Gar nicht so leicht für den Richter im Bußgeldverfahren

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Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht sind Massenverfahren und bei manchem Amtsrichter durchaus unbeliebt. Tag für Tag müssen sie sich die gleichen Ausreden der Betroffenen anhören und wenn es ganz schlimm kommt auch noch mit Anträgen der Verteidigung auseinandersetzen. Es gibt daher viele Erleichterungen für die Gerichte, damit sie der Masse an Verfahren Herr werden können.


Aber manchmal ist es doch nicht ganz so leicht, wie ein Beschluss des OLG Düsseldorf aus dem Jahr 2020 zeigt. Dabei hat das Gericht folgende Leitsätze aufgestellt:

1. Bei einer Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO müssen die Urteilsgründe Feststellungen darüber enthalten, an welcher konkreten Wechsellichtzeichenanlage sich der Verstoß ereignet hat, wie dieser Bereich verkehrstechnisch gestaltet ist (Fußgängerüberweg, Kreuzungs- oder Einmündungsbereich, Anzahl und ggf. nähere Ausgestaltung der Fahrstreifen) und welchen Verkehrsbereich die Anlage geschützt hat (Fußgängerfurt und/oder Kreuzungsbereich mit Querverkehr), ebenso ob der Betroffene überhaupt in den geschützten Bereich eingefahren ist (Fahrstreifen und Fahrtrichtung des Betroffenen).

2. Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß bedarf es in den Urteilsgründen der Feststellung, ob vor der Lichtzeichenanlage eine Haltelinie vorhanden ist und ggf. wie lange das Rotlicht beim Überfahren schon andauerte (Anschluss OLG Saarbrücken, 5. November 2015, Ss (Bs) 76/2015 (44/15 OWi).

3. Beruht die Feststellung der Rotlichtzeit von mehr als 1 Sekunde auf Schätzungen von Zeugen, insbesondere von Polizeibeamten, müssen die Schätzungen wegen der ihnen innewohnenden möglichen Fehlerquellen durch das Hinzutreten weiterer, im tatrichterlichen Bußgeldurteil anzugebender Umstände erhärtet und hinsichtlich ihrer Grundlagen sowie ihres Beweiswerts vom Tatrichter einer kritischen Würdigung unterzogen werden (Anschluss OLG Köln, 20. März 2012, III-1 RBs 65/12, ZfSch 2012, 292).


Das klingt auf den ersten Blick alles ziemlich banal, bereitet in der Praxis aber immer wieder Schwierigkeiten. Hier gibt es dann gute Ansätze für eine Verteidigung, selbst in der Rechtsbeschwerde als 2. Instanz.

Allerdings ist die Rechtsbeschwerde innerhalb einer Woche ab mündlicher Urteilsverkündung zu erheben, zu einem Zeitpunkt also, zu welchem die schriftlichen Urteilsgründe noch gar nicht vorliegen.

Daher kann ich aus anwaltlicher Sicht nur empfehlen, gegen ein solches Urteil, vor allem wenn es ein Fahrverbot beinhaltet, immer Rechtsbeschwerde einzulegen und dann die schriftlichen Urteilsgründe abzuwarten.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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