Die Vererbung von Kapitalanlagen

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Geerbte Kapitalanlage im Schadenersatzprozess

In einer alternden Gesellschaft steigt sowohl die Anzahl der Erbfälle als auch der Umfang des vererbten und übertragenen Vermögens. Anders als in früheren Zeiten ist dieses Vermögen jedoch häufig nicht in Immobilien oder (Familien-)Unternehmen gebündelt, sondern besteht häufig auch aus Kapitalanlagen – seien es börsengehandelte Produkte wie Wertpapiere oder Angebote des grauen Kapitalmarkts wie geschlossene Beteiligung oder Genussrechte. Gleichzeitig ist bekannt, dass insbesondere in der jüngeren Vergangenheit viele meist als innovativ beschriebene Produkte ohne ausreichende Aufklärung der Kunden vertrieben wurden, weshalb die Zahl der Schadenersatzverfahren gegenüber Finanzvermittlern weiterhin steigen. Es stellt sich daher die Frage, ob auch der Erbe noch Schadenersatzansprüche geltend machen kann, wenn er im Nachlass Kapitalanlagen vorfindet, die der Risikoneigung des Erblassers nicht entsprechen. Denn grundsätzlich tritt der Erbe mit dem Tod in die Rechtsposition des Erblassers ein, ohne dass materielle Änderungen hiermit verbunden sind. Damit gehen auch Schadenersatzansprüche auf den Erben über.

Probleme für den Erben ergeben sich dann aber zumeist im Rahmen der prozessualen Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen, da er selbst bei der Vermittlung in der Regel nicht zugegen war und über den Ablauf der Beratung daher aus eigener Anschauung nichts sagen kann. Gleichzeitig bestehen Schadenersatzansprüche auf Rückabwicklung der Beteiligung nur, wenn der Anleger – in diesem Fall also der Erblasser – die Anlage bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht erworben hätte. Hierfür soll nach neuerer Rechtsprechung des BGH (BGH Urt. vom 22.03.2010 II ZR 66/08; Urt. vom 14.06.2007, III ZR 300/05; Urt. vom 08.05.2012, XI ZR 262/10) eine widerlegliche Vermutung sprechen, sofern der Anspruchsteller eine Pflichtverletzung, also eine fehlerhafte Beratung, dargelegt und bewiesen hat.

In vielen Fällen wird man allerdings schon aus dem Prospekt und den Vertragsunterlagen bzw. aus der bisherigen Geschäftsbeziehung ableiten können, dass eine ordnungsgemäße Beratung nicht erfolgt ist. Auch ist bekannt, dass über bestimmte Risiken von Anlageprodukten in der Vergangenheit nicht aufgeklärt wurde, so dass die Banken häufig die Pflichtverletzung nicht wirksam bestreiten können.

Steht damit eine Pflichtverletzung fest, stellt sich die Frage, ob sich auch der Erbe auf die Vermutung, dass der Erblasser bei ordnungsgemäßer Beratung das Produkt nicht erworben hätte, berufen kann. Die bisher zu dieser Frage ergangene Rechtsprechung ist uneinheitlich, sie scheint sich jedoch zugunsten des Erben zu drehen.

In der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 18.11.2011 (19 U 68/11) hat der Senat noch entschieden, dass der Erbe darlegungsbelastet dafür sei, dass der Anleger das Produkt nicht erworben hätte. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die vom BGH entwickelte Vermutung hier keine Anwendung finde, da der Erbe nicht vortragen könne, wie der Erblasser sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung verhalten hätte. Im zu entscheidenden Fall war nämlich die Besonderheit gegeben, dass ein Erwerb auch allein unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten sinnvoll hätte sein können. Diese Entscheidung erging allerdings vor dem oben genannten Urteil des XI. Zivilsenats des BGH.

Nach dieser Entscheidung hatte sich der 23. Zivilsenat des OLG Frankfurt (Urteil vom 10.10.2012, 23 U 52/11) sowie das LG Köln (Urteil vom 14.02.2013, 15 O 155/12) mit der Rechtsfrage zu befassen. Beide kamen zu dem Ergebnis, dass auch der Erbe sich auf die vom BGH entwickelte Vermutung berufen könne, solang er nur im Rahmen der ihn treffenden prozessualen Wahrheitspflicht behaupten könne, dass der Erblasser bei Kenntnis der wahren Rechtslage vom Erwerb der Kapitalanlage abgesehen hätte. Sofern also für den Erben keine deutlichen Anzeichen dafür sprechen, dass die Pflichtverletzung des Vermittlers keine Auswirkungen gehabt hat, darf er prozessual zulässig die Kausalität bestreiten (Hierzu auch: Wiewel, VuR 2014, 162 ff).

Dem jeweiligen Vermittler wird dann aber im Regelfall der Gegenbeweis nicht gelingen.

Insofern kann allen Erben nur angeraten werden, etwaige Rückabwicklungsansprüche von ererbten Kapitalanlage prüfen zu lassen, insbesondere, da im Falle von geschlossenen Beteiligungen zu erwarten ist, dass aus diesen in Zukunft noch Rückforderungsansprüche der jeweiligen Gesellschaften erwachsen werden. Für diese müsste der Erbe dann ggf. auch mit seinem eigenen Vermögen haften.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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