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Das Bestehen von Vorsorgevollmachten ist auch bei der Testamentsgestaltung zu berücksichtigen

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Missbrauch von Vorsorgevollmachten zu Lasten der testamentarischen Erben

Trans- und Postmortale Vollmachten und Testamente sollten aufeinander abgestimmt sein, um kein Chaos im Erbfall zu verursachen - Hintergrund ist, dass der Inhaber einer trans- oder postmortalen Vorsorgevollmacht (Bevollmächtigter) faktisch so viel tun kann, wie ein Erbe.

Beispiel: Die Mutter erteilt ihrer Tochter eine notariell beurkundete trans-mortale Vorsorgevollmacht mit dem Recht, die Immobilien im Vermögen der Mutter zu kaufen und zu verkaufen. Zugleich errichtet die Mutter ein notariell beurkundetes Testament. Als Alleinerbe wird der Sohn benannt. Nach dem Tod der Mutter und Eröffnung des Testaments verkauft die Tochter das Immobilienvermögen auf Basis der Vorsorgevollmacht. Den Verkaufserlös lässt die Tochter ins nicht-europäische Ausland transferieren.

Was ist passiert: Rechtstechnisch handelte die Tochter auf Basis der Vorsorgevollmacht für den bekannten Erben. Weil das Testament notariell beurkundet war, brauchte die Tochter für den Notartermin nur die Vorsorgevollmacht. Nach der derzeitigen Rechtsprechung brauchte das Grundbuch auch nicht erst den Erben eintragen. Denn der Erbe ergab sich aus dem Testament. Mit der Vorsorgevollmacht war die Tochter damit ausreichend legitimiert. Der neue Käufer wurde in das Grundbuch eingetragen. Wohin und an wen der Verkaufserlös ging, wird von niemandem geprüft. Der Erbe hat zwar ein Recht auf Auszahlung des Verkaufserlös. Effektiv wird er es aber nicht durchsetzen können, es sei denn die Tochter hat noch anderes Vermögen im Inland.

Vorsicht bei erbrechtlicher Nebenwirkung einer Vorsorgevollmacht

Es kann aber auch für den Bevollmächtigten problematisch sein, die Vorsorgevollmacht zu nutzen.

Beispiel: Der Vater erteilt seinem Sohn eine trans-mortale Vorsorgevollmacht mit dem Recht, die Immobilien im Vermögen zu kaufen und zu verkaufen. Der Vater setzt den Sohn als Miterben zusammen mit seiner Lebensgefährtin ein. Der Vater verstirbt und hinterlässt zwar die Immobilien aber auch hohe Schulden. Unter dem Druck der Gläubiger verkauft der Sohn auf Basis der Vorsorgevollmacht einen Teil der Immobilien, den Verkaufserlös lässt er aber auf sein eigenes Bankkonto überweisen, um es später den Gläubigern zu überweisen. Erst später erfährt er, dass er das Erbe hätte ausschlagen können und evtl. noch einen Pflichtteil bekommen hätte.

Was ist passiert: Der Sohn agierte hier in seiner Rolle als Vorsorgebevollmächtigter und verkaufte einen Teil der Immobilien. Weil er meint, die Schulden des Vaters bedienen zu müssen, lässt er den Verkaufserlös auf sein Konto überweisen. Aus der Überweisung auf das eigene Konto folgert das Oberlandesgericht Saarbrücken im Urteil vom 10. Mai 2023, Az. 5 U 57/22 (da im Fall eines Vermächtnisses), dass darin die Annahme der Rechtsstellung liege. Denn zwar agierte der Sohn auf Basis der Vorsorgevollmacht, aber weil er den Verkaufserlös, der eigentlich in den Nachlass als Ersatz für die Immobilie fällt, hat sich der Sohn eines Teils des Nachlasses angeeignet. Damit wurde er zum Erben und haftet für alles. Er könnte sich jetzt nur mit der Miterbin durch Nachlassverwaltung bzw. Dürftigkeitseinrede retten – eine Anfechtung der Erbschaftsannahme wäre möglich, aber schwierig, weil wohl kein Irrtum über die Verschuldung des Nachlasses vorliegt.

Fehlervermeidung schon vor dem Erbfall / Erstellung der Vollmachten

In beiden Fällen hätten die testierenden Eltern etwaige Fehler in der Abwicklung des Nachlasses bei der Erstellung der Vorsorgevollmacht berücksichtigen müssen.

So hätte die Mutter im ersten Beispielsfall die Vollmacht so ausgestalten können, dass die Tochter nach dem Tod der Mutter nur mit Zustimmung des Sohnes, dem Alleinerben, agieren darf. 

Im zweiten Beispielsfall hätte der Vater wiederum durch testamentarische Gestaltung schützen können.

Eine weitere Fehlerquelle von Vorsorgevollmachten mit Wirkungen nach dem Tod liegen darin, wenn der Erblasser die Testamentsvollstreckung angeordnet hat und Testamentsvollstrecker und der Bevollmächtige personenverschieden sind, aber dieselben Kompetenzen haben. 

Dann ist es denkbar, wobei der Einzelfall sehr maßgeblich ist und die Auslegung des Testaments und der Vollmacht erforderlich ist, dass beide gleichberechtigt, über den Nachlass zu verfügen (BGH, Beschluss, 14. September 2022, Az. IV ZB 34/21). 

Eine gesetzliches Ranganordnung zwischen Testamentsvollstreckung und Bevollmächtigten aus einer trans/post-mortalen Vorsorgevollmacht gibt es nämlich nicht. Sprich, beide könnten alles tun, ohne sich abstimmen zu müssen, sofern sich aus dem Erblasserwille, der eben aus den vorliegenden Dokumenten zu ermitteln ist, sich nicht etwas anderes ergibt – das Durcheinander ist vorprogrammiert; solange der Erbe/die Erben gemeinsam die Vollmacht noch nicht widerrufen haben.

Daher ist die Empfehlung stets, Testament und Vorsorgevollmachten aufeinander abzustimmen.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zur Testamentsgestaltung oder zu Auseinandersetzungen im Erbfall haben.

Foto(s): Johannes Meger

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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