Gefährliche Körperverletzung gem. § 224 StGB - vom Strafrechtsspezialisten erklärt

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Sind Sie Beschuldigter einer Straftat gem. §§ 223, 224 StGB? Dann kann Ihnen der folgende Beitrag helfen. Im folgenden Beitrag wird der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung durch Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Dülmen, Ahaus Borken) näher besprochen und anhand von Beispielen erklärt. Dadurch können Sie sich einen ersten Überblick verschaffen und Ihr weiteres Vorgehen planen.

 Zunächst ist zu betonen, dass die gefährliche Körperverletzung gem. § 224 StGB eine Qualifikation der Körperverletzung gem. § 223 StGB darstellt. Dies bedeutet, dass alle Voraussetzungen einer Körperverletzung vorliegen müssen und zudem noch weitere Umstände hinzutreten müssen, die eine besondere Gefährlichkeit begründen und demnach eine höhere Strafe nach sich ziehen.


Wann liegt eine Körperverletzung vor?

Eine Körperverletzung liegt vor, wenn man eine andere Person an der Gesundheit schädigt oder sie körperlich misshandelt. Eine Gesundheitsschädigung sind z.B. Sehnenrisse, Knochenfrakturen, Vergiftungen oder sogar das Anstecken mit einer Krankheit. Eine körperliche Misshandlung stellt jede üble und unangemessene Behandlung dar, die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt; typischerweise wird dies durch Herbeiführen von Wunden, Beulen, Prellungen oder Blutergüssen erzeugt.

Verursacht werden diese Verletzungen meist durch Faustschläge, Ohrfeigen, Tritte usw.


Die Qualifikation § 224 StGB – „gef KV“

Die gefährliche Körperverletzung – unter Juristen oft „gefKV“ genannt – wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet. Minder schwere Fälle werden mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Schon der Versuch ist gem. § 224 Abs. 2 StGB strafbar. Das Delikt verjährt gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB nach zehn Jahren. Es gibt fünf verschiedene Varianten für die Begehung einer gefährlichen Körperverletzung, die im Folgenden jeweils näher dargestellt werden.


Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen 

§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestraft die Körperverletzung mittels Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen. Gifte sind unter anderem Alkohol, Ammoniak, Drogen oder Zyankali. Unter dem Begriff andere gesundheitsschädliche Stoffe versteht man Stoffe wie Tränengas, Reizgas oder Rauch. Auch Schlafmittel, K.o.-Tropfen oder Betäubungsmittel erfüllen den Tatbestand. Diese Stoffe müssen nun dem Opfer beigebracht werden durch beispielsweise Einatmen-Lassen oder Verschlucken-Lassen.

Ein bekanntes Beispiel stellen K.o.-Tropfen dar, die man einem Opfer ins Glas träufelt.


Begehung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs 

Die zweite Variante der gefährlichen Körperverletzung ist die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs. Eine Waffe ist körperlicher Gegenstand, der nach seiner Art dazu bestimmt ist, erhebliche Verletzungen bei Menschen zu verursachen. Beispiele dafür sind insbesondere Stichwaffen, Schlagringe, Schlagstöcke oder Schusswaffen. Nicht unter den Begriff der Waffen fallen übliche Küchenmesser oder ähnliches, denn bei diesen fehlt eben die geforderte Zweckbestimmung. Jedoch können solche Gegenstände als ein anderes gefährliches Werkzeug gelten. 
 Ein gefährliches Werkezeug ist jeder bewegliche Gegenstand, der als Mittel zur Herbeiführung einer Körperverletzung eingesetzt, nach seiner Beschaffenheit und nach der konkreten Art seiner Benutzung geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Es kommt entscheidend auf die Art und Weise seines Einsatzes an. Folgende Gegenstände sind regelmäßig dazu geeignet Personen erheblich zu verletzen: Eisenstange, Feuerzeug, Messer, Schere, Nadeln, Rasierklinge oder Baseballschläger.

 Menschliche Körperteile wie Fäuste, die Handkante oder der Ellbogen stellen keine Werkzeuge dar. Kurios ist jedoch, dass sie bei einer stofflichen Verstärkung wie einem Boxhandschuh oder einem Schuh ein gefährliches Werkzeug darstellen können, wenn die Verstärkung geeignet ist erhebliche Verletzungen zu verursachen. Als Beispiel ist ein Tritt gegen den Kopf des Opfer anzubringen. Der Tritt kann durch das Tragen eines Schuhes verstärkt sein und dann stellt der beschuhte Fuß ein gefährliches Werkzeug dar. Eine weitere Kuriosität stellen Tiere dar. Diese können als gefährliche Werkzeuge eingesetzt werden, wenn sie auf einen anderen Menschen gehetzt werden. Ein fahrendes Kfz kann ein gefährliches Werkzeug sein, wenn man eine andere Person vorsätzlich damit anfährt und dies unmittelbar Verletzungen verursacht.

Unbewegliche Gegenstände sowie Gase oder Flüssigkeiten sind keine gefährlichen Werkzeuge. Zudem sollte betont werden, dass die Verwendung des Gegenstandes zur Schädigung des Opfers erforderlich ist und das bloße Beisichführen nicht ausreicht. Man sollte sich von einem erfahren Strafverteidiger hierzu beraten lassen, denn oftmals ist die Einordnung des Gegenstandes komplexer als es zunächst erscheint und die Einzelheiten der Tat sind entscheidend.


Hinterlistiger Überfall

In § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird der hinterlistige Überfall als weiterer Strafschärfungsgrund genannt. Demnach muss der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung der wahren Absicht berechneten Weise vorgehen, um den Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen. Erfüllt wird der Tatbestand, indem der Täter dem Opfer auflauert oder sich an das Opfer anschleicht. Auch das Stellen einer Falle erfüllt den Begriff des hinterlistigen Überfalls.


Gemeinschaftliche Begehung

Die nächste und praktisch sehr häufig vorgeworfene Variante der Erfüllung der gefährlichen Körperverletzung ist die gemeinschaftliche Begehung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Dazu muss zusätzlich zum Täter noch mindestens ein weiterer Beteiligter hinzukommen. Der weitere Beteiligte muss am Tatort mitwirken. Das bedeutet dem Opfer müssen eben diese beiden Personen gegenübertreten. Es genügt jedoch, wenn eine der beiden Personen die Körperverletzungshandlung begeht, sofern der andere aktive Beihilfe leistet. Dies kann beispielsweise geschehen, indem eine Person Schläge ausübt und die andere Person die Flucht des Opfers durch Festhalten oder durch das Versperren des Weges verhindert. Auch das Reichen von Hilfsmitteln genügt, um diesen Tatbestand zu erfüllen. Die bloße Anwesenheit der weiteren Person genügt nicht, um diese Strafverschärfung zu begründen.

Die Bestimmung inwiefern die Personen nun gemeinschaftlich am Tatort zusammengewirkt haben, ist durchaus nicht immer eindeutig. Demnach können sich hier erste Ansätze für die Verteidigung durch einen Strafverteidiger ergeben.


Begehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung 

Zuletzt steht unter § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB die Tatbegehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung. Die Art der Behandlung muss nach den konkreten Umständen abstrakt geeignet sein das Leben des Opfer zu gefährden. Angriffe auf die Vitalfunktionen des Opfers können eine solche Lebensgefahr darstellen. Wird dem Opfer durch den Täter eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt, gefährdet dies das Leben des Opfer, denn es könnte ersticken. Auch heftige Tritte oder Schläge gegen den Kopf stellen oft eine das Leben gefährdende Behandlung dar. Ebenso gilt dies für Stiche in die Brust mit einem Messer. Einen untypischen Fall für diese Variante der gefährlichen Körperverletzung stellt das Steinwerfen von Autobahnbrücken dar. Dies kann für die Insassen eines Autos lebensbedrohlich sein und demnach die Strafbarkeit gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begründen.

Der ungeschützte Geschlechtsverkehr mit einer HIV-infizierten Person bei Unwissen des Partners oder das Anfahren eines Menschen mit einem Auto können ebenso das Leben gefährdende Behandlungen darstellen.

Es kommt jedoch immer auf den Einzelfall und dessen Umstände an.


Abgrenzung zur schweren Körperverletzung 

Wichtig ist zudem die Abgrenzung von der schweren Körperverletzung, die oftmals mit der gefährlichen Körperverletzung vertauscht wird. Die schwere Körperverletzung gem. § 226 StGB stellt ebenfalls eine Qualifikation der Körperverletzung gem. § 223 StGB dar. Sie kennzeichnet jedoch, dass die Strafschärfung anhand der Tatfolgen begründet wird. Durch die Körperverletzung müssen bestimmte Folgen, wie der Verlust des Sehvermögens auf einem Auge, aufgetreten sein. Bei der gefährlichen Körperverletzung liegt die Verwerflichkeit für die erhöhte Strafdrohung darin wie die Tat begangen wurde und gerade nicht, welche Folgen sie hinterläßt. Demnach unterscheiden sich die beiden Qualifikationen dadurch, dass es bei der schweren Körperverletzung auf die Folgen der Tat ankommt und bei der gefährlichen Körperverletzung die konkrete Art und Weise der Tatbegehung im Vordergrund steht.

Sollte Ihnen vorgeworfen werden eine gefährliche  Körperverletzung begangen zu haben, dann sollten Sie umgehend einen erfahrenen Strafverteidiger kontaktieren. Dieser wird für Sie schnelle Akteneinsicht beantragen und sich einen Überblick über den konkreten Vorwurf verschaffen, damit er dann für Sie die bestmögliche Verteidigung erarbeitet werden kann. Insbesondere im Hinblick auf die hohe Strafdrohung mit einem Mindestmaß von 6 Monaten Freiheitsstrafe, sollte man dies nicht selber in die Hand nehmen oder unüberlegte Aussagen gegenüber der Polizei tätigen. Auch die Eintragung einer möglichen Verurteilung ins Führungszeugnis ist insbesondere im Hinblick auf die künftige berufliche Laufbahn nicht zu unterschätzen. Lassen Sie sich von einem erfahrenen Strafverteidiger helfen, der solche Fälle täglich bearbeitet und für Sie das bestmögliche Ergebnis erreichen kann. Rechtsanwalt Urbanzyk mit Kanzlei in Coesfeld (bei Gescher, Reken, Bocholt) ist Fachanwalt für Strafrecht. Er verteidigt bundesweit und versucht von Beginn an, zu verhindern, dass es überhaupt vor Gericht kommt. Kontaktieren Sie ihn gerne hier direkt über anwalt.de.    

Foto(s): Heiko Urbanzyk

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