Wissenswertes rund um den Erbschein
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1. Was ist überhaupt ein Erbschein?
Der Erbschein (geregelt in §§ 2353 ff. BGB) ist ein sogenanntes Legitimationsdokument, mit dem man nachweisen kann, dass man einen Verstorbenen (Erblasser) beerbt hat, d.h., dass man sein Rechtsnachfolger ist. Das Dokument wird vom Nachlassgericht ausgestellt. Das ist eine spezielle erbrechtliche Abteilung, die an jedem Amtsgericht eingerichtet ist.
2. Brauche ich den Erbschein, um überhaupt Erbe zu sein bzw. zu werden?
Ein ganz klares NEIN. Dies ist ein sehr häufiger Irrtum bei juristischen Laien: Man ist erst dann Erbe und kann über eine Erbschaft verfügen, wenn man den Erbschein in der Hand hält. Das ist nicht korrekt, denn Erbe wird man, weil man entweder in einem Testament bzw. allgemein in einer letztwilligen Verfügung (also auch einem Erbvertrag o.ä.) als Erbe benannt wurde oder aber, weil kein Testament vorhanden ist und das Gesetz vorgibt, dass man Erbe sein soll (sogenannte gesetzliche Erbfolge). Dann tritt man automatisch im Wege der sogenannten Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB in die Fußstapfen des Erblassers und übernimmt all sein Vermögen, aber auch seine Verbindlichkeiten (Verträge und Schulden), und zwar auch dann, wenn man noch gar nichts vom Erbe weiß. Für die Stellung als Erbe braucht man keine Legitimation, sondern man ist es einfach.
Der Erbschein bescheinigt einem als Nachweis also lediglich, dass man Erbe geworden ist, macht einen aber nicht zum Erben, denn das ist man entweder oder man ist es nicht.
3. Der Verstorbene hat ein Testament hinterlassen. Brauche ich dann überhaupt einen Erbschein, um nachzuweisen, dass ich Erbe bin?
Hier muss man unterscheiden, was für eine Art Testament vorliegt. Wurde es notariell beurkundet, so ist kein Erbschein notwendig, um seine Erbenstellung nachzuweisen. Das notarielle Testament nebst Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichtes (dies ist genau genommen nur ein einfaches Papier, auf dem steht, dass das Testament eröffnet wurde) hat die gleichen Wirkungen wie ein Erbschein. Das heißt, lässt man sein Testament vom Notar aufnehmen, spart das später den Erbschein. Ratsam ist aber auch hier immer die Prüfung der Formulierungen im Testament durch einen im Erbrecht versierten Anwalt, da nicht jeder Notar auch die entsprechende Expertise im Erbrecht aufweist, sondern meist nur Beurkundungstätigkeiten durchführt. Vor diesem Hintergrund habe ich in meiner Praxis leider schon oft erlebt, dass sich notarielle Testamente nach dem Tod der Betroffenen als teilweise unpräzise und zweideutig herausgestellt haben, da der mit der Sache befasste Notar nur Textbausteine verwendet hat, um das jeweilige Testament zu erstellen.
Bei handschriftlichen Testamenten hängt die Frage, ob man noch einen Erbschein braucht, davon ab, wie klar das Testament formuliert ist. Besagt es beispielsweise, dass Person A Alleinerbe des gesamten Vermögens werden soll, ist die Erbfolge eindeutig. Nach der Rechtsprechung genügt damit das Testament sowie das Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichtes, um die Erbenstellung nachzuweisen.
Ist jedoch das handschriftliche Testament unpräzise formuliert oder lässt sich der Inhalt verschiedenartig interpretieren (leider nicht selten!), so ist für einen Dritten nicht klar, wer denn nun genau Erbe werden soll. In diesem Fall wird gerichtlich zu klären sein, wer sich Erbe nennen darf, und zwar über den Weg der Beantragung eines Erbscheins (Erbscheinsverfahren) oder mittels einer sogenannten Erbenfeststellungsklage desjenigen, der sich für den Erben hält. In beiden Verfahren muss der Nachlassrichter durch Auslegung des Testaments nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entscheiden, wer denn nun Erbe werden sollte. Aus diesem langwierigen Prozedere ist zu erkennen, dass man alles dafür tun sollte, ein Testament so genau und deutlich wie möglich zu formulieren, um seinen Erben nach dem eigenen Tod Schwierigkeiten und lange gerichtliche Verfahren zu ersparen.
4. Der Verstorbene hat kein Testament hinterlassen. Brauche ich dann überhaupt einen Erbschein, um nachzuweisen, dass ich Erbe bin?
Ein ganz klares JA. Bei der sogenannten gesetzlichen Erbfolge ist der Erbschein als Legitimationspapier die einzige Möglichkeit für einen Erben, seine Erbenstellung nachzuweisen. Nur mit diesem Papier kann der Erbe dann z.B. auf Konten des Verstorbenen zugreifen (sofern keine transmortale Vorsorgevollmacht o.ä. vorliegen sollte).
Klassisches Beispiel: Eine Mutter stirbt, ohne ein Testament verfasst zu haben. Sie hinterlässt zwei Kinder. Wollen diese das Konto der Mutter bei der E-Bank gemeinsam auflösen, müssen sie dort zunächst nachweisen, dass sie tatsächlich die Rechtsnachfolger und damit verfügungsberechtigt über das Konto sind. Dies können sie nur mit einer behördlichen Bestätigung in Gestalt des Erbscheins, da die Bank nicht weiß, wer denn nun die Kinder der Kontoinhaberin sind und inwiefern diese überhaupt erbberechtigt sind.
5. Was steht überhaupt im Erbschein?
Der Inhalt des Erbscheins ist sehr unspektakulär. Im Endeffekt steht dort nur, wer den Verstorbenen beerbt und mit welcher Quote (sofern mehrere Erben vorhanden sind, z.B. wenn mehrere Kinder in Erbengemeinschaft erben). Der Erbschein trägt den Briefkopf und Stempel des ausstellenden Gerichts, welches immer das Amtsgericht am letzten Wohnort des Verstorbenen ist.
6. Wie bekomme ich einen Erbschein? Wie lange dauert das?
Ein Erbschein wird nicht automatisch ausgestellt, sondern er muss stets beantragt werden, und zwar beim Amtsgericht am letzten Wohnort des Verstorbenen, genauer beim dort ansässigen Nachlassgericht. Da dieses meist überlastet ist (vor allem in Berlin und Brandenburg), benötigt man zwingend einen Termin zur Aufnahme des Erbscheinsantrags. Im Extremfall kann dieser Termin auch erst einige Monate in der Zukunft liegen, d.h. bis man beispielsweise über Konten des Verstorbenen verfügen kann, könnte einige Zeit ins Land gehen. Aus diesem Grund empfiehlt sich stets eine Vorsorgevollmacht, die über den Tod hinausreicht (sogenannte transmortale Vollmacht) und bis zur Erteilung des Erbscheins die Kontoverfügung ermöglicht.
Zum Termin beim Nachlassgericht sind dann alle wichtigen Dokumente mitzubringen, die die Verwandtschaft zum Verstorbenen und damit die Erbenstellung belegen. Das gestaltet sich bei Abkömmlingen natürlich einfacher als z.B. bei Verwandten der dritten Erbordnung, da bei Letzteren der gesamte Stammbaum seit der Großelterngeneration aufgerollt werden muss, und zwar mit Original-Geburts-, Sterbe- und sonstigen Urkunden (z.B. Heiratsurkunde und Scheidungsurteil). Dass diese oft nicht mehr vorhanden oder nur noch schwer bzw. unter großen Anstrengungen zu beschaffen sind, dürfte sich von selbst verstehen. Umso wichtiger ist es also, seine Rechtsnachfolge durch ein Testament zu regeln.
Sofern Kinder einen Erbschein für den Nachlass ihrer verstorbenen Eltern beantragen wollen, sind grundsätzlich nur die Geburtsurkunden der Kinder nötig (im Original bzw. als beglaubigte Abschrift aus dem Geburtenregister). War der verstorbene Elternteil geschieden, so wäre aber z.B. auch das Scheidungsurteil vorzulegen, da im Falle einer bestehenden Ehe auch immer der Ehegatte miterbt (sofern kein Scheidungsantrag bei Gericht anhängig sein sollte). Im Zweifel sollte beim Nachlassgericht vorher angefragt werden, welche Unterlagen genau benötigt werden.
7. Was kostet ein Erbschein?
Dies hängt von der Höhe des Nachlassvermögens ab, denn dies ist die Grundlage für die Berechnung der Kosten des Nachlassgerichts im Rahmen des Erbscheinsverfahrens. Aus diesem Grund ist es auch notwendig, beim Gericht Angaben zur Zusammensetzung des Nachlasses zu machen, so z.B. zu Immobilienbesitz und dessen (geschätztem) Wert. Dafür haben die Gerichte spezielle Formulare, in denen man die entsprechenden Eintragungen und Angaben zum Nachlassvermögen machen kann.
8. Kann ein Erbschein auch wieder zurückgenommen werden?
Ja, das ist möglich! Prominentes Beispiel: Die vermeintlichen Erben eines Verstorbenen beantragen einen Erbschein und erhalten diesen auch. Ein halbes Jahr später wird aber bei der Wohnungsräumung in einer versteckten Ecke ein Testament des Erblassers gefunden, der den Tierschutzverein als Alleinerben einsetzt. Das heißt, dass die vermeintlichen Erben von Anfang an gar keine waren und der Erbschein damit unrichtig ist. Daher muss er eingezogen werden, was bedeutet, dass die vermeintlichen Erben diesen beim Nachlassgericht wieder abgeben müssen. Dieser sogenannte Einzug ist wichtig, denn für den Erbschein gibt es den sogenannten guten Glauben, was bedeutet, dass Dritte, die aufgrund des Erbscheins Geschäfte mit dem vermeintlichen Erben abschließen, auf die Richtigkeit vertrauen dürfen. Das heißt, auch wenn der vermeintliche Erbe gar keiner ist, sind Verträge, die zulasten des Nachlasses in gutem Glauben an die Richtigkeit des Erbscheins abgeschlossen worden, trotzdem gültig.
Die vorstehenden Ausführungen stellen keine verbindliche Rechtsberatung, sondern nur eine grobe Übersicht dar. Jeder Einzelfall erfordert eine maßgeschneiderte Beurteilung. Sollten Sie Beratung bzw. Vertretung in Sachen Erbschein benötigen, bin ich gern für Sie da! Bitte beachten Sie aber, dass jede anwaltliche Tätigkeit gebührenpflichtig ist.
Ich freue mich auf Ihre Anfrage!
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