Ehescheidung bei Demenz/Alzheimer

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Darf die Ehe auch dann geschieden werden, wenn einer der Ehegatten unheilbar an Demenz/Morbus Alzheimer erkrankt ist? Zunehmend müssen sich die Familiengerichte mit dieser Frage befassen.

Zu unterscheiden ist zunächst danach, ob

der Antragsteller/die Antragstellerin oder

der Antragsgegner/die Antragsgegnerin

eines Scheidungsverfahrens an Demenz erkrankt sind.

1. Erkrankung des Antragsgegners/der Antragsgegnerin

Es kommt vor, dass die Ehe der zunehmenden Belastung, die mit der Erkrankung entstehen, nicht mehr gewachsen ist. Zu diesen Belastungen zählen nicht nur der gewaltig erhöhte Pflegebedarf des erkrankten Ehegatten und die ständige Sorge um ihn. Besonders geeignet, die Ehe zu beeinträchtigen, sind negative Persönlichkeitsänderungen, die durch Demenz und Alzheimer verursacht werden können.

Die Ehe wird geschieden, wenn sie gescheitert ist. Die ist Ehe gescheitert, wenn

-        eine Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht (Diagnose) und

-        nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen (Prognose).

Zur Diagnose gehört, dass wenigstens einer der Ehegatten sich innerlich vom anderen abgewendet hat. Ein länger dauerndes Getrenntleben ist Indiz für die Prognose, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr wiederhergestellt werden kann.

Diese Voraussetzungen werden in der Regel erfüllt sein, wenn der „gesunde“ Ehegatte den Scheidungsantrag stellt.

Trotz des Scheiterns der Ehe wird nicht geschieden, wenn die Demenzerkrankung des anderen Ehegatten eine besondere Härte darstellt, die ihm nicht zugemutet werden kann. Das hat die Rechtsprechung angenommen, wenn die Ehe von langer Dauer war (im konkreten Fall 34 Jahre), bei einem Spätstadium einer multiplen Sklerose oder eines Krebsleidens mit einer Lebenserwartung von noch einem Jahr. Stets kommt es darauf an, ob sich die Situation des anderen Ehegatten gerade durch die Scheidung verschlechtert.

Legt man diese Kriterien zu Grunde, dürfte die Demenzerkrankung allein in der Regel keine besondere Härte begründen, die eine Scheidung hindert.

2. Erkrankung des Antragstellers/der Antragstellerin

Ist der Ehegatte wegen Demenzerkrankung nicht mehr geschäfts- und verfahrensfähig, kann sein Betreuer, mit Genehmigung des Familiengerichts, den Anwalt mit der Einleitung und Durchführung des Scheidungsverfahrens beauftragen.

In diesem Fall macht, wenn der „gesunde“ Ehegatte die Scheidung ablehnt, die Frage Probleme, ob die Ehe gescheitert ist, weil sich der antragstellende (demenzkranke) Ehegatte innerlich vom anderen abgewendet hat. Es kommt also nicht auf die Bewertung des Betreuers an, sondern auf die Haltung des erkrankten Ehegatten.

Die „Abwendung von der Ehe“ erfordert keine rechtliche Geschäftsfähigkeit. Es genügt aber für die Diagnose einer „Abwendung“ in der Regel nicht, dass der kranke Ehegatte nicht mehr das Bewusstsein hat, in einer Ehe zu leben. Es muss hinzukommen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft auf Dauer aufgehoben ist. Die eheliche Lebensgemeinschaft besteht aber weiter, wenn sich der „gesunde“ Ehegatte um seinen kranken Partner kümmert. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2001 den Scheidungsantrag für den behinderten Ehegatten abgewiesen, obwohl dieser nicht mehr im Bewusstsein gelebt hatte, eine Ehe zu führen.

Hingegen führte der Scheidungsantrag des dementen Ehemannes in einem anderen Fall zum Erfolg, wie das Oberlandesgericht Hamm in einer Entscheidung vom August 2013 bestätigte. Allerdings lagen außergewöhnliche Umstände vor. Der Ehemann war möglicherweise schon nicht mehr geschäfts- und ehefähig, als er im April 2011 geheiratet hatte. Seine Tochter nahm ihn bereits im Dezember des gleichen Jahres zu sich, der Scheidungsantrag wurde schon sehr früh, nämlich Anfang März 2013, gestellt.

Das Familiengericht holte ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ein, wonach der Ehemann wirksam, mit „natürlichem“ Willen, die Ehe ablehnte. Maßgeblich dürfte aber mit gewesen sein, dass das Familiengericht die Beteuerung der jungen Ehefrau, sie wolle an der Ehe festhalten, als bloßes Lippenbekenntnis angesehen hat.

3. Rechtliche Schlussfolgerung

Eine Demenzerkrankung hindert die Scheidung der Ehe in aller Regel nicht – gleichgültig, ob der antragstellende Ehegatte an Demenz erkrankt ist oder der andere Ehegatte. Stellt der erkrankte Ehegatte – durch seinen Betreuer – den Scheidungsantrag, wird er Erfolg haben, wenn er kraft „natürlichen“ Willens die Ehe ablehnt bzw. nicht mehr das Bewusstsein hat, in einer Ehe zu leben, und die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht.

Handelt es sich beim Betreuer um ein Kind des Ehegatten, wird das Familiengericht allerdings kritisch prüfen, ob hinter dem Scheidungsantrag nicht etwa nur der Wunsch steht, sich eine bessere Erbenposition zu verschaffen. Denn bereits mit Zustellung eines begründeten Scheidungsantrags verliert der antragsgegnerische Ehegatte sein gesetzliches Erbrecht.

Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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