Das neue Testament: Erbunwürdigkeit durch Straftat gegenüber der Allgemeinheit
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Zusammenfassung:
In meinem Rechtstipp Erbunwürdigkeit und Pflichtteilsentzug habe ich geschildert, unter welchen Voraussetzungen ein Erbe für erbunwürdig erklärt und unter welchen Voraussetzungen einem pflichtteilsberechtigten Erbe der Pflichtteil entzogen werden kann.
In diesem Beitrag geht es nicht um eine Erbunwürdigkeit infolge einer Straftat gegenüber dem Erblasser bzw. gegenüber dem Nachlass. Es geht um eine Erbunwürdigkeit infolge einer Straftat gegenüber den Miterben und vor allem gegenüber der Allgemeinheit (dem Rechtsverkehr), nämlich wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkundung.
Das alte und das neue Testament
Das Landgericht Kassel hatte folgende Klage einer Erbin gegen ihre Schwester und Miterbin auf Feststellung der Erbunwürdigkeit zu entscheiden:
Das alte Testament
Die Erblasserin (Mutter) hatte mit ihrem Ehemann (Vater) ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in welchem die Eheleute sich gegenseitig als alleinige Erben einsetzten und die drei Töchter als Erbinnen nach dem letztversterbenden Elternteil.
Das Testament war von der Mutter geschrieben und von beiden Ehegatten unterschrieben worden.
Der Vater starb. Das Testament der Eheleute wurde, wie üblich, vom Nachlassgericht eröffnet und Kopien hiervon der späteren Erblasserin und ihren drei Töchtern zugestellt.
Hierzu eine Anmerkung:
Ein gemeinschaftliches Testament verbleibt nach der Eröffnung beim Nachlassgericht. Es wird nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten erneut eröffnet und den Beteiligten in Kopie zugestellt.
Das neue Testament
Kurz nach dem Tod der Mutter brachte eine der Töchter (im folgenden „die Täterin“) einen verschlossenen Briefumschlag zum Nachlassgericht. Das in dem Umschlag enthaltene Testament der Mutter, das neue Testament, wurde vom Nachlassgericht gemeinsam mit dem Testament der Eheleute, dem alten Testament, eröffnet. Es lautete wie folgt:
„Ich hinterlasse meiner Tochter …. mein gesamtes Vermögen … als allein Erbin.“
Nachdem die Täterin den Testamentseröffnungsbeschluss mit den Kopien der Testamente erhalten hatte, beantragte sie beim Nachlassgericht die Erteilung eines Alleinerbscheins nach der Erblasserin aufgrund des neuen Testaments.
Hierbei versicherte sie, wie es vom Gesetz vorgesehen ist, an Eides statt, dass das neue Testament von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden sei, wie es das Gesetz ebenfalls vorsieht.
Das Nachlassgericht fand den Fehler
Dem Nachlassgericht war aufgefallen, dass die Handschrift des neuen Testaments (angeblich die Handschrift der Erblasserin) nicht mit der Handschrift des alten Testaments (definitiv die Handschrift der Erblasserin) übereinstimmte.
Tatsächlich war das neue Testament in der Handschrift der Täterin verfasst und mit einer undeutlichen Handschrift versehen worden.
Die Schwestern mussten nun vom Nachlassgericht zu dem Erbscheinsantrag angehört werden. Die Empörung der beiden lässt sich vermuten. Allerdings ist nur eine der Schwestern hiergegen zu Felde gezogen und hat die Feststellung der Erbunwürdigkeit der Täterin vor dem Landgericht beantragt.
Das Landgericht bestätigte die Erbunwürdigkeit
Das Landgericht hatte zu entscheiden, ob die Täterin erbunwürdig war, weil sie sich hinsichtlich „einer Verfügung“ der Erblasserin wegen eines Urkundsdeliktes (z.B. Urkundenfälschung, mittelbare Falschbeurkundung, Urkundenunterdrückung) strafbar gemacht hatte.
Vor dem Landgericht ließ die Täterin sich dahingehend ein, dass die Erblasserin an sie herangetreten sei mit der Bitte, ihr bei der Errichtung eines neuen Testaments zu helfen, in welchem sie die Täterin zur Alleinerbin einsetzen wollte. Sie, die Täterin, habe der Erblasserin genau erklärt, welchen Inhalt das neue Testament haben müsse und dass es unbedingt vollständig mit der Hand geschrieben und unterschrieben werden müsse. Sie, die Täterin, habe einen Entwurf geschrieben und die Erblasserin gebeten, diesen abzuschreiben und zu unterschreiben. Die Erblasserin habe versichert, dies zu tun, und der Täterin später den Umschlag gegeben mit der Bitte, diesen beim Nachlassgericht abzugeben. Die Täterin habe nicht gewusst, dass die Erblasserin den Entwurf nicht etwa abgeschrieben, sondern nur unterschrieben habe. Das sei ihr erst bewusst geworden, als sie die Testamentskopie vom Nachlassgericht bekommen habe.
Das Landgericht hielt der Täterin vor, dass sie durchaus gewusst habe, dass das Testament nicht aus der Hand der Erblasserin stammte und damit formunwirksam war. Und dennoch habe sie einen Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins nach der Erblasserin gestellt. Dieses Verhalten stelle eine mittelbare Falschbeurkundung dar: Die Täterin habe das Nachlassgericht dazu bringen wollen, einen falschen Erbschein auszustellen. Diese Tat sei wegen der Aufmerksamkeit des Nachlassgerichtes zwar im Versuchsstadium stecken geblieben. Aber auch der Versuch eines Urkundsdeliktes habe eine Erbunwürdigkeit zur Folge.
(LG Kassel, Urteil v. 03.08.2022, Az. 6 O 542/22, ZErb 2023, 152 f.)
Fazit: Eine Testamentsfälschung ist dumm
Dummer Versuch…..
Und im übrigen eher untauglich zur Erlangung der Alleinerbenstellung:
Haben Sie meinen Rechtstipp „Gemeinschaftliches Testament 4/4: Wie Sie Ihr gemeinschaftliches Testament wirksam widerrufen“ gelesen?
Dann wissen Sie, dass die Erblasserin das alte Ehegattentestament im Hinblick auf die gemeinsame Erbeinsetzung der Töchter als Schlusserbinnen gar nicht wirksam widerrufen konnte. Jedenfalls dann nicht, wenn diese Verfügung nach dem Willen beider Ehegatten wechselbezüglich und damit für beide Ehegatten bindend war, wie es in der Regel der Fall ist.
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