Fälschung von Impfpässen - so geht es weiter bei Freispruch, Einstellung oder laufendem Verfahren

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Gegen mich läuft ein Strafverfahren wegen Fälschung von Impfausweisen – wirkt sich das Urteil darauf aus?

Soweit die vorgeworfene Tat vor dem 24.11.2021 begangen wurde, das Verfahren aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen wurde, wird sich die Entscheidung des BGH wohl auf die Urteilsfindung auswirken. Zwingend ist das nicht. Entscheidungen des BGH entfalten nicht für alle gerichtlichen Entscheidungen Bindungswirkung. Allerdings richten sich die Entscheidungen der Gerichte stark nach der Rechtsprechung des BGH, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das Urteil des BGH zur Strafbarkeit der Fälschung von Impfausweisen vor dem 24.November 2021 Auswirkungen auf den Ausgang noch laufender Verfahren haben wird.

Ich wurde wegen Verneinung der Strafbarkeit freigesprochen – muss ich nun mit einem neuen Strafverfahren rechnen?

Wurden Sie rechtskräftig freigesprochen, so tritt grundsätzlich sogenannter Strafklageverbrauch ein.

Das bedeutet, dass die Tat derer Sie beschuldigt wurden, nicht mehr angeklagt bzw. im Rahmen eines Strafverfahrens verfolgt werden kann.

Hiervon gibt es zwar Ausnahmen, das „bloße“ ändern der Rechtsauffassung begründet aber noch keine Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Beschuldigten.

Das Strafverfahren gegen mich wurde eingestellt – muss ich nun mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens rechnen?

Hier muss zunächst einmal differenziert werden. Es gibt nämlich mehrere Wege, wie ein Strafverfahren ohne Urteil beendet wird, indem das Verfahren eingestellt bzw. von der (weiteren) Strafverfolgung abgesehen wird.


Wir gehen hier einmal auf die Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts (§ 170 Abs.2 StPO) und dem Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO ein.

Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs.2 StPO

Hat die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt, der einem strafrechtlichen Vorwurf zugrunde liegt, ermittelt, so muss sie eine Entscheidung treffen, wie es nun weiter geht.

Kommt sie zu dem Schluss, dass kein hinreichender Tatverdacht vorliegt, dass der oder die Beschuldigte die vorgeworfene Tat begangen hat, so stellt sie das Strafverfahren ein.


Ein hinreichender Tatverdacht fehlt dann, wenn eine spätere Verurteilung unwahrscheinlich ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn …

1. der ermittelte Sachverhalt, das Verhalten des Beschuldigten, kein strafbares Verhalten darstellt,

2. die Straftat nicht hinreichend bewiesen werden kann oder

3. dauerhafte Hindernisse vorliegen, die einem Strafverfahren entgegenstehen


Verneint die Staatsanwaltschaft die Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung wegen Annahme einer Sperrwirkung, so stellt sie das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein, weil der ermittelte Sachverhalt nicht strafbar ist.


Der BGH sieht das nun anders. Wirkt sich dies aus?

Ja, das kann sich auswirken. Das liegt daran, dass eine Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts keine Rechtskraft entfaltet.

Strafklageverbrauch tritt im Rahmen der Einstellung nach § 170 Abs.2 StPO also gerade nicht ein.

Die strafrechtliche Verfolgung kann also wieder aufgenommen werden. Dies gilt nicht nur dann, wenn neue Beweismittel auftauchen, sondern auch wenn sich die Auffassung der rechtlichen Lage der Staatsanwaltschaft ändert, was zum Beispiel durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs begründet werden kann.


Die Grenze ist aber spätestens die Verjährung. Sobald die Straftat verjährt ist, kann sie nicht mehr im Wege eines Strafverfahrens verfolgt werden.


Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO

Die Situation bei einer Einstellung des Verfahrens durch Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO ist von Vornherein eine Andere. Das liegt daran, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Fall eine Strafbarkeit bejaht.

Sie – und auch das Gericht, das zur Entscheidung über die Sache zuständig wäre – ist nur der Ansicht, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung schon dann hinreichend befriedigt ist, wenn der Beschuldigte bestimmte Auflagen bzw. Weisungen erfüllt (z.B. die Zahlung eines Geldbetrags an eine gemeinnützige Einrichtung, § 153a Abs.1 Satz 2 Nr.2 StPO). Zudem darf die Schwere der Schuld einer solchen Einstellung nicht entgegenstehen (vgl. § 153a StPO).

Der Knackpunkt ist also, dass das Gericht in diesem Fall eine Strafbarkeit bejaht hat.

Die Frage ist nur, wonach.

Wurde eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung nach § 267 Abs.1 oder Abs.2 StGB bejaht und das Verfahren aber nach § 153a StPO eingestellt, so ändert sich insofern nichts, als das Urteil des BGH diese Entscheidung nur bestätigt.

Je nach vorgeworfener Tat hat sich diese möglicherweise aber nicht „nur“ als die Fälschung von Impfausweisen dargestellt, sondern es könnten auch noch andere strafbare Dinge geschehen sein, die aber zusammen mit der Fälschung von Impfausweisen einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang darstellen, sodass es sich um eine Tat in diesem Sinne handelt, von deren Verfolgung nach § 153a StPO abgesehen wurde.

Dann könnte der Fall eingetreten sein, dass eine Sperrwirkung bejaht, eine Urkundenfälschung verneint aber eine etwaige andere Strafbarkeit bejaht wurde (wegen einer anderen Straftat, die verwirklicht wurde und mit der Fälschung von Impfausweisen in engem Zusammenhang steht).

Dann wirft das Urteil des BGH nun ein anderes Licht auf das Geschehen. Nun ist nämlich auch die Fälschung der Impfausweise strafbar.

Im Gegensatz zu einer Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts entfaltet eine Einstellung gegen Auflagen und Weisungen aber zum Teil Rechtskraft.

Zum Teil tritt die Rechtskraft nur ein, weil die Tat nur als Vergehen im strafrechtlichen Sinne nicht mehr verfolgt werden kann.

Das sind solche Straftaten, für die das Gesetz eine Mindeststrafe einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr vorsieht (§ 12 Abs.2 StGB).

Beachte: (partielle) Rechtskraft tritt auch nur dann ein, wenn die Auflagen und oder Weisungen tatsächlich erfüllt wurden.

Treten allerdings neue Erkenntnisse hervor und das Geschehen stellt sich nun so dar, dass sich der Beschuldigte eines Verbrechens schuldig gemacht hat, so kann das Verfahren wieder aufgenommen werden. Verbrechen sind solche Straftaten, für die mindestens eine Freiheitsstrafe von einem Jahr angedroht ist (§ 12 Abs.1 StGB).

Die Urkundenfälschung ist in den meisten Fällen ein Vergehen im strafrechtlichen Sinne, so dass dann eine erneute Verfolgung nach § 153a Abs.1 Satz 5 verwehrt wäre.

Handelte der Beschuldigte allerdings sowohl gewerbsmäßig als auch als Mitglied einer Bande im Sinne des § 267 Abs.4 StGB, so stellt diese Urkundenfälschung ein Verbrechen dar. Insoweit kann das Verfahren wieder aufgenommen werden.


Die Grenze der Verfolgung einer Straftat liegt auch hier spätestens bei der Verjährung der Straftat.


Wie sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs konkret auf das gegen Sie gerichtete Strafverfahren auswirkt, besprechen Sie am Besten mit Ihrem Strafverteidiger. Dieser kennt dann die genauen Umstände des Einzelfalls und kann die Situation entsprechend rechtlich würdigen und ein gegebenenfalls notwendiges weiteres Vorgehen mit Ihnen besprechen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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