Coronabedingte Kündigung wirksam?

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Die Corona-Pandemie hat in vielen Unternehmen einen massiven Rückgang der Auftragslage bis hin zu einer Bedrohung derer Existenz zur Folge. Während einige Arbeitgeber dies mit dem Einführen von Kurzarbeit „abpuffern“, erwägen andere Arbeitgeber eine sog. coronabedingte Kündigung. Ob und wann eine solche wirksam ist, zeigen wir nachstehend auf.

Arbeitsrechtliche Grundsätze gelten trotz Corona-Pandemie

Begründet der Arbeitgeber die Kündigung „coronabedingt“ (also mit der Corina-Krise), hat dies zunächst keine rechtliche Bedeutung. Denn trotz der Corona- Pandemie gelten die bisherigen arbeitsrechtlichen Grundsätze. Hiernach ist eine ordentliche Kündigung nur dann, wenn sie sozial gerechtfertigt ist, d. h. betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingten Kündigungsgründe vorliegen, wirksam. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, d. h., der Arbeitnehmer bereits länger als sechs Monate beim Arbeitgeber tätig ist und dort mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Zudem muss der Arbeitgeber auch weiterhin bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung die für das Arbeitsverhältnis geltenden ordentlichen Kündigungsfristen beachten.

Arbeitnehmer können auf den Erhalt einer Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage reagieren. Diese kann und muss- trotz der Corona-Pandemie – nur binnen drei Wochen ab Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht erhoben werden. Nur in engen Ausnahmefällen/unter strengen Voraussetzungen kann eine Kündigungsschutzklage auch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist nachträglich zugelassen werden

Personenbedingten Kündigung:

Personenbedingte Kündigungsgründe, die auf Covid-19 bzw. die Erkrankung am Coronavirus zurückzuführen sind, dürften grundsätzlich nicht zu einer sozialen Rechtfertigung/Wirksamkeit der Kündigung führen; denn wenn der Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt und daher arbeitsunfähig ist, wird dies in der Regel nur vorübergehender Natur sein. Die sog. negative Gesundheitsprognose, die der Arbeitgeber vor Ausspruch der personenbedingten Kündigung durchführen muss, wird daher in der Regel nicht das Ergebnis haben, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung dauerhaft nicht erfüllen kann. Es kommt zwar immer auf die Einzelfallumstände an – jedoch: Selbst wenn der Arbeitnehmer sich mit dem Coronavirus infiziert hat und länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt ist, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der personenbedingten Kündigung das sogenannte Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) Durchführung. Andernfalls besteht für ihn die Gefahr, dass die personenbedingte Kündigung unverhältnismäßig (und daher unwirksam) ist. Zudem muss eine Kündigung immer verhältnismäßig sein, d. h. das mildeste Mittel darstellen.

Fehlt der Arbeitnehmer, weil er am Coronavirus erkrankt und daher arbeitsunfähig ist, so stellt dies kein unentschuldigtes Fehlen dar, wenn er dem Arbeitgeber lückenlos und rechtzeitig die Arbeitsunfähigkeit meldet und nachweist (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung).

Verhaltensbedingte Kündigung:

Eine „coronabedingte“ Kündigung, die auf das Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen, setzt u. a. voraus, dass der Arbeitnehmer gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen hat.

Kommt der Arbeitnehmer z. B. aus Angst davor, sich zu infizieren, nicht zur Arbeit, erscheint er infiziert zur Arbeit oder verweigert er anderweitig beharrlich die Arbeitsleistung, kann dies einen Verstoß gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und ordentliche oder sogar fristlose verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen. Dies insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer wegen seines Verhaltens zuvor abgemahnt wurde und das Fehlverhalten wiederholt.

Betriebsbedingte Kündigung: 

Eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist die „wahrscheinlichste“ sog. coronabedingte Kündigung. Allerdings ist hier wie folgt zu differenzieren:

Betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der Kurzarbeit: Ist bereits Kurzarbeit eingeführt, so ist eine betriebsbedingte Kündigung jedenfalls dann sozialwidrig und unwirksam, wenn die betriebsbedingte Kündigung auf denselben Gründen beruht, die zur Kurzarbeit geführt haben; denn eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt (wirksam), wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen. Zudem fehlt es bei Kurzarbeit an dem Erfordernis des dauerhaften Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs.

Ausnahme: Eine betriebsbedingte Kündigung kann trotz Kurzarbeit wirksam sein, wenn über die Gründe hinaus, die zur Einführung der Kurzarbeit geführt haben, weitergehende inner- oder außerbetriebliche Umstände vorliegen, sodass die Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers dauerhaft entfällt.

Darüber hinaus ist eine betriebsbedingte Kündigung nur dann wirksam, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Zudem ist die sogenannte Sozialauswahl zu beachten/durchzuführen.

Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen können, liegen hingegen dann vor, wenn der Auftragsrückgang zu einem dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes führt. Die Dauerhaftigkeit ist somit eines der entscheidenden Kriterien. Die Dauerhaftigkeit dürfte nicht vorliegen, wenn die „Schieflage“ des Unternehmens entfällt, so die Pandemie überwunden und die Auftragslage wieder normal ist. Im Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung müsste der Arbeitgeber somit bereits prognostizieren, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist dauerhaft entfallen sein wird. Insbesondere bei Arbeitsverhältnissen, bei denen eine längere ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten ist, dürfte diese Prognose eher schwierig und eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam sein. Zudem muss der Arbeitgeber die Sozialauswahl ordnungsgemäß durchführen und es darf auch kein milderes Mittel als die ordentliche betriebsbedingte Kündigung existieren. Ein milderes Mittel könnte z. B. eine Änderungskündigung sein, mittels derer der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen/Konditionen anbieten kann.

Fazit:

Die arbeitsrechtlichen Grundsätze gelten trotz der Corona-Pandemie weiter. Sollten Sie eine Kündigung erhalten, ist dringend anzuraten, die von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht rechtlich überprüfen zu lassen.

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