Elterliche Sorge: Übertragung des alleinigen Sorgerechts bei Geschlechtsidentitätsstörung des Kindes

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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte sich im Jahr 2017 mit der Verfassungsbeschwerde einer Kindesmutter zu befassen, die sich gegen die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das gemeinsame, im Jahr 2008 geborene und personenstandsrechtlich als Junge registriertes Kind auf den Kindesvater wehrte (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.12.2017 zum Aktenzeichen 1 BvR 1914/17).

Die Eltern waren uneins, wie mit dem von dem Kind geäußerten Wunsch umzugehen sei, lieber ein Mädchen sein zu wollen und Mädchenkleidung zu bevorzugen. Die Kindesmutter warf dem Vater des Kindes vor, die Neigung des Kindes zu ignorieren, indem er unter anderem das Tragen von Mädchenkleidung untersage.

Bei wechselseitig gestellten Anträgen auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts sprach das erstinstanzlich mit der Angelegenheit befasste Familiengericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die alleinige elterliche Sorge dem Kindesvater zu. Gegen diese Entscheidung wandte sich die Kindesmutter zunächst zweitinstanzlich erfolglos mit der Beschwerde sowie anschließend mit einer Anhörungsrüge an das Oberlandesgericht Naumburg und sodann an das Bundesverfassungsgericht.

Das Bundesverfassungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Kindesmutter durch die von ihr angegriffenen Entscheidungen, soweit diese das Sorgerecht betreffen, in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 verletzt sei, und hob den Beschluss des Oberlandesgerichts bei gleichzeitiger Rückverweisung zur erneuten Entscheidung auf. Diese Entscheidung stützte das Gericht auf den Umstand, dass bei Sorgerechtsentscheidungen der Wille des Kindes miteinzubeziehen sei, welcher mit zunehmendem Alter an Bedeutung gewinne. Mit der Äußerung seines Willens mache ein Kind von seinem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch. Nur durch eine Berücksichtigung der wachsenden Fähigkeit und des wachsenden Bedürfnisses des Kindes zu selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln könne das Kind dabei unterstützt werden, zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu werden. Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts ließen jedoch nicht erkennen, dass hinreichende Feststellungen zum Kindeswohl und der aktuellen Bedürfnislage des Kindes im konkreten Fall getroffen worden seien.




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