Dieselskandal – die neuesten Entwicklungen

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EuGH-Generalanwältin hält Abschalteinrichtungen für unzulässig

Nach Ansicht der Generalanwältin Eleanor Sharpston verstoßen die in Dieselfahrzeugen verbauten Abschalteinrichtungen gegen geltendes europäisches Recht, sofern durch deren Gebrauch die zulässigen Emissionswerte überschritten werden. Dies legte sie in ihrem Schlussantrag eines Verfahrens vor dem EuGH dar.

Ihr Gutachten stellt zwar noch kein abschließendes Urteil des Gerichtshofs dar, erfahrungsgemäß folgen die Richter jedoch in den meisten Fällen der Beurteilung der Generalanwälte. Daher kann erwartet werden, dass sie die Abschalteinrichtungen ebenfalls als unzulässig einstufen. Dann kann eine Vielzahl von Dieselfahrern Schadensersatz gegenüber Autoherstellern unterschiedlicher Marken (beispielsweise VW, Mercedes und BMW) geltend machen.

Das Gutachten der Generalanwältin befasst sich mit Abschalteinrichtungen (sog. thermische Fenster), die in das Emissionskontrollsystem des jeweiligen Fahrzeugs eingreifen und die Reinigung der Abgase während der Fahrt verringern oder gänzlich deaktivieren. Während einer Prüfung hingegen wird die Abgasreinigung aktiviert, sodass das Fahrzeug für den Straßenverkehr zugelassen wird.

Das konkrete Verfahren vor dem EuGH sollte eigentlich nur die Zulässigkeit einer Abschalt-einrichtung klären, die in einem Fahrzeug von VW (Motor Typ EA 189) verbaut wurde. Die Einschätzung der Generalanwältin geht über diesen einen Motor jedoch deutlich hinaus. Nach ihrer Ansicht sind alle Abschalteinrichtungen unzulässig, wenn sie dazu führen, dass die Emissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden.

Die Autohersteller haben sich bis dato meist darauf berufen, dass die thermischen Fenster zum Schutz der Motoren vor Verschleiß oder Verschmutzung notwendig seien. Laut dem Gutachten der Generalanwältin sind die Einrichtungen jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt. Das ist dann der Fall, wenn dadurch plötzliche und unmittelbare Schäden des Motors verhindert werden können. Die Thermofenster sind hingegen nicht erlaubt, wenn sie lediglich zu einem langfristigen Schutz der Motoren vor Verschleiß oder Verschmutzung eingesetzt werden. Die Argumentation der Autohersteller ist damit hinfällig.

BGH stärkt die Rechte der Volkswagen-Kunden

Auch der Bundesgerichtshof hat sich nun für die Fahrer der betroffenen Dieselfahrzeuge ausgesprochen. Am 5. März 2020 hat sich der BGH erstmals mit einem Verfahren gegen VW im Rahmen des Diesel-Abgasskandals befasst. In seiner ersten vorläufigen Einschätzung legten die Richter dar, dass die eingebauten Abschalteinrichtungen eine illegale Technik darstellen. Dadurch, dass die Kunden das Fahrzeug bei Kenntnis der „Abgas-Trickserei“ gar nicht erst gekauft hätten, sei ihnen nach Ansicht der Richter bereits beim Kauf ein Schaden entstanden.

Der BGH bewertet die Manipulation durch die Abschalteinrichtungen als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. In solchen Fällen können die Kunden das Fahrzeug zurückgeben und erhalten den Kaufpreis zurück. Dabei wird jedoch eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer abgezogen.

Diese erste Einschätzung und das kommende Urteil des BGH haben erhebliche Relevanz im Rahmen des Abgasskandals. Denn die obersten deutschen Gerichte geben in der Regel eine Leitlinie vor, an der sich die unteren Instanzen orientieren. Eine solche Linie wird gerade im Dieselskandal gespannt erwartet, da die Gerichte bisher sehr uneinheitlich entschieden haben. So bestand bisher sogar dahingehend Uneinigkeit, ob in der Manipulation eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu sehen ist und ob die Kunden daher überhaupt einen Anspruch auf Schadensersatz haben. Streitig war zudem, ob die Fahrer eine Nutzungsentschädigung zahlen müssen oder nicht. 

Zu berücksichtigen bleibt jedoch, dass es sich dabei lediglich um eine erste und vor allem vorläufige Einschätzung der Richter handelt. Das Urteil wurde hingegen noch nicht verkündet. Zudem wird der BGH in Zukunft noch viele weitere Abgasskandal-Verfahren in verschiedenen Fallkonstellationen verhandeln. Es bleibt also abzuwarten, wie die Richter letztlich im Detail entscheiden werden.

Widerruf der Annahme des Vergleichsangebots von VW noch möglich?

Viele betroffene Dieselfahrer hatten sich zuvor an der Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen beteiligt und dessen Vergleichsangebot angenommen. In diesem Fall zahlt VW den Käufern je nach Fahrzeug meist zwischen 1.350 und 6.257 Euro. Nach der oben dargestellten Einschätzung des BGH, werden die Kunden jedoch die Möglichkeit haben, den Kaufpreis des Fahrzeugs von VW zurückzufordern. Diese Entschädigung würde oftmals die Zahlungen übersteigen, die VW im Rahmen des Vergleichs leistet.

Die Betroffenen, die den Vergleich angenommen haben, haben jedoch teilweise noch die Möglichkeit, diese Annahme zu widerrufen. Dazu können sie von dem gesetzlich vorgeschriebenen Widerrufsrecht Gebrauch machen, da der geschlossene Vergleich einen sogenannten Fernabsatzvertrag darstellt. Die 14-tätige Frist beginnt dabei mit der Annahme des Vergleichsangebots. Hier muss jedoch jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob der Käufer tatsächlich die Annahme des Vergleichs widerrufen kann. Zudem muss beachtet werden, dass die VW-Kunden aufgrund der Einschätzung des BGH zwar gute Chancen auf höhere Entschädigungen haben, eine Garantie dazu besteht jedoch nicht. Vor allem kann das Urteil des BGH im Hinblick auf den Ablauf der Widerrufsfrist nicht abgewartet werden.

Sie sind vom Dieselskandal betroffen und wollen nun von diesen aktuellen höchstrichterlichen Entscheidungen profitieren? Sie haben das Vergleichsangebot von VW angenommen und sind nun unsicher, ob ein Widerruf sinnvoll wäre und überhaupt möglich ist? Melden Sie sich bei uns! Wir prüfen die Sach- und Rechtslage und beraten Sie gerne umfassend zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten!


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