Die Corona-Warn App: Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer

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Bin ich als Arbeitnehmer gezwungen die Corona-Warn-App zu nutzen, wenn mein Chef das von mir verlangt?

„Ihr Arbeitgeber kann Sie nicht zwingen, die App auf Ihrem privaten Handy zu installieren bzw. zu nutzen. Ihre Privatsphäre unterliegt dem Persönlichkeitsrecht nach  § 75 Abs. 2 BetrVG, welches auch während der Arbeitszeit gilt“, so Lars Althoff. „Verfügen Sie über ein Dienst-Handy, gilt es zu erwägen, ob Sie es ausschließlich in der Arbeitszeit nutzen. Ist dies der Fall, wäre es vorstellbar, dass Ihr Arbeitgeber die Nutzung der App anordnen kann. Vor allem dann, wenn Sie in Berufsfeldern arbeiten, in denen Sie häufig Kontakte zu Dritten haben. Hierzu zählen beispielsweise Beschäftigungen im Gesundheitswesen (Pflegepersonal, Arzthelfer/innen usw.).“, ergänzt der Anwalt.


Was muss ich meinem Arbeitgeber gegenüber beachten, wenn die App mich warnt?

„Warnt die App Sie, verlangt die arbeitnehmerseitige Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, dass Sie Ihren Arbeitgeber darüber in Kenntnis setzen. Denn dieser muss nun entscheiden können, ob er Sie beispielsweise zum Schutz der anderen Mitarbeiter nach Hause schickt oder andere sofortige Maßnahmen ergreift, um auch alle anderen aus dem Unternehmen zu schützen.“, erläutert der Althoff. Und ergänzt: „Wichtig: auch hierbei gilt es für den Arbeitgeber, die Persönlichkeitsrechte des betreffenden Mitarbeiters zu wahren!“


Die App zeigt eine Warnung an, kann ich jetzt auch selber entscheiden vorsorglich zu Hause zu bleiben?

„Haben Sie weder Beschwerden noch Symptome die auf eine Erkrankung verweisen, sind Sie aus Sicht des Arbeitsrechts damit zunächst nicht arbeitsunfähig erkrankt!“, erklärte der Fachanwalt. „Diese Feststellung kann nur durch einen Arzt getroffen werden, den Sie in diesem Fall auch aufsuchen sollten. Bleiben Sie auf eigenmächtigen Beschluss zu Hause, kann dies für Sie im Zweifel bedeuten, dass Sie für diesen Zeitraum keinen Lohn erhalten. Schreibt ein Arzt Sie hingegen arbeitsunfähig krank, haben Sie rechtlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG). Entscheidet ihr Arbeitgeber Sie auf Grund der Warnung nach Hause zu schicken, bedeutet dies auch nicht zwangsläufig, dass Sie von der Arbeitspflicht befreit sind. Ihr Chef kann Ihnen auch vorschlagen, zunächst im Homeoffice weiterzuarbeiten.“ , so Lars Althoff. „Schickt er Sie vorsorglich nach Hause und Sie können Ihrer Arbeitspflicht nicht nachkommen, handelt es sich in diesem Fall um eine bezahlte Freistellung nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).“

Der Anwalt rät: „Behalten Sie immer im Hinterkopf: eine reine Warnung durch die App berechtigt Sie im Zweifel nicht, Ihren Anspruch auf Lohn geltend zu machen.“


Der Arzt rät mir nun zu einem Test, bis dieser verfügbar ist, dauert es aber noch. Muss ich in der Zwischenzeit zur Arbeit erscheinen bzw. habe ich Anspruch auf Lohn, wenn ich es nicht tue?

„Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten.“, klärt der Anwalt auf. „Eindeutig zu beantworten ist die Frage nur dann, wenn Sie schon vor Durchführung des Test behördlich unter Quarantäne gestellt wurden. In diesem Fall wird Ihnen der behandelnde Arzt oder das Gesundheitsamt ein Ausübungsverbot bescheinigen und Sie haben damit einen gesetzlichen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Weitere Szenarien, die sich aus der Situation ergeben, müssten im Einzelnen beleuchtet werden, da die Fragen einen solchen Übergangszeitraum betreffend auch gesetzlich noch nicht abschließend geregelt sind. Der DGB und seine Gewerkschaften drängen derweil auf Klärung, um Arbeitnehmer vor Lohnausfall zu schützen. Aktuelles dazu wird sich der Presse entnehmen lassen.“


Ich würde mir wünschen, dass auch meine Kollegen die App benutzen, habe ich eine Chance, das zu erreichen? 

„Arbeiten Sie in einem Beruf oder Umfeld, in dem Sie sich die berufliche angeordnete Nutzung der App durch Kollegen sogar wünschen würden, kann Ihnen diese Thematik betreffend evtl. Ihr Betriebsrat (falls in Ihrem Unternehmen vorhanden) helfen, mit dem Ziel, eine Betriebsvereinbarung zumThema Corona-Warn-App abzuschließen.“, erläutert uns Lars Althoff. „Der Betriebsrat ist aber in erster Linie angehalten, die Persönlichkeitsrechte jedes einzelnen zu wahren. Nach  § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat er bei der Entscheidung ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Für den Einsatz der App im Unternehmen müssten gewichtige Gründe sprechen, um die persönlichen Rechte der Mitarbeiter zu wahren. Daraus abgeleitet müssten unverhältnismäßige Eingriffe in die Persönlichkeit auszuschließen sein, um eine derartige Betriebsvereinbarung abschließen zu können.“, weiß der Experte für Betriebsräte-Beratung. „Beispiele hierfür könnten ggf. häufiger Kundenkontakt mit Personen aus Risikogebieten sein oder die Tatsache, dass ein Arbeitsplatz kaum Raum lässt, um den geforderten Mindestabstand zu Kollegen einzuhalten (z.B. in Produktionshallen). Die Voraussetzungen für eine entsprechende Betriebsvereinbarung sind im Einzelfall sehr genau zu prüfen. Leichter zu erreichen wäre wohl eine Betriebsvereinbarung, die zumindest die freiwillige Nutzung der App zum Wohle aller Mitarbeiter empfiehlt.“, ergänzt Althoff.


Corona-Tracer statt App – darf der Chef die Nutzung während der Arbeitszeit anordnen?

„Corona-Tracer sind kleine tragbare Geräte, die die gleiche Funktionsweise haben wie die Corona-Tracking-App. Der Einsatz dieser Technik funktioniert losgelöst von der Nutzung eines Smartphone.“ „Doch auch hier“, weist der Anwalt hin, „sind datenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten. Die Nutzung während der Arbeitszeit wäre denkbar. Nach Feierabend kann das Gerät abgelegt werden, ein Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeiter wäre dadurch zum umgehen, bei gleichzeitiger Sicherung des Schutzes aller Mitarbeiter im Betrieb. Alle Daten aus dem Tracer dienen nur dem Zwecke des Infektionsschutz und müssen danach gelöscht werden.“


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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