nimmt und die Eignungszweifel so gut wie möglich zerstreut. Warum? Weil der Patient sonst nämlich in den Untiefen des Fahrerlaubnisrechts und der Begutachtung durch TüV / AVUS / Dekra / PIMA absäuft und den Führerschein verliert. 

Die Fahrerlaubnisbehörde kann ohne schriftliche Stellungnahme des Arztes mit Zauberwörtern wie "Compliance" / "Adhärenz" / "Einstellungsphase beendet" / "keine Bedenken in Sachen Führen eines KFZ" / "regelmäßige Vorsprache  erfolgt" / "kein Beigebrauch von Alkohol und anderen BtM"  nicht beurteilen, ob diese Dinge vorliegen oder nicht. Logisch. Die Behörde ordnet dann bei Fehlen eines solchen Schreibens ein ärztliches Gutachten an, weil sie weiterhin Eignungszweifel hat. Und auch die Gutachterstelle kann die Fragen nicht beantworten und wird in der Regel zu einem negativen Ergebnis kommen = keine Eignung vorhanden (Folge dann = Entziehung der Fahrerlaubnis) oder Eignung kann nicht beurteilt werden (Folge dann = Anordnung MPU, wobei negatives Ergebnis bereits feststeht).

Bei der Verschreibung von Cannabis hat der Arzt eine besonders exponierte Stellung hinsichtlich seiner Therapieherrschaft. Wenn ein Arzt das nicht checkt oder nicht checken will, hat er sich die falsche Spielwiese zum Broterwerb gesucht.

Netterweise war Herr Dr. Rausch zu einem Kurzbefund zu bewegen, der unter anderem ein chronisches Schmerzsyndrom und eben den Cannabis Abusus attestierte.

Eine wie bei Cannabis Ärzten sonst übliche dezidierte Stellungnahme mit individuellen Ausführungen zu Compliance und Adhärenz usw legte der Arzt nicht vor. War halt viel zu tun. Auch auf mehrfache Nachfrage unter Verdeutlichung der Wichtigkeit war er nicht dazu zu bewegen.

Die Fahrerlaubnisbehörde tritt nun auf den Plan und will den Patienten mit einer MPU abklopfen. Eigentlich müsste ihr klar sein, dass die Eignung wegen der Sache mit dem Missbrauch gar nicht vorliegen kann und das MPU Gutachten negativ ausgehen muss. Aber immerhin fair, hier den Mandanten jedenfalls nicht direkt die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Der Vorteil aus anwaltlicher Sicht bei solchen Anordnungen ist, dass die Fragestellungen der Behörden an die Gutachterstelle oft unverhältnismäßig sind.

Wenn dem so ist, dann ist eine spätere Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage des Gutachtens rechtswidrig, weil man rechtswidrig angeordnete Gutachten nicht vorlegen muss.

Und natürlich hat man dann noch Zeit, den behandelnden Arzt zu kontaktieren und ihn zu bitten, eine ausführliche und nach Möglichkeit für den Patienten vorteilhafte Stellungnahme des Arztes einzuholen, um den Gutachtern bei der MPU viele der zu erwartetenden Laufwege zum negativen Gutachten zuzustellen. 

Sollte man eigentlich erwarten dürfen, oder? Ist vertragliche  Nebenpflicht des Behandlungsvertrags nach § 241 BGB. Und erklärt sich als guter Stil doch von selbst, oder? Nach dem Eid des Hippokrates trifft den Arzt das Gebot, den Patienten nicht zu schaden. Auch nicht durch Unterlassen erforderlicher ärztlicher Dokumentationen, die bei der Begutachtung gebraucht werden können.

Also fragt man mal an beim Arzt, wie es denn so aussieht mit einer Stellungnahme in Sachen Compliance und Adhärenz und erntet eine kurze Antwort:

"Leider aus zeitlichen Gründen nicht möglich, Sie können gerne die Arztbriefe des Patienten erhalten."

Akt 3:

Anwalt mag so eine Verweigerungshaltung nicht und hakt nach. Logo: Der Mandant soll ja nicht den Führerschein verlieren und irgendwie schreit der Widerspruch zwischen dem attestierten Abusus und der Verschreibung des Cannabis doch irgendwie nach klärenden Worten. Logisch ist das nämlich eben nicht. 

Außerdem ist ein dahin gerotztes "keine Zeit" keine akzeptable Antwort, wenn der Führerschein in Gefahr ist. Also so gar nicht akzeptabel. Mieser Stil. Und überhaupt: Soll ich dem Mandanten sagen: "Sorry, der Typ ist ausgebucht, gib den Lappen doch einfach ab. Der Arzt hat eben keine Zeit und Radfahren ist eh viel gesünder".

Vielleicht soll ich dem Mandanten auch einfach eine Vollmond Meditation in Spielart des Himalaya Yoga empfehlen. Kann man bei dem vielbeschäftigen Medicus ja auch buchen. Ein Yoga Lehrer ohne die ausreichende Empathie für die Belange seiner Patienten. Der schöne Schein, der bunte esoterische Federschmuck: Selten so ein wertloses Muster gesehen.

Aber jetzt runter von den Gipfeln des Himalaya in die tiefen Täler und Gräben des Fahrerlaubnisrechts. Hier sollte der Arzt mal sein Senklot reinrauschen lassen. Und vielleicht der Bedeutung des Wortes "Empathie" auf den Grund gehen. 

"Leider aus zeitlichen Gründen nicht möglich".

Die Fahrerlaubnisbehörde hatte hingegen noch etwas Zeit. Und stellte eine ein paar Fragen, die Sie gerne beantwortet hätte vom TüV Süd: Wie verhält es sich denn nun mit Compliance und Adhärenz und so? 

Problem: Das kann ohne ausführliche ärztliche Stellungnahme des behandelnden Arztes nicht beantwortet werden. 

Bei der Formulierung der Fragestellung an die Gutachterstelle ließ sich die Fahrerlaubnisbehörde nicht lumpen. Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser, so sagt ein altes Sprichwort:

Der Fahrerlaubnisbehörde weiß zwar bereits aufgrund des Rezepts, dass der Mandant 2-3 x am Tag konsumieren soll (Gesamtmenge 0,6 Gramm / Tag) aber man kann natürlich fragen, ob der Konsum auch überwacht ist.  Stell ich mir ja ganz amüsant vor, wenn der überwachte Patientzur Intoxitationsrisikoverminderung 3 x täglich dem Herrn Doktor die Bude voll vaporisiert. Vielleicht ab und zu zum Vollmond, um dem Höhenrausch des Himalaya näher zu kommen...

Komische Fragestellung der Fahrerlaubnisbehörde. Und wohl wenig praktikabel oder sprechen wir mal klare Worte: Wie kommt man auf sowas? 

Kein Tag, an dem man sich nicht fragt, ob man irgendwie gerade einen Backflash hat oder ob das wahr ist, was man da so lesen muss.

Wenn man eine Substanz wie Cannabis einerseits für ein schlimmes Betäubungsmittel erklärt und sich andererseits irgendwelche Fragen ausdenken muss, warum und unter welchen Umständen die gleiche Substanz nunmehr ein gutes Medikament sein soll, ist natürlich vorprogrammiert, das man so stark verrenken muss, bis es knackt im Gebälk.  

In der  nicht eben kurzen Reihe sonderbarer Fragen ist die Frage eines überwachten, täglichen 2-3 fachen Konsums allerdings reif für die Spitzenplätze.

Soll der Mandant jetzt 2-3 x am Tag zum Himalaya Doktor Rausch fahren und sich da in der Höhenluft mit dem Vaporizer auf Level rau(s)chen? Unter Aufsicht seines Therapie Regenten, der offenbar auf Dokumentation der Therapieerfolge wenig wert legt? Was soll dabei denn rauskommen?

Das ist leider -man muss es so hart sagen- nicht in den gewünschten sphärischen Einklang mit der Realität zu bringen. Wir wissen warum:

"Leider aus zeitlichen Gründen nicht möglich"

Der Mandant  macht also die MPU, in der Hoffnung, dass die im Tonfall immer schärfer werdenden Appelle seines Anwalts an den Arzt  vielleicht Früchte tragen und man bei der MPU eine ausführliche Stellungnahme noch nachreichen kann. Sieg der Vernunft, lichter Moment oder wie man das auch immer nennen mag. 

Aber man ahnt es bereits: So einfach ist das nicht. Paar Wochen Verschnaufpause, bis der -immer wieder überraschende- TüV Süd sich zu Wort meldet in persona einer wahrhaft schillernden Persönlichkeit aus der Begutachtungszene:

Prof. Lydia Hartl: Die ehemalige schwarze Königin aus dem Haus des Schreckens

Die gefallene schwarze Königin - ehemalige Kulturreferentin aus dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Dieses Referat trug zu ihrer Amtszeit den verheißungsvollen Namen "Ministry of Fear".

In München nicht mehr wohlgelitten und nunmehr verdammt in die Niederungen der Begutachtungsszene. Eine interessante Wahl des TüV Süd. Fingerspitzengefühl auf süddeutsche Art.

Ich zitiere aus der Süddeutschen Zeitung vom 17.05.2010:

  • "Intern wird die Etage, auf der Lydia Hartl residiert, nur noch die "Geisterbahn" genannt."
  • "Kollegen würden ohne ersichtlichen Grund kaltgestellt oder strafversetzt. Spricht man Lydia Hartl auf diesen Brief an, sinkt die Raumtemperatur auf Minusgrade, und ihre Königsgemächer werden zum Eispalast."
  • "Der Brief bestätigt nur, was auch die gesamte Münchner Kulturszene beklagt: Dass Lydia Hartl nicht mit den Leuten spricht, Personen behandelt wie Verschiebemasse, Gelder umleitet und selbstherrlich Institutionen schließt wie weiland Gräfin von Landsfeld. Sie gilt als wetterwendisch und unberechenbar. "Wie sie einen einwickelt mit ihren Samtblicken, sich dann umdreht und die Messer wetzt, das hat schon Shakespearesches Format", sagt eine ehemalige Mitarbeiterin des Kulturreferats. Kaltblütig und mit offener Lust am Zerstören könne sie Untergebene absägen, Kritiker wegbeißen und das Fußvolk der Kulturszene abstrafen. Während sie anderen vorzugsweise Wagenburgmentalität vorwirft, igelt sie selbst sich mit einem kleinen, er gebenen Kreis in der Geisterbahn ein, eine Kultur-Domina hinter Panzerglas. "
  • "Umgekehrt sagt ein Münchner Mediziner, der beruflich mit Hartl zu tun hatte, sie sei auf medizinischem Gebiet "eine Blenderin", deren akademisches Dekor in krassem Gegensatz zu ihren "klinischen Defiziten" stünde. Ihre Patchworkbiographie ist von schroffen Brüchen und kalten Abschieden geprägt."
  • "So wenig sich Lydia Hartl greifen lässt, zwei Dinge sind unbestreitbar: Ihre Unfähigkeit zu kommunizieren und ihre Planlosigkeit. "

Der ehemalige Münchener Bürgermeister gab dann noch in Bezug auf die Dame zu verstehen:

"Wenn Beratungsresistenz eine Qualität ist, liegt sie hier hochkarätig vor." 

Also wenn man mich fragt: Wie ein Bewerbungsschreiben für einen Job als MPU Gutachterin liest sich das nicht zwingend. Liest sich eher so, als könnten zwischenmenschliche Defizite vielleicht eine andere Tätigkeit nahelegen. Aber beim TüV Süd sehen das die Entscheidungsträger offenbar anders und nun ist nicht sehr zu raten, wer meinem Mandanten als Gutachterin gegenüber saß.

Kein einfacher Job für den Mann. Harte Gegenspielerin. Harte Bandagen. Nicht wirklich überraschend, dass man überraschendes zu lesen bekam:

Nun wird also eine Studie zur Rettung der Fertigarzneimittel aus dem Hut gezaubert.

Man solle Cannabis Kraut nicht rauchen bei chronischen Schmerzen (hier S. 133 Nr. 3.3.4.2)

Fadenscheiniges Argument aufgrund "Expertenwissen"  sei ein höheres Suchtpotential.

Will heißen:

Der Mandant konnte das Gutachten beim TüV Süd bei dieser Gutachterin gar nicht positiv abschließen, weil er medizisches Cannabis inhalativ konsumieren sollte nach ärztlicher Verschreibung. Und an die soll man sich auch halten - sonst: negatives Gutachten. Zwickmühle? Ja. 

Zwar kann man zur positiven Wirkung von inhalativ konsumierten Cannabis bei chronischen Schmerzpatienten an anderer Stelle viel positives lesen - warum aber den Streitstand darstellen, wenn man einfach irgendeine für den Betroffenen negative Studie herausziehen kann und damit der Weg zum negativen Gutachten schnell geebnet ist? 

O-Ton  schwarze Königin im Gutachten:

"Nach der Leitlinie Cannabis in der Neurologie ist allerdings ein chronisches Schmerzsyndrom keine Indikation für den Einsatz von Cannabis".

Zwar gibt es Studien, die deutlich aufzeigen, dass das Cannabis bei chronischen Schmerzsyndrom sehr wohl deutliche Linderung der Symptomatik hervorruft. Aber klar: Deswegen muss man noch lange nicht von einer Indikation sprechen. Sie kommen nicht mehr mit? Ich auch nicht!

Nachvollziehbar ist aber die Frage der Gutachterin, wie die Diagnose "Cannabis Abusus" des Herr Dr. Rausch zustande gekommen sei. Das weiß allerdings nur der Arzt, denn der Mandat beteuert, er habe ihm nichts von einem täglichen Konsum erzählt. Und den wird man für einen Missbrauch wohl fordern müssen.

Und logisch zwingend: Wenn man "Expertenwissen" bemüht, mit welchem man bei chronischen Schmerzen eine erhöhte Suchtgefahr herbeiredet, dann macht sich der Vermerk des behandelnden Arztes, es bestehe ein Cannabis Abusus (=Missbrauch) nicht eben gut. 

Sollte das ein Cannabis Arzt wissen? Ja. Sollte er. Und er sollte seinen Patienten darüber aufklären. Aber (Sie ahnen es schon):

"Leider aus zeitlichen Gründen nicht möglich"

Ein dezidierte ärztliche Stellungnahme zu Behandlungshintergrund und -erfolg ist bereits deshalb immer wichtig, weil sich die Fahrerlaubnisbehörde häufig damit zufrieden gibt und keine Begutachtung mehr anordnet. Wenn sie es doch tut, dann kann man den Gutachtern mit sehr genauen schriftlichen ärztlichen Auskünften weitgehend den Wind aus den Segeln nehmen.

Herrn Dr. Rausch interessieren diese weltlichen Belange offenbar wenig bis gar nicht. Natürlich wurde er aufgefordert, mal ein Schreiben anzufertigen. Compliance, Adhärenz - paar Keywords auf der fahrerlaubnisrechtlichen Klaviatur. Sollte doch für feingeistige Yogis kein Problem sein. Dachte ich. Dachte der Mandant. 

"Leider aus zeitlichen Gründen nicht möglich". 

Was gehört in so ein Schreiben des Arztes rein (vorausgesetzt es handelt sich um einen verantwortungsvollen Arzt, der sich für seine Patienten einsetzt und sich die Zeit nimmt)?

Wenn man es kurz und knapp und unter etwas copy and paste innerhalb weniger Minuten zusammenbasteln will, könnte so ein Schreiben eines Arztes etwa so aussehen:

Das ist ein Beispiel von einem anderen Mandanten. Ausgefüllt von einer Vertragsärztin von Algea Care.  

Und was liest man da? Auch deren Patient ist chronischer Schmerzpatient und es geht ihm viel besser, seit er Cannabis inhaliert mittels Vaporizer. Obwohl wir laut Gutachterin des TüV ja wissen: Nur weil ein Mittel gegen chronische Schmerzen, ist die Behandlung solcher Schmerzen noch lange nicht indiziert. Der Patient könnte ja gegen die chronischen Schmerzen dann ja chronisch Cannabis konsumieren und das gilt es zu vermeiden.

Das Fahrerlaubnisrecht in seinen Auswüchsen. Man kommt logisch nicht mehr hinterher.

Algea Care hat das Rad mit den ärztlichen Stellungnahmen gewiss nicht neu erfunden. Ist aber angenehm zu sehen, dass sich nicht alle Ärzte so wie Dr. Rausch vor ihrer Verantwortung den Patienten gegenüber drücken.

Dr. Rausch hatte nach wie vor keine Zeit. Die Entziehung der Fahrerlaunis drohte wohlgemerkt die ganze Zeit wegen des negativen Gutachtens. Und das war natürlich negativ. Hier mal ein paar Auszüge:

Die Gutachterin attestiert Herrn Dr. Rausch, dass bei vorausgegangen Cannabismissbrauch die Verschreibungen von Cannabis grundsätzlich kontraindiziert sei. Auch fehlt es für eine genauere Einschätzung an dem Schreiben des Dr. Zeitlos-Rausch.

Mandant reicht meine Kommunikation mit Dr. Rausch an den TüV. Nachdem von Dr. Rausch weder mit guter Zurede noch mit Druck irgendwas erreicht werden konnte, wandte ich  mich an die zuständige Ärztekammer - in der naiven Hoffnung, Herrn Dr. Rausch vielleicht auf diesem Weg zu Fairness seinem Patienten gegenüber zu bewegen. 

Das Ergebnis des Gutachtens lag zwischenzeitlich vor:

Die Medikamenteneinnahme erfolgt also nach Aktenlage und fehlenden Statement von Herrn Dr. Rausch nicht überwacht. Und zudem ist nach der Auffassung der Gutachterin eine Indikation nicht nur deshalb gegeben, weil jemand chronische Schmerzen hat und Cannabis mittels Vaporizer dagegen gut hilft. Und klar: Das Intoxikationsrisiko durfte nicht fehlen.

Will heißen: Ohne den behördlichen angeordneten überwachten Konsum jedes einzelnen Konsumvorgangs im Rahmen der Therapie besteht ein unvermindertes oder ausgeschlossenes Vergiftungsrisiko. 

Da wird man sich vielleicht belustigt die Frage stellen, wie das denn klappen soll, wenn Herr Dr. Rausch so schon zeitlich offenbar am Limit ist. Vielleicht mal Pensum runterfahren, so dass man seinen Aufgaben gerecht werden kann? 

Akt 4:

Der Kontakt mit der Ärztekammer.  X Mails hingeschrieben. Auf Fristsetzungen dem Arzt gegenüber gepocht, mit Strafanzeigen gedroht usw. - im Ergebnis nicht vorangekommen und ob die Kammer hier ihre Aufsicht richtig ausübt, darüber kann man geteilter Meinung sein.

Exemplarisch ein Brief der Kammer:

Der Arzt gibt also zu verstehen, dass er grundsätzlich keine Stellungnahmen abgibt.

Ohne das Vorliegen einer solchen Stellungnahme wird die Fahrerlaubnisbehörde aber immer eine Begutachtung anordnen, weil ihre Eignungszweifel nicht ausgeräumt wurden.  Es gibt keine Chance, die Begutachtung zu umgehen, wenn man die ärztliche Stellungnahme nicht vorlegt.

Und dieses Gutachten wird ein Betroffener in der Regel nicht bestehen, weil über Compliance und Adhärenz wenig gesagt werden kann ohne die Stellungnahme des behandelnden Arztes vorliegt.

Und dann schreibt die Kammer, dass für sie nicht klar ist, warum der Mandant auf die Stellungnahme angewiesen ist. Da bieten sich die Beteiligten wirklich einen Überbietungswettbewerb. 

Man kann also davon ausgehen, dass die Problemtiefe den Hausjuristen bei der Ärztekammer nicht bekannt ist.

Und klar bitten die dann um Verständnis, dass das Verfahren gegen Dr. Rausch nun beendet werden soll.

Dafür fehlt mir aber leider jedes Verständnis und natürlich gingen noch Schriftsätze. Und siehe da: Ein Wunder! Aus der Tiefe der Zurückziehung Lebenssignale des vormals so gescholtenen Dr. Rausch.

Seine Stellungnahme (entscheiden Sie selbst, ob zB die von Algea Care nicht ein wenig mehr Interesse am Patienten erkennen lässt):

Für die Kammer hat der gute Mann damit seine Pflicht erledigt. Zwischen Hippokratischen Eid und ärztlichen Offenbarungseid besteht eigentlich ein großer Unterschied. So groß ist der Graben dazwischen, das man ihn eigentlich nicht übersehen kann. Es sei denn, man will nicht genauer hinschauen. 

Lustig dann noch das Angebot des Dr. Rausch, er könnte mir eine Stellungnahme zum Cannabis Abusus schreiben gegen Vorkasse. Zwar schuldet er die Stellungnahme als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag ohnehin - aber warum nicht nochmal Kohle abgreifen?

Kurzfassung:  

  • Fahrerlaubnisbehörde ordnet     Gutachten an mit sonderbarer Fragestellung (überwachter Konsum).     Die Anordnung des Gutachtens war nicht vermeidbar, da der Arzt keine     Zeit hatte und das halt generell nicht macht. Er pfeifft drauf. Die Zweifel der     Behörde konnten deshalb aus seiner Zeit- und Sorglosigkeit nicht  zerstreut werden.    

  • Der Arzt macht nicht, was er   machen müsste und was v.a. geboten wäre bei einem über    finanzielle Aspekte hinausgehenden Interesse an seinem Patienten.     Er reitet ihn durch Untätigkeit erst richtig rein und fühlt sich  noch im Recht. Er hat halt keine Zeit, so lapidar soll der Patient  abgespeist werden.  Da ballt sich die Faust in der Tasche.

  • Die Gutachterin mit der besonderen     Visitenkarte sucht sich eine für den Mandanten ungünstige   "Experten" Meinung aus - wer chronischer Schmerzpatient ist,     darf wegen Suchtgefahr auch dann nicht inhalativ konsumieren, auch wenn     das Cannabis hilft wegen der Gefahr des chronischen Konsums.  Fertig     ist das negative Gutachten. Und überhaupt: Wenn der Arzt den Konsum     nicht beobachtet, droht überhaupt Cannabis Vergiftung. Warum     begutachtet man einen Betroffenen eigentlich, wenn von vornherein    klar ist, dass das Gutachten negativ ausgehen muss?    

  • Die Ärztekammer erkennt offenbar die Zusammenhänge nicht,     sonst würde nicht unwissend-naiv gefragt werden, warum der Betroffene auf die     Stellungnahme angewiesen ist. Ärztliche Stellungnahme?Angewiesenheit? Die Kammer hat offenbar nicht genug Ahnung, wie sich     aus ihren Stellungnahmen ablesen lässt. Der fahrerlaubnisrechtliche     Kontext ist offenbar nicht hinreichend bekannt. Es ist nicht     bekannt, wie sich das desaströse Verhalten solcher Ärzte wie Herrn     Dr. Rausch im fahrerlaubnisrechtlichen Eignungsverfahren auswirkt.     Wie soll ohne genaue Kenntnis der fahrerlaubnisrechtlichen Zusammenhänge die Aufsichtspflicht korrekt ausgeübt werden?

Man kann hier und in vielen anderen Fällen nur die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Dass hier Existenzen an Fahrerlaubnissen hängen, dass es um Schicksale geht - scheint niemanden so Recht zu interessieren.

Mal sehen, wie es weiter geht.

Foto(s): RA Björn Schüller

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