Geblitzt! PoliScan-Speed Verstoß gegen Bauartzulassung belegt – AG Mannheim, Beschluss v. 29.11.2016

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Die Ausführungen der Sachverständigen sind nun bestätigt!

Bereits in meinem letzten Rechtstipp habe ich darauf hingewiesen, dass durch einen Sachverständigen nachgewiesen wurde, dass das Messgerät PoliScan Speed auch Messwerte berücksichtigt, die außerhalb des von der Bauartzulassung vorgeschriebenen Bereichs liegen. Vom Messgerät werden Fahrzeuge im ankommenden Verkehr gemessen, registriert und dann vom Gerät über eine Messdistanz von 75-10 Meter vor dem Gerät hinweg verfolgt. Die innerstaatliche Bauartzulassung schreibt vor, dass die Messwerte nur aus einem Korridor von 50-20 Meter vor dem Messgerät in die Messung miteinfließen dürfen.

In der Vergangenheit wurden die Messgeräte von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) im Rahmen der Zulassung geprüft und dann „freigegeben“. So auch beim Messgerät PoliScan Speed. Im Jahr 2009 hat die PTB die Bauartzulassung dahingehend abgeändert, dass die Messwerte aus dem oben genannten Korridor stammen müssen!

Pikant ist, dass der PTB bekannt war und ist, dass das Messgerät auch Werte außerhalb dieses Bereichs bei der Berechnung der Geschwindigkeit berücksichtigt. Auch dem Hersteller Vitronic ist dies bekannt. Gleichwohl wurde das Gerät über Jahre nicht aus dem Verkehr gezogen und den geänderten Vorgaben der Bauartzulassung angepasst! Massive Zweifel an der Prüfungskompetenz der PTB sind angebracht.

Das Amtsgericht Mannheim hat sich hiermit detailliert auseinandergesetzt und einen Sachverständigen, einen Mitarbeiter der PTB und einen Mitarbeiter des Herstellers vernommen. Im Beschluss vom 29.11.2016 (Az. 21 OWiG 509 Js 35740/15) hält es dann fest:

Jedenfalls war ursprünglich wohl angedacht. eine (neue) Messmethode gerichtlich einer Überprüfung zuzuführen und im Falle. sie bewähre sich im Alltag, die Beweisaufnahme nur noch im reduziertem Umfang zu verlangen. Daraus wurde mit Einführung der Digitalisierung und dem herbeigeführten Mangel an Plausibilisierungsmöglichkeiten, beispielsweise den Annullierungsraten, ein System eingeführt, dass dem Betroffenen eine Beweislastumkehr verbunden mit einer Beweismittelmittelzugangsverhinderung gleichkommt. Dies gilt jedoch nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für den Richter. Er sieht sich einer Situation gegenüber, die ihm bei einem standardisierten Verfahren eine Beweisführung faktisch unmöglich macht. Er selbst kann nur auf die Arbeit der PTB vertrauen [...].“.

Die Problematik für den Betroffenen ist aber noch größer, denn es wird ihm regelmäßig schwer gemacht, an die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Daten heranzukommen. Hierzu erkennt das AG Mannheim zutreffend:

„Dies verschärft sich noch, folgt man dem Oberlandesgericht Frankfurt [...], dass der einzelne Betroffene aus datenschutzrechtlichen Gründen keinen Anspruch auf die Beiziehung der kompletten Messreihe habe. 

Denn es gibt Fehlerquellen, die sich erst bei der Auswertung eben jener zeigen, so die bereits beschriebenen Abweichungen hinsichtlich der Verkehrsfehlergrenze.“

Um das Recht auf umfassende Akteneinsicht gegenüber den Verwaltungsbehörden oder dem Gericht durchzusetzen, bedarf es eines versierten Verteidigers. Hier sollte bereits gegenüber der Verwaltungsbehörde gehandelt werden.

„Nach Auffassung vieler Oberlandesgerichte gibt die Prüfung und Zulassung durch die PTB die Sicherheit, dass eine zuverlässige Messung erfolgt. Es gibt jedoch Umstände, die den Sachverständigen Dipl. Phys. Kupper zu keiner Antwort auf die Frage veranlasste, ob angesichts dieser noch zu erörternden Umstände er die Korrektheit der Messwertbildung bejahen könnte.“.

Hierdurch hat das AG Mannheim klar festgehalten, dass der Mitarbeiter der PTB an entscheidender Stelle nicht bereit war, die Frage(n) des Gerichts zu beantworten. Zur Verdeutlichung sei nochmals hervorgehoben, dass es sich bei der PTB um die Bundesbehörde handelt, welche für die Prüfung und Zulassung der Messgeräte zuständig war. Die fehlende Bereitschaft, die Fragen des Gerichts zu beantworten, lässt nur zwei Schlüsse zu. Entweder hat man die Umstände nicht geprüft oder man ist zugunsten des Herstellers nicht bereit, auf die Einhaltung der eigenen Vorgaben zu bestehen. Beides ist für eine Bundesbehörde unverantwortlich, denn im Extremfall droht durch eine vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung ein Fahrverbot, das wiederum den Verlust des Arbeitsplatzes oder der Existenz zur Folge haben kann.

Im Fazit hält das AG Mannheim fest:

„Wie ausgeführt, tragen diese Rohdaten zur Messwertbildung bei (entgegen der Bauartzulassung).

Abschnitt 11 zu EO 18-11 limitiert die Verkehrsfehlergrenzen. § 37 Abs. 2 MessEG führt § 13 Abs. 1 EO fort. Danach endet die Eichfrist unbeschadet der Ursache und Häufigkeit der Nichteinhaltung der Verkehrsfehlergrenzen.“.

Das Amtsgericht Mannheim hat also nicht nur das Versteckspiel von PTB und Hersteller durchschaut, sondern auch konstatiert, dass das Messgerät unter diesen Umständen nicht mehr geeicht ist. Mit einem ungeeichten Gerät darf aber nicht mehr gemessen werden!

Es empfiehlt sich daher, frühzeitig einen Experten für Geschwindigkeitsmessungen einzuschalten.

RA Hamm hat sich u.a. auf die Verteidigung gegen Geschwindigkeitsmessungen, Abstandsunterschreitungen oder den Vorwurf, eine rote Ampel überfahren zu haben (sog. Blitzer), spezialisiert. Regelmäßig werden Messungen mit den Geräten PoliScan Speed, ES1.0, ES3.0, Riegl FG21-P, ProVida, VKS, Traffipax SpeedoPhot, Traffipax TraffiStar, TraffiPatrol, Multanova, LaserPatrol, LEIVTEC, GATSO, LAVEG und JVC-Piller CGP50E durchgeführt. Reagieren Sie nicht auf Schreiben der Behörden, sondern rufen Sie RA Hamm gleich an, damit er Sie von Anfang an unterstützen und alle Möglichkeiten der Verteidigung für Sie ausschöpfen kann. RA Hamm hilft in Strafverfahren und Bußgeldsachen – deutschlandweit.

Rechtsanwalt Werner Hamm

Fachanwalt für Strafrecht

Bogdahn & Partner mbB Rechtsanwälte



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