Die häufigsten Fehler bei der Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung

  • 9 Minuten Lesezeit

Kaum ein unternehmerisches Thema wird in seiner Haftungsproblematik soweit unterschätzt wie die betriebliche Altersversorgung und gleichzeitig hinsichtlich der Nutzung von Chancen und betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten so vernachlässigt und verkannt.
In verschiedenen Rechtstipps habe ich zur Arbeitgeberhaftung Stellung genommen und auf häufige Fehler, Irrtümer und typische Mängel und Problembereiche sowie die damit verbundene Arbeitgeberhaftung hingewiesen.

Viele Probleme treten in der täglichen Praxis aber gar nicht auf, da viele Mitarbeiter ihre Ansprüche überhaupt nicht kennen und beispielsweise mit den Rentenleistungen zufrieden sind, die von der Versicherung an die Unterstützungskasse überwiesen und von dieser an den Versorgungsberechtigten weitergeleitet wurden.
Genauso werden auf der anderen Seite die betriebswirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten arbeitgeberseitig nur sehr spärlich genutzt.

Der Einsatz als finanzpolitisches, personalpolitisches und betriebswirtschaftliches Instrument ist in vielen Unternehmen nicht im Fokus und die bAV wird häufig als Rechtsanspruch der Mitarbeiter verstanden, der vom Arbeitgeber einfach erfüllt werden muss, sprich den Mitarbeitern muss ein Angebot oder eine Möglichkeit vorgestellt werden. Es handelt sich um eine meist lästige Pflicht, die irgendwie zu erfüllen ist.

Dabei ist die betriebliche Altersversorgung im Speziellen und das Thema Altersversorgung im allgemeinen ein Thema, das täglich in Presse und sonstigen Medien auftaucht. Sei es, dass die Probleme der Versicherungswirtschaft thematisiert werden oder über Fachkräftemangel und Versorgungslücken im Alter geschrieben wird. Auch Begriffe der Unternehmensführung wie Employeer Branding und Corporate Social Responsibility sind Themen, denen man mit betrieblicher Altersversorgung mehr als gerecht werden kann.

Die Coronakrise zeigt die Bedeutung von Liquidität und der sich bereits andeutende schwierigere Zugang zu Krediten zu guten Gesamtkonditionen rückt das Thema Innenfinanzierung und auch den Wunsch nach Bankenunabhängigkeit in den Fokus vieler Unternehmer.

In meinen Rechtstipps habe ich Modelle wie Betriebsrente zum Nulltarif, betriebliche Altersversorgung in Unternehmen mit hoher Fluktuation oder geringer Vergütungsstruktur, Themen wie das Mitarbeitersparbuch und Deferred Compensation Modelle behandelt.
Betriebliche Altersversorgung ist vielfältig gestaltbar und auf jedes Unternehmen im Ergebnis zuschneidbar und als Problemlösungsinstrument oder betriebswirtschaftliches Werkzeug einsetzbar.
Dennoch werden bei Einrichtung oder auch Änderung eines Versorgungswerkes regelmäßig eine Vielzahl von Fehlern gemacht. In diesem Rechtstipp möchte ich die wichtigsten zusammenstellen und Hinweise geben, wie sie vermieden werden könnten.

1. Betriebliche Altersversorgung ist Thema der Personalabteilung statt Chefsache

Seit Einführung des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung stellt man fest, dass viele Unternehmer das Thema betriebliche Altersversorgung zur Aufgabe der Personlabteilung gemacht haben.
Die Personalabteilung oder zumindest die Personalabteilung alleine ist jedoch nicht der richtige Gesprächspartner, wenn es darum geht, strategisch ein Modell der betrieblichen Altersversorgung im Unternehmen zu implementieren.
Die Gründe dafür sind vielfältig.

Die Personalabteilung hat meist einen eingeschränkten Fokus. Dieser beschränkt sich häufig auf die Vergütungsfrage und die Kostenstruktur. Themen aus finanzpolitischer Sicht wie z.B. bAV zur Ablösung von Bankverpflichtungen, Kontokorrent oder langfristiger Veränderung der Finanzierungsstruktur werden nicht berücksichtigt. Im Fokus steht meist die reine Erfüllung des Rechtsanspruchs unter Vermeidung einer zu hohen Belastung für die Personalabteilung. Die Direktversicherung als häufig bekanntester Durchführungsweg wird meist bei vielen Anbietern betrachtet und verglichen, wobei der Blick meist auf Garantien und Prognosen beschränkt ist. Der Unternehmer oder Geschäftsführer wurde bestenfalls noch gefragt, wieviel der Sozialversicherungsersparnis er an die Arbeitnehmer weitergeben möchte. Seit Einführung des Pflichtzuschusses erübrigt sich für viele auch diese Entscheidung.

Personalpolitsche Überlegungen, wie die unterschiedliche Förderung von Arbeitnehmergruppen oder die Belohnung von Betriebszugehörigkeiten werden genauso wenig betrachtet wie mögliche Finanzierungsthemen.
Haftungsfragen werden weitgehend vernachlässigt und ausgeblendet, weil Gesprächspartner der Personalabteilung meist ein Vertreter der Versicherungswirtschaft ist, der häufig produkt- und abschlussorientiert ist.

Meine Empfehlung:
Betriebliche Altersversorgung ist Chefsache.
Der Beratung vorangestellt sollte eine Analyse der unternehmerischen Wünsche und Zielsetzungen sein. Auf deren Basis lassen sich auch die Durchführungswege vergleichen und erste Grobkonzepte für ein Versorgungssystem entwickeln.


2. Die falschen Berater – Rückdeckung und Ausfinanzierung als Hauptthema

Die Einrichtung eines Versorgungssystems ist vielschichtig.
Nach einer entsprechenden Analyse erfolgt Beratung und Entscheidung über den richtigen Durchführungsweg. Dies ist im Ergebnis eine komplexe rechtliche Beratung unter Einbeziehung der Spezifika der Durchführungswege, der unternehmerischen Zielsetzungen sowie Skizzierung einer arbeitsrechtlichen Ausgestaltung. Neben der betriebswirtschaftlich sinnvollsten Konzeption sollte jede Entscheidung unter Einbeziehung der Frage nach der Arbeitgeberhaftung erfolgen und diese Haftung auch so weit möglich minimiert werden.
Für viele Unternehmer ist es selbstverständlich, hier einem Vertreter der Versicherungswirtschaft zu vertrauen. Ob Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter, die Spezialisierung liegt meist auf der Produktseite, der Darstellung der jeweiligen Vorzüge und der Beratung unter Berücksichtigung von Vorzügen, die einen Abschluss wahrscheinlicher machen.

Ein einfaches Beispiel ist das Thema Berufsunfähigkeit. Ein rechtlicher Berater würde regelmäßig auf die vielfältigen Risiken für den Unternehmer und eine mögliche Unternehmerhaftung in Zusammenhang mit Berufsunfähigkeit hinweisen. Ein produktorientierter Verkäufer sieht in der Berufsunfähigkeitsabsicherung häufig ein gutes Vertriebsargument gegenüber dem Mitarbeiter und den scheinbaren Vorzug, dieses Thema aus Mitarbeitersicht mit einer Beitragszahlung aus dem Bruttogehalt zu lösen.
Die Produktseite ist jedoch nur die Ausfinanzierungsseite. Soweit Versorgungsordnung, Entgeltumwandlungsvereinbarung und das ganze Vertragswerk feststeht, wäre es die Aufgabe eines seriösen Beraters, in diesem Rahmen die richtige Rückdeckung zu finden. Die Rückdeckung kann jedoch nicht das zentrale Instrument sein, um das die arbeitsrechtlichen Regelungen herum geregelt werden müssen.

Meine Empfehlung:
Konzeptionelle und rechtliche Beratung von der Produkt- und Finanzseite trennen. Rechtliche Beratung ist nur den Angehörigen der Rechtsberatenden Berufe vorbehalten. Diese haften auch umfänglich für ihre Empfehlungen und Gestaltungen.

3. Mitarbeiterattraktivität hat keinen vorrangigen Stellenwert

Mitarbeiterbindung ist eine klassische Zielsetzung eines Versorgungswerks.
Ungeachtet des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung, der schlicht erfüllt werden muss, ist die betriebliche Altersversorgung seit jeher ein Instrument zur Mitarbeiterbindung, zur Erhöhung und Verbesserung der Absicherung im Rentenalter und Erhöhung der Attraktivität eines Vergütungsmodells. Unabhängig ob arbeitgeberfinanziert, mischfinanziert oder arbeitnehmerfinanziert mit dem 15 %-Pflichtzuschuss, das Modell sollte immer so attraktiv und effektiv wie möglich sein. Die bloße Erfüllung des Rechtsanspruchs mit einer Direktversicherung, weil man glaubt, diese sei einfach und rechtssicher mit einem Versicherer, den der Berater empfiehlt, wirkt für den Mitarbeiter wenig motivierend und führt weder zu Identifikation noch wird dies als Wertschätzung wahrgenommen.

Meine Empfehlung:
Attraktivität durch ein sinnvolles Zuschusssystem, Vergleich der Modelle in Hinblick auf die Mitarbeiterbindung und Attraktivität der Zusagen (Kostenübernahme, Verzinsung, Arbeitgeberzuschuss, Ausgleich von Nettolohneinbußen) sind absolut notwendig, wenn es darum geht, auch in diesem Punkt eine gewisse Alleinstellung im Wettbewerb zu erreichen. Ob Nettolohneinbußen durch Nettolohnbausteine ausgeglichen werden oder ein attraktiver Zuschuss gewährt wird, Kosten durch den Arbeitgeber übernommen werden, der Vorteil gegenüber der Möglichkeit, selbst privat vorzusorgen, muss bei einem betrieblichen System signifikant sein.


4. Auswahl und Beratung beschränkt auf Versicherungsprodukte

Viele Berater orientieren sich ausschließlich an Versicherungsprodukten. Manche Berater sind sogar Ausschließlichkeitsvertreter einer bestimmten Versicherungsgesellschaft. Die Beratung beschränkt sich dann meist auf zwei Tarife der Gesellschaf oder bestenfalls zwei angebotene Durchführungswege.
Wenn auch versicherungsförmige Systeme für einige Unternehmen die richtige Wahl ist und andere Unternehmen nach Prüfung für interne Lösungen überhaupt nicht in Frage kommen, verlangt bAV-Beratung jedoch auch eine Einbeziehung der internen Durchführungswege wie Direktzusage und pauschaldotierte Unterstützungskasse. Hier ist gerade hohe Flexibilität in Bezug auf Zusagezins und Zuschuss, Steigerung der Beiträge nach Betriebszugehörigkeit und mehr gegeben, da keine Einschränkungen durch ein Produkt bestehen.

Meine Empfehlung:
Einbeziehung von internen Durchführungswegen und Berechnung der Auswirkung derartiger Modell im Vergleich, soweit die vom Unternehmen genannten Ziele auf derartige Lösungen hinweisen.

5. Vernachlässigung der wichtigsten Arbeitnehmerinteressen – Transparenz und Garantien

Studien nach Befragung von Mitarbeitern, was bei einer betrieblichen Altersversorgung das Wichtigste sei, zeigen sehr deutlich immer wieder die Themen Transparenz und Garantie.
Mitarbeiter wollen ihre Versorgung verstehen.
Der Mitarbeiter möchte wissen, warum nach einer Einzahlung von 12 mal 100 € im Vertrag lediglich x Euro vorhanden sind.  Zu einem späteren Zeitpunkt möchte er wissen, warum trotz Einzahlung und Zins das Guthaben oder die Leistung nur um y € gestiegen ist. Versicherungsprodukte lassen diese Transparenz häufig vermissen. Angebote sind hinsichtlich der Kosten verklausuliert und für viele nicht verständlich. Ein Berechnen oder Nachrechnen ist für den Mitarbeiter in der Regel gänzlich unmöglich.

Garantien sind ein weiteres Problem.
Die Absenkung der Beitragsgarantie ist derzeit ein großes Thema. Schon alleine die Tatsache, dass garantierte Leistungen nicht immer über den Einzahlungen liegen, ist für viele Arbeitnehmer ein Rätsel. Versicherungsprodukte haben in der Vergangenheit viel Vertrauen verspielt. Auch Arbeitgeber haben bereits erfahren, dass eine Versicherergarantie nach § 314 VAG durchaus abänderbar ist und er für die Differenz haftet.

Meine Empfehlung:
Beitragsorientierte Zusagen sind für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in internen Durchführungswegen kalkulierbar und transparent wie ein Sparbuch (siehe mein Rechtstipp Mitarbeitersparbuch). Mitarbeiter erhalten ihre Garantien sichtbar und spürbar vom Arbeitgeber. Dies fördert sowohl Bindung als auch Identifikation mit dem Unternehmen.


6. Jeder macht was er will – eine Versorgungsordnung gibt es nicht
Viele Unternehmen lösen das Thema betriebliche Altersversorgung dahingehend, dass jede Gesellschaft und jeder Durchführungsweg erlaubt ist. Mitarbeiter sagen, was sie wollen und der Arbeitgeber unterschreibt.
Die Haftung wird hier mehr als unübersichtlich. Geeignete und kompetenter Gesellschaften und Gesellschaften, bei denen die betriebliche Altersversorgung eher Randthema ist, werden bunt gemischt. Weder Gleichbehandlung ist hier gegeben , noch ist es möglich, die Verträge zu kennen und zu überblicken. Fehler in Verträgen werden nicht erkannt. Die Administration wird zum Zufall in der Hoffnung, dass nichts passiert.

Meine Empfehlung:
Entscheidung für ein System und Erstellung einer entsprechenden Versorgungsordnung.
Ein bereits vorhandenes System kann sicherlich integriert werden. Es sollte sich jedoch auf maximal einen zusätzlichen Durchführungsweg und einen Anbieter erstrecken. Ein qualifizierter bAV- Berater, der das Unternehmen langfristig und verlässlich in allen Fragen begleitet und verantwortlich und haftungssicher berät, sollte dem Unternehmen zur Seite stehen.


7. Kleinlichkeit statt Großzügigkeit

Wer die Chancen der betrieblichen Altersversorgung nicht erkennt, neigt dazu, sich auf das Minimum zu beschränken. Eine einfache Versicherung, bei der die Kosten auf den Mitarbeiter abgewälzt werden, ein Pflichtzuschuss von 15 %, der als keinerlei Wertschätzung empfunden wird (siehe mein Rechtstipp https://www.anwalt.de/rechtstipps/betriebsrente-15-pflichtzuschuss-in-der-bav-wertschaetzung-oder-demotivation_184604.html), scheinen zwar relativ billig zu sein, machen das Ganze in der Gesamtbetrachtung jedoch teuer. Demotivation statt Motivation der Mitarbeiter lassen sich gar nicht beziffern und konterkarieren die Einrichtung der bAV.
Die richtige Wahl von Zusagezins und Zuschuss (siehe mein diesbezüglicher Rechtstipphttps://www.anwalt.de/rechtstipps/richtige-wahl-von-zusagezins-und-arbeitgeberzuschuss-bei-der-pauschaldotierten-unterstuetzungskasse_182601.html), die Ausgestaltung in zwei getrennten Zusagen unter Nutzung von Fluktuationseffekten bringt Effekte, die aus vielerlei Hinsicht positiv sind, in ihrer Gesamtheit aber gar nicht quantifiziert werden können.

Meine Empfehlung:
Lassen Sie sich verschiedene Varianten berechnen und wählen Sie das System, das Ihnen aus Mitarbeitersicht am attraktivsten erscheinen würde.


8. Fazit

Wer die Bedeutung und die Chancen von betrieblicher Altersversorgung versteht, wird sich als Unternehmer persönlich diesem Thema widmen und mit seinen Zielen und seinem internen Wissen seine Freude daran finden, ein System optimal auf sich zuschneiden zu lassen.

Gerne unterstütze ich Sie bei Ihren Überlegungen im Vorfeld und stehe Ihnen verantwortlich bei der Umsetzung zur Seite.


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Foto(s): AUTHENT

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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