EuGH prüft Wirksamkeitsvoraussetzungen bei Massenentlassungen.

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Frage angerufen, welche Folgen ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers bei Massenentlassungen hat.

Konkret geht es um die Frage, welche Angaben iSd. § 17 KSchG ein Arbeitgeber gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bei Massenentlassungen machen muss und welche Folgen ungenügende Angaben des Arbeitgebers haben. Bereits in einem anderen Verfahren hatte das LAG Hessen die Unwirksamkeit einer Massenkündigung aufgrund fehlender Angaben des Arbeitgebers festgestellt. Lesen Sie hier mehr dazu.

Welchem Zweck dient die Mitteilungspflicht?

In dem aktuellen Verfahren hatte es ein Arbeitgeber versäumt der Arbeitsagentur eine Abschrift über das Konsultationsverfahren und über die Verhandlungen mit dem Betriebsrat vorzulegen, wie es § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG eigentlich vorsieht. Der insolvente Arbeitgeber (bzw. der Insolvenzverwalter) sprach dennoch gegenüber allen 195 Arbeitnehmer:innen die Kündigungen aus.

Ein betroffener Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung bis zum BAG. Der Kläger argumentiert, dass der offensichtliche Verstoß gegen die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers gem. § 17 Abs. 3 KSchG keine sanktionslose Nebenpflichtverletzung, sondern die Erfüllung dieser Pflichten vielmehr eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungen sei. Die Vorschrift habe unmittelbar arbeitnehmerschützende Wirkung, weil die Arbeitsagentur ihre Vermittlungsbemühungen nur bei vollständiger Mitteilung der Arbeitgeberseite umstellen und ggfl. intensivieren könne. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.

Mitteilungspflichten des AG: "kann" oder "soll"-Bestimmung?

Das BAG möchte lt. Pressemitteilung v. 27.1.2022 nun die Frage vom EuGH klären lassen, welchem Zweck die Mitteilungspflichten dienen. Bisher hatten die Gerichte in den Mitteilungspflichten keine Wirksamkeitsvoraussetzungen gesehen, jedenfalls sah man wohl einige Informationen iSd. § 17 Abs. 2 KSchG nicht als "soll", sondern nur als "kann"-Bestimmung an. Eine Unterscheidung von erheblicher Tragweite, denn bei einer "kann" - Regelung hätte ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten keine Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge.

Fazit

Sollte der EuGH entscheiden, dass eine Massenkündigung nur bei vollständigen Mitteilungen wirksam ist, dürften diese in Zukunft aufwändiger, aber nicht unbedingt schwerer werden. Dennoch sollte man als Betroffene/r bei einer Massenkündigung genauer hinschauen. Dabei gibt es allerdings einen kleinen Haken: die wenigsten Arbeitgeber dürften bereit sein, den gekündigten Arbeitnehmer:innen die vollständige Massenentlassungsanzeige vorzulegen. Deshalb sind entweder die Betriebsrät:innen aufgefordert, die Massenentlassungsanzeige zu prüfen oder die gekündigten Arbeitnehmer:innen müssen gegen die Kündigung Klage erheben und die ordnungsgemäße Mitteilung des Arbeitgebers im Rahmen des Gerichtsverfahrens prüfen. 

Einmal mehr sollten Arbeitnehmer:innen deshalb ihre Rechte rechtzeitig wahren und im Zweifelsfall innerhalb der 3-Wochenfrist Kündigungsschutzklage erheben.



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