EuGH-Urteil vom 22.03.2018 zu Anlegerentschädigungssystemen gemäß der EU-Richtlinie 97/9

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Nach dem EuGH-Urteil vom 22.03.2018 – C-688/15, C-109/16, Snoras – betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV durch das Oberste Gericht in Litauen – unterfällt ein Entschädigungsanspruch aus Einlage und Anlage bei einer insolvent gewordenen Bank sowohl dem Anlegerentschädigungssystem gemäß der EU-Richtlinie 97/9 als auch dem Einlagensicherungssystem gemäß der EU-Richtlinie 94/19. In Litauen waren 257 Geschädigten zweitinstanzlich Entschädigungsansprüche zugesprochen worden.

Das auf beide Richtlinien gestützte frühere deutsche Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) vom 16. Juli 1998 wurde zum 3. Juli 2015 umbenannt und als Anlegerentschädigungsgesetz (AnlEntG) fortgeführt. Gleichzeitig trat das Einlagensicherungsgesetz (EinSiG) in Kraft. Änderungen hatten sich durch die Umbenennungen kaum ergeben.

Gegenstand des Verfahrens in dem EuGH-Urteil vom 22.03.2018 waren Schadensersatzansprüche wegen bei der AB bankas „Snoras“ für die Zeichnung neuer Schuldverschreibungen eingezahlter Gelder. Die Schuldverschreibungen sollten von Snoras selbst ausgegeben werden. Wegen der Insolvenz kam es nicht mehr zur Emission.

Nach dem EuGH-Urteil richten sich die geltend gemachten Ansprüche sowohl nach dem Anlegerentschädigungssystem gemäß der Richtlinie 97/9 als auch nach dem Einlagensicherungssystem gemäß der Richtlinie 94/19.

Die litauische Regierung hätte zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass das öffentliche Anbieten selbst ausgegebener Finanzinstrumente durch ein Kreditinstitut an sich keine Wertpapierdienstleistung oder Anlagetätigkeit im Sinne der MiFID-Richtlinie darstelle, so das EuGH-Urteil vom 22.03.2018 – C-688/15, Rndr. 16. Schließe der Emittent mit seinen Kunden Verträge über die Zeichnung eigener Finanzinstrumente, übe er aber zwangsläufig eine Anlagetätigkeit im Sinne der MiFID-Richtlinie aus, so die Begründung in dem EuGH-Urteil vom 22.03.2018.

Ein Vertrag über die Zeichnung von Finanzinstrumenten stelle einen Kundenauftrag dar. Der Emittent sei Partei der Vereinbarung und zugleich Vermittler.

In Abgrenzung dazu sei eine Verwirklichung eines Investmentrisikos durch die Anlegerentschädigungssysteme nicht abgesichert. Wohl aber seien die Anleger gegen das Risiko des Betruges, der Verletzung von Berufspflichten oder eines Bearbeitungsfehlers geschützt, EuGH-Urteil, Rdnr. 74.

Im Ergebnis blieb anhand der Begründung nicht offen, ob die volle Erstattung des Anspruches wegen der Einlage oder der Anlage bei dem Finanzinstitut erfolgen soll. Einschlägig waren beide Sicherungssysteme, das für Einleger und das für Anleger.

Das deutsche Anlegerentschädigungsgesetz sieht keinen Schadensersatzanspruch vor, sondern die Ersetzung eines Anspruches von Einzahlungen, die aufgrund der Insolvenz des Institutes nicht weitergeleitet werden konnten. Ansprüche auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren sollen geschützt sein, soweit diese durch Unterschlagung oder Veruntreuung vereitelt worden seien. Schadensersatzansprüche sollen ausscheiden, insbesondere wegen falscher Beratung oder fehlerhafter Anlage.

Mit anderen Worten: Erstattungsfähig sollen nur die nicht weitergeleiteten Gelder sein, die bei der Insolvenz der Finanzdienstleistung zur Insolvenzmasse gezogen werden.

Das EuGH-Urteil vom 22.03.2018 stellte hingegen in einem verbraucherfreundlichen Sinne fest, dass die Ansprüche der Anleger nicht auf Forderungen beschränkt blieben, die sich auf Gelder bezögen, die von Wertpapierfirmen auf den Namen der Anleger gehalten würden. Ziel der Richtlinie 97/9 sei es u. a., Anleger dagegen zu schützen, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage sei, ihren Verpflichtungen gegenüber ihnen nachzukommen.

Deshalb kann die Deckung durch die in der Richtlinie 97/9 vorgesehenen Anlegerentschädigungssysteme nicht auf Forderungen beschränkt werden, die sich auf Gelder beziehen, die von Wertpapierfirmen oder als Wertpapierfirma agierenden Kreditinstituten auf den Namen der Anleger lautenden Konten gehalten werden,“ EuGH-Urteil vom 22.03.2018 – C-688/15, Rndr. 80.

Aus dieser Feststellung ist die Folgerung zulässig, dass EU-rechtlich die Entschädigung der Höhe nach dem Schadensersatzanspruch entsprechen dürfte und nicht auf Forderungen beschränkt ist, die sich auf Gelder beziehen, die von Wertpapierfirmen im Zeitpunkt der Insolvenz für Anleger gehalten werden.

Fazit: Das EuGH-Urteil vom 22.03.2018 – C-688/15 – dürfte vornehmlich Eigenemittenten tangieren, die auch Wertpapierdienstleistungen durchführen. Es dürfte damit für die kapitalmarktrechtliche Compliance und das Risikomanagement bei den Emissionen von Finanzinstrumenten nach dem Wertpapierprospektgesetz, Vermögensanlagengesetz und dem Kapitalanlagegesetzbuch von Bedeutung sein.


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