Datenschutzverstöße werden zunehmend abgemahnt – von Wettbewerbsverbänden und Mitbewerbern

  • 3 Minuten Lesezeit

Ein Datenschutzverstoß (gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)) kann erhebliche Konsequenzen haben. Bisher waren sie im Wesentlichen von Datenschutzbehörden zu befürchten. Nun werden wettbewerbsrechtliche Abmahnungen unter Mitbewerbern immer wahrscheinlicher. Folge sind Unterlassungsansprüche, Abmahnkosten und gegebenenfalls Schadensersatz.

Die Juristen streiten noch darüber, ob Datenschutzverstöße zu wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen (also Abmahnungen) führen dürfen. Es gibt immer mehr Gerichtsentscheidungen, die eine Abmahnfähigkeit bejahen. So fiel auch das Urteil des OLG Stuttgart vom 27.02.2020 (Az. 2 U 257/19) aus. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte noch keine Gelegenheit, diese Rechtsfrage zu klären.

1. Worum geht es rechtlich? Marktverhaltensregelung!

Die rechtliche Frage lautet: Schützen die DS-GVO-Regelungen „nur“ natürliche Personen und ihre Daten oder auch die Interessen der Marktteilnehmer. Letzteres ist nach § 3a UWG Voraussetzung für die Abmahnfähigkeit von DS-GVO-Verstößen unter Unternehmern.

Rechtsdogmatisch geht es darum, ob es für Datenschutzverstöße neben den DS-GVO-Sanktionen auch andere Sanktionen zulässig sind, z. B. nach dem Wettbewerbsrecht (UWG), ob also die DS-GVO insoweit "offen" ist.

2. Die Entscheidung des OLG Stuttgart

Das OLG Stuttgart entscheidet: Ja, ein Verstoß gegen Art. 13 DS-GVO (fehlende oder unvollständige Datenschutzhinweise bzw. Datenschutzerklärung) können nach UWG abgemahnt werden.

2.1 Was war passiert?

Ein Unternehmer hatte auf seiner Internetseite keine Datenschutzhinweise nach Art. 13 DS-GVO, sondern nur ein Impressum. Ein Wettbewerbsverein mahnte den beklagten Unternehmer daraufhin ab. Der Streit landete sodann vor Gericht.

Das LG Stuttgart (erste Instanz) hatte die Klage noch abgewiesen und verneinte die UWG-Abmahnfähigkeit von DS-GVO-Verstößen. Danach seien die DS-GVO-Regelungen bei Datenschutzverstößen abschließend und könnten nach dem UWG nicht "bestraft" werden.

Das OLG Stuttgart sah es anders. Es hob in der zweiten Instanz (Berufung) die Entscheidung des LG Stuttgart auf und bejahte eine Abmahnfähigkeit.

2.2 Welche Argumente sprechen für die UWG-Abmahnung?

Das OLG Stuttgart formulierte sehr deutlich, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) die Rechtsbehelfe ("Sanktionen") gegen Datenschutzverstöße nicht abschließend regelt, sodass das Wettbewerbsrecht anwendbar bleibt, allerdings nur, wenn es sich um einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung handelt.

Art. 80 Abs. 1 DS-GVO räume den Betroffenen gerade das Recht ein, auch mithilfe Dritter ihre Rechte wahrzunehmen. Jedenfalls Wettbewerbsverbände seien klagebefugt nach dem UWG. Das OLG Stuttgart begründet dies mit der effektiven Durchsetzung der Verordnung, weil

"alle Ressourcen begrenzt sind und jede Behörde Schwerpunkte und Prioritäten setzen muss."

Durch beschränkte Ressourcen der Datenschutzbehörden

"können die Mitbewerber und Wettbewerbsverbände auch bei der Überwachung der Datenschutzregeln einen wesentlichen Beitrag leisten."

Die UWG-Abmahnfähigkeit ist anhand des konkreten DS-GVO-Verstoßes zu prüfen. Hier lag ein Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Informationspflichten nach Art. 13 DS-GVO (keine Datenschutzerklärung). Dies sei auch abmahnfähig. Das OLG Stuttgart führt zur Abmahnfähigkeit aus, dass

"datenschutzrechtliche Bestimmungen im Allgemeinen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte dienen und sie einen wettbewerbsrechtlichen Bezug nur aufweisen, soweit es um die Zulässigkeit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Daten geht, etwa zu Zwecken der Werbung, der Meinungsforschung, der Erstellung von Nutzerprofilen, des Adresshandels oder sonstiger kommerzieller Zwecke. […] Nach diesen Maßstäben, denen zufolge nicht nur die Interessen der Mitbewerber, sondern aller Marktteilnehmer einzubeziehen sind, liegt hinsichtlich aller Informationspflichten ein Marktbezug vor."

Das OLG Stuttgart ließ die Revision zum BGH unbeschränkt zu. Der Rechtsstreit habe grundsätzliche Bedeutung, weil beide Fragen noch umstritten seien. Sowohl die Frage, ob Wirtschaftsverbände klagebefugt sind, als auch die Frage, ob die Datenschutzhinweispflicht nach Art. 13 DS-GVO eine Marktverhaltensregel nach § 3a UWG sei.

3. Und was nun?

Die BGH-Entscheidung wird in Kürze kommen. Jedenfalls schaffte das OLG Stuttgart die Voraussetzungen dafür. Nach unserer Einschätzung wird der BGH die Auffassung des OLG Stuttgart bestätigen.

Sind Sie von einem solchen Datenschutzverstoß betroffen? Dann müssen Sie handeln, wenn Sie einen solchen Verstoß selbst begangen haben und z. B. keine Datenschutzhinweise auf Ihrer Website vorhalten. Sie können handeln, wenn Ihr Mitbewerber einen solchen Verstoß begeht. Es besteht viel Spielraum für Argumentation und derzeit nur wenig Rechtssicherheit.

Der Link zum vollständigen Artikel und zum Urteil in Volltext lautet: https://www.werner-ri.de/rechtsnews/news/news/ds-gvo-risiken-nicht-nur-von-datenschutzbehoerden/



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Roman Pusep

Beiträge zum Thema