GmbH-Gesellschafterversammlungen und vereinfachte Beschlussfassung in Corona-Zeiten

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GmbH-Gesellschafterversammlungen und vereinfachte Beschlussfassung in Corona-Zeiten 

Stand: 29. April 2020

Autor: Rechtsanwalt Dr. Alexander Böck, Stuttgart

Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie wurden auf Länderebene zahlreiche Verordnungen mit stark freiheitsbeschränkendem Charakter erlassen. Insbesondere sind Zusammenkünfte mehrere Personen weitgehend untersagt. Dieses Verbot dies dürfte, wie in diesem Artikel zu zeigen sein wird, auch GmbH-Gesellschafterversammlungen erfassen. Vor diesem Hintergrund führte der Bundesgesetzgeber durch das sogenannte „Maßnahmengesetz“ (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020) „substantielle Erleichterungen“ (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 19/18110 vom 14. März 2020 unter B. 3.) für die Durchführung von Hauptversammlungen der Aktiengesellschaft, für Gesellschafterversammlungen der GmbH sowie für weitere im Gesetz genannte Rechtsformen ein.

1. Aktuelle Unzulässigkeit von Gesellschafterversammlungen 

Nachfolgend wird die Rechtslage des Landes Baden-Württemberg betreffend die aktuelle (Un-)Zulässigkeit von Gesellschafterversammlungen als Präsenzversammlung gemäß der Sechsten Verordnung der baden-württembergischen Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 23. April 2020 (nachfolgend „Verordnung“ genannt) beschrieben; soweit ersichtlich ist die Rechtslage in allen Bundesländern vergleichbar. In Baden-Württemberg sind aktuell außerhalb des öffentlichen Raums Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen von jeweils mehr als fünf Personen (zunächst) bis zum 3. Mai 2020 regelmäßig verboten. Ausgenommen von diesem Verbot sind Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen, wenn deren teilnehmende Personen in gerader Linie verwandt sind, oder in häuslicher Gemeinschaft miteinander leben sowie deren Ehe- oder (Lebens)Partner oder -partnerinnen.

Ausgenommen von dem beschriebenen Verbot sind Veranstaltungen, Ansammlungen und sonstige Zusammenkünfte insbesondere, wenn sie der Aufrechterhaltung des Arbeits- und Dienstbetriebs zu dienen bestimmt sind (vgl. § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 der Verordnung). Gemäß § 3 Absatz 3 Satz 2 der Verordnung gilt diese Ausnahme insbesondere für Veranstaltungen, Ansammlungen und sonstige Zusammenkünfte der Gerichte, Staatsanwaltschaften, der Notarinnen und Notare des Landes“.

Gesellschafterversammlungen, oder ähnliche Zusammenkünfte der Gremien von Wirtschaftsunternehmen, Vereinen u. a. werden in der Verordnung nicht als Ausnahmen vom Verbot von Zusammenkünften genannt. Vor diesem Hintergrund dürften aktuell GmbH-Gesellschafterversammlungen mit mehr als fünf Teilnehmern nicht zulässig sein.

Auch wenn die Rechtslage nicht als völlig eindeutig beurteilt werden kann, ist von der Abhaltung von Gesellschafterversammlungen in der GmbH mit mehr als fünf Teilnehmern aktuell dringlich abzuraten. Dies auch vor dem Hintergrund, als Verstöße gegen das Versammlungsverbot nach § 9 Nr. 2 der Verordnung i. V. m. dem geltenden Bußgeldkatalog mit einem Bußgeld (im Land Baden-Württemberg) pro teilnehmender Person von 250 Euro bis 1.000 Euro bewehrt sind.

2. Erleichterte Beschlussfassung nach dem Maßnahmengesetz

Artikel 2 § 1 des Maßnahmengesetzes sieht ungeachtet etwaiger anderslautender satzungsrechtlicher Bestimmungen ausdrücklich die Befugnis des Vorstands einer Aktiengesellschaft vor, Hauptversammlungen, die im Jahr 2020 stattfinden, ohne physische Präsenz der Aktionäre als virtuelle Hauptversammlung abzuhalten. Demgegenüber regelt Art. 2 Abs. 2 des Maßnahmengesetzes für die GmbH nur, dass abweichend von der gesetzlichen Vorschrift des § 48 Absatz 2 GmbHG Gesellschafterbeschlüsse in Textform oder durch schriftliche Stimmabgabe auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter wirksam gefasst werden können. Weitere Regelungen enthält das Maßnahmengesetz zur GmbH nicht.

Die Neuregelung zum GmbH-Recht stellt sich als bruchstückhaft dar und wirft entsprechend zahlreiche ungelöste Fragen auf. Der Gesetzgeber hat schlampig gearbeitet.

Wie stellt sich etwa die Situation dar, wenn, wie häufig, Gesellschaftsverträge eine ausdrückliche Anweisung enthalten, Gesellschafterversammlungen abzuhalten, etwa zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft? Wenn nun aber aus Rechtsgründen Präsenzversammlungen bei Überschreiten der Corona-bedingt zulässigen Teilnehmerzahl aktuell schlicht unzulässig sind (siehe oben unter Ziff. 1), dürfte eine satzungsrechtliche Vorschrift, die eine Präsenzversammlung der Gesellschafter fordert, zurückzutreten haben. Hiervon geht offensichtlich auch der Gesetzgeber aus, da er trotz der lückenhaften Formulierung der Änderungsbestimmung zu § 48 Absatz 2 GmbHG ausdrücklich darauf hinweist, auch für die GmbH „substantielle Erleichterungen“ für die Durchführung von Gesellschafterversammlung geschaffen zu haben (s. o. vor Ziff. 1).

Vom Gesetzgeber nicht geregelt ist weiterhin die Frage, ob die GmbH berechtigt, im Einzelfall gar verpflichtet ist, virtuelle Gesellschafterversammlungen abzuhalten, auch wenn die GmbH-Satzung und der Gesetzgeber eine einhergehende Regelung nicht getroffen haben.

Die aufgeworfene Frage steht im Zusammenhang mit Fundamentalrechten der Gesellschafter. Den Gesellschaftern einer Präsenzversammlung steht neben dem Recht auf Anwesenheit das Recht auf aktive Beteiligung an der Willensbildung durch Wortmeldung, das Fragerecht und ein Antragsrecht zu. Wird eine beispielsweise satzungsrechtlich vorgeschriebene Gesellschafterversammlung Corona-bedingt lediglich durch eine schriftliche Beschlussfassung ersetzt, kann dies durchaus zu rechtlich risikobehafteten und damit anfechtbaren Beschlüssen führen, da dann vorstehende Rechte allenfalls der späteren schriftlichen Stimmabgabe vorgeschaltet und den Gesellschaftern entsprechend nur eingeschränkt eröffnet werden können. Der interaktive Austausch der Gesellschafter ist bei einer nur schriftlichen Beschlussfassung schlicht nicht möglich. Ein solcher erscheint jedoch insbesondere angezeigt, wenn sich ein beabsichtigter Gesellschafterbeschluss als besonders komplex erweist und/oder bedeutsame Gesellschafterinteressen von diesem erfasst sind. Die Geschäftsführer müssen also auf der Hut sein, wenn sie eine üblicherweise vorgeschriebene Präsenzversammlung durch schriftliche Beschlussfassungen ersetzen wollen.

Beraterhinweis:

Schriftliche Beschlussfassungen müssen sorgfältig vorbereitet werden. Art und Umfang der Informationserteilung an die Gesellschafter sollten, soweit nicht lediglich marginale Beschlüsse zu fassen sind, ausgeweitet werden. Weiterhin ist zu empfehlen, in Einzelfällen zu einer virtuellen Versammlung einzuladen und die hierfür erforderlichen technischen Voraussetzungen herzustellen.

Die eigentliche Beschlussfassung sollte unbedingt außerhalb der Videokonferenz auf schriftlichem oder elektronischem Wege nach Beendigung der Videokonferenz angeordnet und durchgeführt werden. Denn die Wirksamkeit eines in einer virtuellen Versammlung einer GmbH gefassten Gesellschafterbeschlusses ist rechtlich nicht gesichert. Dennoch empfehlen wir jedenfalls in Fällen, in welchen gewichtige Beschlussthemen anstehen, den Gesellschaftern zum Zwecke der Wahrung ihrer oben angesprochenen Gesellschafterrechte die Plattform eines virtuellen Gesellschaftertreffens zum Zwecke der Aussprache und Vorbereitung der Beschlussfassung zur Verfügung zu stellen. Dies gilt ungeachtet der offenen Rechtsfrage, ob es sich bei einer gesetzlich und gesellschaftsvertraglich nicht geregelten virtuellen Versammlung um eine Gesellschafterversammlung im Rechtssinne handelt.

Mit der Aufforderung an alle Gesellschafter zur schriftlichen bzw. elektronischen Stimmabgabe sind  diesen die Tagesordnung einschließlich der Beschlussvorschläge der Geschäftsführung sowie möglichst umfangreiche Unterlagen und Informationen zu den einzelnen Beschlussvorschlägen zu übermitteln. Außerdem sind den Gesellschaftern die einhergehenden Abstimmungsbögen bzw. Formulare für die Stimmabgabe zuzuleiten. Auch soll der Weg beschrieben werden, wie die Gesellschafter die Stimmabgabe technisch im Einzelnen vorzunehmen haben.

Bei einem kleinen Gesellschafterkreis kann im Übrigen überlegt werden, eine Gesellschafterversammlung (in Baden-Württemberg) mit einer Teilnehmerzahl von (derzeit) nicht mehr als fünf  abzuhalten, falls die weiteren Gesellschafter ihr Stimmrecht übertragen oder ihr Stimmrecht anderweitig in zulässiger Weise ausüben.

Gerne unterstützen wir Sie bei weitergehenden Fragen in ihrer GmbH, insbesondere wenn Gesellschafterversammlungen bzw. Gesellschafterbeschlüsse vorzubereiten sind.

Stuttgart, 29. April 2020

Dr. Alexander Böck

Rechtsanwalt


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