Gibt es den richtigen Unternehmenswert für Abfindungen im Gesellschafterkonflikt?

  • 4 Minuten Lesezeit

Von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann*

Bereits in der Fragestellung laueren erste Schwierigkeiten. Wenn sich die Gesellschafter im Vorfeld streiten, wer aus der Gesellschaft ausscheidet, gibt es den einen wahren Unternehmenswert leider nicht, auf den sich alle einigen können. Für die Beantwortung der Frage, zu welchem Preis man als Gesellschafter ausscheiden würde, spielen eine Vielzahl an Gesichtspunkten eine Rolle, wie z.B.:

  • Der wirtschaftliche Zustand der Gesellschaft und deren zukünftige Entwicklungschancen
  • Die persönlichen Fähigkeiten, die Gesellschaft ohne den anderen realistischer Weise weiter führen zu können
  • Private Lebensplanungen
  • Finanzielle Ausstattung von Gesellschaft und Gesellschaftern
  • Persönliche Bedürfnisse (Anerkennung, Rache, Kränkung) etc.

Der richtige Unternehmenswert in Gesellschafterkonflikten ist daher immer der Wert, auf den sich die Parteien dennoch verständigen können. Dasselbe Problem stellt sich bei Anteilsverkäufen. Verhandlungen über den Kaufpreises sind im Grundsatz immer eine Angelegenheit zwischen Käufer und Verkäufer. Auch Abfindungsklauseln im Gesellschaftsvertrag haben daher im Grundsatz keinen Einfluss auf den vom Käufer und Verkäufer zu verhandelnden Kaufpreis.

Was aber, wenn sich die Parteien auf keinen gemeinsamen Unternehmenswert einigen können?

Gesetzliche Berechnung des Anspruchs

Enthält ein Gesellschaftsvertrag keine Regelung zur Abfindungshöhe, normiert das Gesetz als Abfindungswert den sogenannten Verkehrswert. Die zentrale Norm für den Abfindungsanspruch in Personengesellschaften findet sich in § 738 Abs. 1 S. 2 BGB wieder. Diese Vorschrift gilt unmittelbar für die GbR und über § 105 Abs. 3 HGB für die OHG, über §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB für die KG und über weitere Verweisnormen für die anderen Personengesellschaften.

Der Verkehrswert wird grundsätzlich nach dem Fortführungswert (Going-Concern-Wert) bestimmt, vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 138 Rn. 28. Dieser Wert setzt sich aus dem (zukunftsorientierten) Ertragswert, d.h. abgezinsten zukünftigen Erträgen abgeleitet zusammen, während der Substanz- bzw. Liquidationswert lediglich die Untergrenze darstellt, vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hopt, a.a.O.. Dies gilt sowohl für Personengesellschaften als auch für Kapitalgesellschaften (BGH, Urt. v. 12.01.2016 – II ZB 25/14).

In der Praxis gibt es mehrere Ansätze von Ertragswertverfahren, bei denen der Wert eines Unternehmens aus zukünftigen abgezinsten Erträgen abgeleitet wird.

 Anhaltspunkte für die Bestimmung des Unternehmenswertes

Einen immer gültigen Unternehmenswert gibt es leider nicht, da er von vielen Faktoren abhängt. Daher kann und wird über die richtige Abfindung in der Praxis schnell gestritten. Bei einer Unternehmensbewertung müssen immer Sondereffekte, wie eine Niedrigzinsphase, bilanzielle und steuerliche Aspekte wie auch vergangenheitsbezogene Geschäftsführungsmaßnahmen berücksichtigt werden.

Wichtige Anhaltspunkte für einen Unternehmenswert sind in jedem Fall der Börsenwert, oder soweit es bereits kurze Zeit zuvor eine Beteiligungsübertragung gegeben hat, deren Kaufpreis.

Tipps zur Bilanzierung und Berechnung der Abfindung

Wichtig: Konflikte über den richtigen Unternehmenswert sind meist auch Eigenwertkonflikte. Gerade, aber nicht ausschließlich der Verkäufer nimmt die Diskussion über den von ihm vorgeschlagenen Unternehmenswert oft persönlich und verbindet mit der Ablehnung der Bewertungsvorstellungen eine persönliche Herabsetzung. Ratsam ist es, sich von Anfang an auf gemeinsame Kriterien zu verständigen und die Bewertung zum Zwecke des Verkaufes danach abzuwickeln.

Zur Bewertung eines Unternehmens werden in der Regel die Jahresabschlüsse betrachtet, darunter fallen die Bilanz und die Erfolgsrechnung. Bevor mit der Unternehmensbewertung begonnen wird, sollte die offizielle Bilanz in eine Bilanz ohne stille Reserven überführt werden.

Für die Praxis gelten hierfür folgende Erwägungen:

  • Umlaufvermögen – Lösen Sie nicht notwendige Debitorenrückstellungen auf.
  • Anlagevermögen – nehmen Sie abgeschriebene Maschinen oder Immobilien wieder in die Bilanz auf.
  • Immobilien – nehmen Sie nicht betriebsnotwendige Immobilien aus der Firma.
  • Liquide Mittel – ein übermäßiger Bestand an liquiden Mitteln sollte ebenfalls aus der Firma genommen werden.
  • Geschäftsführergehälter und sonstige Zahlungen an Gesellschafter-Geschäftsführer bzw. diesen nahestehenden Personen sind auf ihre Fremdüblichkeit zu überprüfen.

Bei der Bereinigung der Bilanz gilt es stets die steuerlichen Implikationen zu beachten. Dies ist insbesondere für den Verkäufer der Firma relevant.

Wenn über vorstehende Punkte zwischen den Parteien Einigkeit erzielt wird, ist meisten ein großer Schritt getan, sich auf einen gemeinsamen Unternehmens(anteils)wert zu verständigen. In der Praxis geschieht dies meist zu spät. Zumeist haben sich die Parteien aufgrund ihrer unterschiedlichen Wertvorstellungen schon zu sehr voneinander entfernt. Deshalb gerade im Vorfeld Kommunikation üben und frühzeitig mit Rechtsexperten in Kontakt treten. Nehmen Sie hier unverbindlich Kontakt zu uns auf.


* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK).

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