Dürfen Privatfirmen „Blitzer-Daten“ auswerten?

  • 3 Minuten Lesezeit

Im Frühjahr 2015 – bezeichnenderweise am 1. April – sorgte das Amtsgericht Parchim (Az. 5 OWi 2032/14) für Freude unter denjenigen Autofahrern, die gern zügig unterwegs sind: Die Auswertung von Geschwindigkeitsmessungen durch Privatfirmen sei „rechtsstaatswidrig“, die Ergebnisse unterlägen deshalb einem Beweisverwertungsverbot mit der Folge, dass die Messungen nicht herangezogen werden dürften, um Bußgelder zu verhängen.

Das Oberlandesgericht Rostock (Az. 21 Ss OWi 158/15) hat dieser Rechtsauffassung in der vergangenen Woche eine deutliche Abfuhr erteilt, die entsprechende Entscheidung aufgehoben und die betreffenden Verfahren an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Parchim zurückverwiesen: Die Mitarbeiter einer Privatfirma, die mit der Auswertung von Rohdaten aus Verkehrsüberwachungsmaßnahmen betraut wurden, seien als Sachverständige oder sachverständige Zeugen anzusehen. Es sei daher unbedenklich, ihre Ergebnisse im Bußgeldverfahren heranzuziehen. Vergleichbar werde schließlich auch bei der Entnahme und Auswertung von Blutproben bei Alkohol- und Drogentests durch private Ärzte, bei DNA-Analysen durch private Institute und bei der Auswertung sichergestellter Datenträger durch private IT-Experten unproblematisch verfahren.

Diese Begründung klingt zunächst plausibel, überzeugt bei Lichte betrachtet aber keineswegs: Die Entnahme von Blutproben stellt einen – wenn auch routinemäßig vorgenommenen – Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Sie ist deshalb zu Recht Ärzten vorbehalten. Die Einschaltung Privater in einen hoheitlichen Akt liegt hier im Interesse des Betroffenen, der sich kaum des Nachts auf der Landstraße von Polizisten eine Kanüle zur Blutentnahme setzen lassen will. Die Analyse von DNA-Mustern erfordert eine hochspezialisierte Ausbildung, die bei Polizisten nicht vorausgesetzt werden kann. Ergebnisse eines DNA-Abgleichs haben trotz allerlei berechtigter Kritik den Status eines unumstößlichen Beweismittels. Auch hier liegt es im Interesse des Betroffenen, dass nicht der Polizist das Mikroskop zückt, sondern Spezialisten tätig werden. Die Auswertung sichergestellter Datenträger durch Private ist ihrerseits rechtswidrig, wie Rechtsanwalt Maik Bunzel in seinem 2015 erschienenen Buch „Der strafprozessuale Zugriff auf IT-Systeme“ (S. 255) darlegt.

Entscheidend gegen die Auffassung des Oberlandesgerichts Rostock sprechen jedoch nicht nur diese Unzulänglichkeiten des herangezogenen Vergleichs, sondern insbesondere das häufig zwischen Kommunen und den privaten „Blitzer-Auswertern“ vereinbarte Vergütungsmodell: Die Privatfirmen erhalten ihre Bezahlung abhängig davon, wie viele verwertbare Aufnahmen sie abliefern. Hier liegt ein nicht unerheblicher Unterschied zu den Vergleichsfällen: Der Arzt, der eine Blutprobe nimmt, erhält seine Vergütung auch dann, wenn der Betroffene nüchtern war. Die DNA-Auswertung wird auch dann bezahlt, wenn der beauftragte Abgleich negativ ausfällt. Im Gegensatz dazu sind einer „im Zweifel für die Verwertbarkeit“-Haltung der Privatfirmen Tür und Tor geöffnet, wenn für ihre Bezahlung eine „Erfolgsquote“ gilt.

Ist es angesichts dieser Einwände trotz der Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock möglich, sich erfolgreich gegen die Blitzer-Auswertung einer Privatfirma zu wehren? Ja, erläutert Rechtsanwalt Maik Bunzel aus Cottbus: Gegen einen entsprechenden Bußgeldbescheid kann binnen zwei Wochen ab Zustellung Einspruch eingelegt werden. Hiermit sollte ein im Verkehrsrecht spezialisierter Rechtsanwalt beauftragt werden. Dieser kann Akteneinsicht nehmen und sodann erkennen, ob eine Privatfirma die Rohdaten der Geschwindigkeitsmessung ausgewertet hat. Ist dies der Fall, besteht zwar nicht zwangsläufig ein Beweisverwertungsverbot. Selbstverständlich müssen Privatfirmen aber denselben Anforderungen genügen, die auch für Behörden gelten: Ihre Mitarbeiter müssen für diese Tätigkeit ausreichend geschult sein. Es muss überwacht werden, ob sie die vorgeschriebenen Verfahrensweisen einhalten und zur Auswertung die bei der Zulassung eines standardisierten Messverfahrens von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt genehmigte Software verwendet haben. Außerdem müssen die Privatfirmen diversen datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen. All dies kann – etwa durch eigene Sachverständigengutachten – im Einspruchsverfahren und ggf. im anschließenden Gerichtsverfahren vorgebracht werden. Die Kosten hierfür übernimmt in der Regel Ihre Rechtsschutzversicherung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel

Beiträge zum Thema