Fristlose Kündigung bei Nichtvorlage eines Impfnachweises bei einrichtungsbezogener Impfpflicht

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Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist seit dem 15.03.2022 gem. § 20 a IfSG wirksam und ein Antrag auf Außervollzugsetzung dieser Imfpfpflicht wurde unter dem 10.02.2022 vom Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2649/21), meiner Auffassung nach auch zu Recht, abgelehnt.

Es häufen sich seitdem arbeitsrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, sodass hier ein kurzer Sachverhalt aufgearbeitet werden soll, der zeigt, dass eine Impfpflicht zwar grundsätzlich durchgesetzt und mitunter dazu führen kann, dass ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden kann, die Nichtvorlage eines Impfnachweises jedoch nicht ohne Weiteres eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, wenn kein Beschäftigungsverbot vorliegt.

Daher zunächst ein Fall aus der Praxis:

Kläger K ist seit 2020 Auszubildender in einer Pflegeeinrichtung für ältere Menschen, die zweifelsfrei in den Bereich des § 20 a IfSG fällt. K kommt regelmäßig seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nach und führt seine Arbeit ohne Vorkommnisse stets korrekt aus. Durch die Personalabteilung wird ihm Ende Februar 2022 mitgeteilt, dass er zum 15.03.2022 einen Impfnachweis vorlegen müsse, da man ihn ohne Nachweis nicht arbeiten lassen werde und ihn sonst dem Gesundheitsamt melden müsse. 

K kommt dieser Aufforderung nicht bis zum 15.03.2022 nach, erscheint zuvor jedoch negativ getestet zur Arbeitsstelle und bietet seine Arbeitskraft für die jeweiligen Dienste an. Er wird jedoch von der Pflegeeinrichtung nach Hause geschickt. Am 16.03.2022 spricht die Pflegeeinrichtung die fristlose außerordentliche Kündigung des Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisses aus. Hiergegen wehrt sich der K im Wege der fristgerecht eingereichten Kündigungsschutzklage. Er ist der Auffassung, dass eine fristlose Kündigung nicht darauf gestützt werden könne, dass er keinen Impfnachweis vorgelegt habe.

Die Pflegeeinrichtung beschäftigt regelmäßig über 10 Vollzeitkräfte, sodass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. 


Rechtliche Würdigung:


Zunächst wird deutlich gemacht, dass durch diesen Artikel weder die Gefährlichkeit der Viruserkrankung CoVid-19 geleugnet werden soll, noch den Bewohnern der Pflegeeinrichtung der notwendige Schutz für diese abgesprochen werden soll. Dieser Rechtstipp umfasst lediglich die rechtliche Einordnung der hohen Anforderungen an eine fristlose Kündigung und die Voraussetzungen dieser. 


Die fristlose Kündigung dürfte nach meiner Auffassung unwirksam sein und das Ausbildungs- und Arbeitsverhältnis nicht beendet haben. 

Nach § 626 I BGB kann ein Arbeitsverhältnis außerordentlich, also fristlos gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der unter Abwägung beider Seiten ein Abwarten bis zur ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar macht. 

Ein solcher, wichtiger Grund dürfte hier nicht vorgelegen haben.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht (welche von mir befürwortet wird), führt nicht qua Gesetz zum Beschäftigungsverbot des K, da dieser bereits vor dem Stichtag des 15.03.2022 beschäftigt war; vielmehr ist die Einrichtung verpflichtet, ab dem 16.03.2022 dem zuständigen Gesundheitsamt eine Meldung zu machen, welcher Mitarbeiter einen entsprechenden Impf-oder Genesenennachweis nicht vorgelegt hat. 

Eine fristlose Kündigung als ultima ratio dürfte danach unwirksam sein, bereits eine Abmahnung dürfte sich als schwierig gestalten, da der K im vorliegenden Fall seine Arbeitsleistung angeboten hat und dabei negativ auf das Coronavirus getestet war. Das Prinzip "keine Lohn ohne Arbeit" kann hier nicht gelten, da sich die Pflegeeinrichtung im Annahmeverzug befand. Eine Beschäftigung des K war rechtlich nach dem 16.03.2022 nicht unzulässig, sodass der K mit der Kündigungsschutzklage erfolgt haben dürfte und die fristlose Kündigung unwirksam ist. 

Bewertung nach Vorliegen eines Beschäftigungsverbots

Etwas anderes dürfte dann gelten, wenn das Gesundheitsamt nach Hinweis durch die Pflegeeinrichtung ein Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsverbot verhängt. Dann dürfte mindestens ein ordentlicher Kündigungsgrund, nach entsprechender Abmahnung vorliegen, da entweder eine personenbedingte Kündigung (für die Beschäftigung fehlt eine gesetzliche Voraussetzung) oder aber eine verhaltensbedingte Kündigung (der Mitarbeiter lässt sich nicht impfen, bzw. legt keinen entsprechenden Nachweis vor) ausgesprochen werden könnte.
Ob dann eine fristlose Kündigung rechtfertigt wäre, bleibt spannend und wird von den Gerichten im Einzelfall entschieden werden müssen. 

Eine Freistellung dürfte jedenfalls für den Arbeitgeber möglich sein, wenn er eine weitere Tätigkeit vor dem Beschäftigungsverbot verhindern möchte. Das Arbeitsgericht Gießen hat zuletzt durch  Urt. v. 12.04.2022 (Az.: 5 Ga 1/22, 5 Ga 2/22) entschieden, dass ein Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Wertung des § 20 a IfSG die Interessen der Heimbewohner an ihrer Gesundheit höher stellen darf, als das persönliche Interesse des Arbeitnehmers, seine Tätigkeit auszuführen. In den Sachverhalten hatte das Pflegeheim zwei Arbeitnehmer vom Dienst freigestellt, da eine Vorlage eines Impfnachweises unterblieben war. Das Gericht lehnte die einstweilige Verfügungen der beiden Arbeitnehmer, die auf die Weiterbeschäftigung gerichtet waren, ab, da der Gesundheitsschutz der Heimbewohner höher wiege. Diese Auffassung wird uneingeschränkt geteilt. 

Wie dieser Beitrag gezeigt hat, ist die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oftmals nicht die Einzige und selten die einfachste Lösung. Es darf mit Spannung erwartet werden, wie Gerichte den Ausspruch von Kündigungen im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vor- und insbesondere nach dem Vorliegen eines Beschäftigungsverbots durch die zuständigen Gesundheitsämter sehen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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