Die "nicht geringe Menge" von Betäubungsmitteln im "Betäubungsmittelgesetz" und das "Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz"
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Bei Gericht, in der Strafverteidigung und vor allem im Straßenverkehr kommt es bei Betäubungsmitteldelikten immer wieder zu der Frage, was eine "geringe Menge" einer bestimmten Substanz, die in den Anlagen zum BtMG (Betäubungsmittelgesetz) aufgeführt ist, darstellen soll.
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die verschiedenen Mengenbegriffe geschaffen werden und dabei auch ein Abriss "geringen Menge" der verschiedenen Substanzen gemacht, die in der Praxis von Bedeutng sind (z.B. Heroin, Morphium, Kokain, LSD, etc.).
1. Menge
Im BtMG sind drei verschiedene "Mengen" definiert:
Die "geringe Menge", "Normalmenge" und die hier zu besprechende "nicht geringe Menge". Hiernach beurteilt ein Gericht bei einer BtM-Sache die Strafzumessung, was in der Strafverteidigung von erheblicher Bedeutung sein kann, denn hier kann je nach Erfüllung des Merkmals eines bestimmten Mengenbegriffs, die zugehörige Strafe niedrig oder hoch gemessen werden; manchmal geht es hier um Grenzen, die zwischen "Vergehen" und "Verbrechen" beurteilt werden Können - was letztlich auch entscheidet, ob das Verfahren gegen den Mandanten aufgrund des Opportunitätsgrundsatzes wegen "einer geringen Menge" Geringfügigkeit eingestellt wird, oder dieser - schon bei der der ersten Verurteilung - ins Gefängnis wandert.
Wird der Mandant mit einer "nicht geringen" Menge angeklagt, droht gemäß § 29a BtMG eine Strafdrohung von nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe, womit das Delikt ein Verbrechen darstellt (§ 12 StGB).
Bei der sog. Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge drohen schon mindestens 2 Jahre, weil hier die kriminelle Energie des Täters subjektiv gesehen höher einzustufen ist, als lediglich beim Besitz.
Wird der Mandant als Mitglied einer Bande oder bei einer Tat, die nach dem BtmG zu ahnden ist, mit Waffen (was schon ein simples Gartenwerkzeug im Zuchtraum der Cannabispflanzen darstellen kann), bis hin zu Gegenständen, die unter das Waffengesetz fallen, also Schusswaffen, Butterfly-Messer, Schlagringe, sog. "Totschläger", etc.) , bis hin zum Handeltreiben in nicht geringer Menge, welche mit Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bestraft (§ 30a BtMG).
Hierbei kommt es jeweils auf die verbotene Substanz an, also nicht auf die Brutto-Menge der jeweiligen Darreichungsform.
Bei Besitz von 250 g Cannabis ist nach dem neuen "Konsumcannabisgesetz", welches im Folgenden noch näher behandelt wird keine "geringe Menge" mehr gegeben. Die nicht geringe Menge orientiert sich an der tatsächlichen Wirkstoffmenge, die bei einer Labor-Analyse ermittelt wird. Zum Beispiel ist bei 100g THC (ca. 1000 g brutto) Wirkstoff unabhängig von der Menge Cannabis die nicht geringe Menge überschritten.
Dies gilt auch bei anderen Stoffen:
Der Besitz einer Tüte Kokain, die ein Konsument von seinem "Dealer" als 5 g Menge erworben hat, ist nicht strafbar, wenn der Konsument von der Polizei mit der Tüte kontrolliert wird, der Konsument angibt, dass in der Tüte Kokain sei und sich nachher herausstellt, dass in der Tüte vielleicht ein oder zwei mg Kokain befanden, der Rest allerdings aus Milchpulver und Lidocain (ein Mittel, dass beim Zahnarzt zum Betäuben der Stelle angewendet wird und somit den "betäubenden" Charakter der Schleimhäute, den hochdosiertes Kokain normalerweise besitzt) bestanden hat
2. Cannabis - Neue Regelungen
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (18.04.24) zur Änderung durch das Cannabisgesetz, handelt es sich um eine "nicht geringe Menge" Cannabis, wenn das betreffende Cannabisprodukt mindestens 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC, der eigentlich berauschende Bestandteil der weiblichen Cannabispflanze) enthält.
Seit dem 01.04.24 ist nun das "Konsumcannabisgesetz" in Kraft getreten. Hier liegt die Strafe für den Besitz einer "nicht geringen Menge" Cannabis gem. § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG von 3 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe.
Weiterhin ist es nun erlaubt im eigenen Haus, Garten oder Zuchtraum bis zu 50 g Cannabis zu besitzen, im öffentlichen Raum liegt die Grenze bei 25 g Cannabis.
Im Privatbereich wird es ab 60 g brenzlich für den Konsumenten, im öffentlichen Raum liegt die Strafbarkeit bei 30 g. Eine Weitergabe oder der Verkauf der selbst gezüchteten Pflanzen ist verboten.
Der Besitz stellt nunmehr eine Ordnungswidrigkeit dar, die nach dem OwiG geahndet wird.
a.) Ein kleiner Rückblick: Die "geringe Menge" des Cannabis vor dem 01.04.24
Für Cannabiskonsumenten stellte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 1994 einen ersten "Meilenstein" dar:
Das BverfG stellte fest, dass das Cannabisverbot nicht gegen die Verfassung verstößt, solange bei "geringen Mengen" keine Strafverfolgung stattfinde. Dies sollte durch die einzelnen Länder festgelegt werden.
In den darauffolgenden Jahren wurde die Grenze von den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich gesetzt.
b.) Ein paar Beispiele:
Während in Bremen und Berlin in der Regel bei bis zu 15 g Besitz von der Strafverfolgung abgesehen werden sollte, lag die Grenze in Bayern bei 6 g.
Weitere Länder wie Hessen, Brandenburg oder das Saarland legten den Grenzwert ebenfalls auf 6 g fest.
Thüringen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen legten die Grenze auf 10 .g
Eine Erklärung für die Spannbreite der angegebenen Werte der verschiedenen Länder könnte sein, dass es im schon immer sehr liberalen Berlin zu Überlastungen gekommen ist, da dort Cannabis im Vergleich zu den anderen Ländern weit verbreitet und verhältnismäßig einfach zu erwerben war und somit die Strafverfolgungsbehörden vor Überlastungen geschützt oder abgebaut werden.
Da Nordrhein-Westfalen nah an der Grenze zu den Niederlanden liegt, in denen Cannabis zwar ebenfalls verboten, allerdings weitestgehend akzeptiert, oder besser gesagt: "toleriert" wird (z.B. durch die Einrichtung sog. "Coffee Shops", in denen nicht nur Kaffee, sondern auch Cannabis an Erwachsene, in den jeweiligen "Shops" registrierte Personen verkauft wurde) kann der Grund sein, warum diese die leicht erhöhte Menge auf 10 g festlegten.
Auch der Umstand, dass Nordrhein-Westfalen das am dichtesten bevölkerte Bundesland ist, was die Verbreitung von Cannabis u.U. begünstigen kann, könnte ein Grund hierfür sein.
3. Methamphetamin ("Chrystal Meth")
Das durch die weltbekannte Serie "Breaking Bad", die zwischen 2008 und 2013 lief, nun weitflächig bekannte Methamphetamin, wurde durch den Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung aus 2006 eine nicht geringe Menge Methamphetamin auf ca. 5,0 g Metamphetamin-Base (unverarbeitet) oder ca. 6,0 g Metamphetamin-Hydrochlorid (verarbeitet) festgelegt.
Aus dem Grund, dass die Base des Stoffes (oder generell bei synthetischen Drogen) einen höheren Methamphetamin-Anteil aufweist, ergibt sich die leichte Unterteilung von 1,0 g bei den Stoffen.
4. Synthetische Drogen - "Legal Highs" und "Research Chemicals"
Nach dem Aufkommen der synthetischen Drogen, stand der Gesetzgeber vor einer großen Herausforderung.
a.) "Spice" und "Badesalze"
Die Gefahr der Sache wurde damals zum ersten Mal durch das Produkt "Spice" bekannt - ein Wirkstoff, der dem THC ähnele, solle legal "high" machen (deswegen auch der Ausdruck "Legal Highs") und somit als Cannabis-Ersatz dienen, da hier die mit dem Besitz und Konsum typischen Probleme (Nachweisbarkeit, Problem der Verkehrstüchtigkeit,... etc.) nicht mehr gegeben waren.
Das Problem wurde aber dadurch noch weiter verschärft. Es kamen ähnliche Substanzen auf den Markt und aufgrund einer fehlenden Regulierung wusste niemand welcher Wirkstoff in dem jeweiligen Produkt stecke.
Zusätzlich kamen die sog. "Badesalze" und/oder "Research Chemicals" auf den Markt, die im Internet auf (fast) legale Weise erworben werden konnten, da die Käufer lediglich gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen könnten, wenn man sie zum Konsum verwendet (deshalb auch der Begriff "Badesalz", der assoziieren sollte, dass es sich um ein Produkt handelt, welches ganz bestimmt nicht zum Verzehr geeignet ist).
Plötzlich wurde nahezu jede nach dem BtmG verbotene Substanz "nachgebildet"; man fügte in illegalen Laboren oder "Drogenküchen" bei der Herstellung des Stoffes hier ein Kohlenstoff-Atom hinzu, änderte hier eine chemische Verbindung - und veränderte die Substanz somit entsprechend, manchmal auch nur minimal; heraus kamen lebensgefährliche Stoffe, die neben sog. "Uppern" (z.B. Kokain oder auch Methamphetamin, also Stoffe, die auf den Konsumenten stimulierend wirken) auch die Gruppe der "Opiate" und "Opioide" nachahmten und somit Substanzen geschaffen wurden, die bei kleinster Überdosierung lebensgefährlich sein konnten.
Es kam hierbei auch nachweislich zu mehreren Todesfällen aufgrund des Konsums dieser Stoffe. Schon kurz nach erscheinen von "Spice" kamen "Nachahmer" auf den Markt, die ähnliche, meist in bunten, grelle Verpackungen angeboten, enthielten.
So kam es im Kreis der Konsumenten zu Diskussionen, warum dieses Produkt anders als das andere wirke, obwohl doch der selbe Wirkstoff enthalten sein sollte. Einige klagten im Verlauf des Konsums über extreme Nebenwirkungen, die von Halluzinationen, bis zur Bewusstlosigkeit führen konnten. Das Problem war nämlich hier, dass die Konsumenten mit dem Kauf und Konsum der neuen Produkte "Russisch Roulette" spielten; denn es gab schon längst Dutzende von neuen Stoffen, die von den "Drogen-Laboren" wahllos dosiert, verpackt und verkauft wurden.
Vor allem Bestand die hohe Gefahr, dass durch die Verpackung in einer lichtdichten Tüte sich gegen Ende des Inhalts die Stoffe unten am Boden der Tüte sammeln konnten. Die Gefahr einer Überdosierung war hier somit um ein Vielfaches erhöht; wirkte das Produkt anfangs noch "gut", musste der Konsument nach dem Aufbruch des Produktes meist mit extremen Nebenwirkungen kämpfen. Nicht wenige Konsumenten landeten im Krankenhaus, viele Langzeit-Konsumenten wurden psychisch krank.
Durch die immer weiter fortschreitende Verbreitung und Vervielfachung der Substanzen, wurden die Täter immer skrupelloser, denn ein "Limit" nach oben gab es in der Konsumenten-Szene nicht. Dies führte u.a. dazu, dass eine Substanz geschaffen wurde, die laut Wissenschaftlern stärker wirke, als jedes in der Medizin zugelassene Opioid - ein für Opioid-süchtige Personen gefährliche Situation, sollten diese im Entzugszustand (da dem Körper nach langem Gebrauch des jeweiligen Opioids kein weiterer Wirkstoff zugeführt wird) auf diese Substanz stoßen.
Es war somit klar, dass schnell reagiert werden musste, um potentielle Konsumenten und die Allgemeinheit vor den nicht regulierten, teils unerforschten Substanzen zu schützen, die durch ihre neue Zusammensetzung trotz ähnlicher Wirkung nicht mehr unter das BtMG fielen.
b.) Das "Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz"
Der Gesetzgeber reagierte mit dem "Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz" (NpSG) auf diese gefährliche Lage. Der Grund hierfür war, dass nicht jede neue Substanz, sofort in die Anlagen des BtmG aufgenommen werden konnten, denn die Substanzen die hier nachgebildet wurden, waren keine gem. Anlage III zum BtmG verbotenen Substanzen mehr, da sie streng genommen nicht unter die jeweils nachgeahmte Droge fiel, wie Heroin, "Speed", Methamphetamin, Kokain, etc.
Gem. § 1 Abs. 1 NpSG werden diese Stoffe des BtmG auch ausdrücklich ausgeklammert.
Nach § 2 NpSG ist ein neuer psychoaktiver Stoff ein Stoff oder eine Zubereitung eines Stoffes aus einer der in der Anlage (des NpSG) genannten Stoffgruppen oder eine Zubereitung ohne Rücksicht auf den Aggregatzustand, ein Stoffgemisch oder die Lösung eines Stoffes oder mehrerer Stoffe, außer den natürlich vorkommenden Gemischen und Lösungen.
Der Gesetzgeber kann durch diese weite Legal-Definition nun schneller handeln und die mittlerweile mehreren hundert Stoffe verbieten und somit den Verkauf, die Verbreitung und die Gefahr des Konsums zumindest eindämmen
5. Grenzwerte für die psychoaktiven Substanzen
Beispiele:
Der Grenzwert der "nicht geringen Menge" wurde bei den sog. Cannabinoiden (ebenfalls "Research Chemicals" und Stoffe, die dem Cannabiswirkstoff THC ähneln sollen) "CP 47,497-C8-Homologes" und "JWH-018", eines der ersten Substanzen, welches wohl mit dem "Spice" erstmals Verbreitung in Deutschland fand, auf 2,0 g festgesetzt.
Bei anderen Wirkstoffen wie "JWH-073" und "CP 47,497" wurden die Grenzwerte auf jew. 6,0 g festgelegt.
Aufgrund der Bezeichnung der Substanzen kann man erkennen, dass es etliche weitere Wirkstoffe gibt, die immer weiter verändert oder sogar neu erzeugt wurden.
So wurde z.B. das bspw. in Russland erwerbliche "Phenibut" genau in verbotenen Laboren nachgebildet und verkauft. Die Wirkung soll der Gruppe der "Benzodiazepine", einer Gruppe von Medikamenten, die beruhigend und angstlösend wirken (und stark abhängig machen können) angehören.
6. Heroin
Bei dieser wohl am meisten verbreiteten illegalen Droge (neben dem nun quasi-legalen Cannabis) soll das Verfahren beim Besitz von 1 g Heroin eingestellt werden, wobei diese Angabe von Land zu Land, ähnlich wie beim Cannabis vor dem 01.04.24, anders ist.
7. Kokain
Die Stimulanz "Kokain" soll je nach Land zwischen 1 g und 3 g eingestellt werden.
8. Amphetamin ("Speed")
Das Amphetamin ist ein Stoff, der dem Methamphetaminen vorhergeht.
Es ist ebenfalls wie Kokain ein stimulierender Stoff, der aggressiv machen kann und/oder euphorisierend wirken soll, vor allem aber die Konzentration stärken. Aufgrund dessen ist es für Konsumenten leicht in den Alltag integrierbar und soll (zumindest subjektiv durch den Konsumenten erfahrend) die Belastbarkeit hinsichtlich der Arbeitsleistung erhöhen. Da es auf dem "Drogen-Markt" günstiger ist als Kokain, ist es auch verbreiteter.
Der Stoff wird meist durch die Nase konsumiert. "Speed" macht, ähnlich wie Kokain, hochgradig abhängig und kann unabsehbare Folgen für den Konsumenten haben. Meist ist die Nase betroffen: Geruchssinn, Schleimhaut und die Nasenscheidewand können stark angegriffen oder zerstört werden.
Außerdem wird der Stoff vor dem Verkauf "gestreckt", also mit anderen Mitteln gemischt, um für den Händler eine höhere "Gewinnspanne" zu erreichen. Dies kann von "ungefährlichen" Mitteln wie Milch-Pulver, bis hin zu Produkten reichen, die im Bau-Gewerbe Anwendung finden, reichen.
Amphetamin wurde im Zweiten Weltkrieg nachweislich von den US-Soldaten und den NS-Soldaten konsumiert. Es bekam hierzulande den Spitznamen "Panzerschokolade". Es sollte erreichen, dass die Soldaten leistungsfähiger, länger wach und somit besser und länger kämpfen können sollten.
Die "nicht geringe Menge" liegt hier je nach Bundesland zwischen 1,6 g und 3 g.
9. Zusammenfassung: Die "nicht geringe Menge" bei "harten Drogen"
Unter "harten Drogen" versteht man umgangssprachlich Mittel, die nicht Cannabis oder Alkohol sind, wobei diskutiert wird, ob Alkohol aufgrund seiner Verfügbarkeit, der gesellschaftlichen Akzeptanz und der damit verbundenen und hohen Suchtgefahr und bei Langzeitkonsum schweren Folgen, wie Leberzirrhose, Herz- oder Hirninfarkt, Demenz, allgemeinen Hirnschäden oder dem Tod durch übermäßigen Konsum oder "Mischkonsum" mit anderen Substanzen.
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