Gutachten der Gutachterkommission – nützlich oder nutzlos für Patienten?

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Viele Patienten, die einen Behandlungsfehler vermuten, erhalten den Ratschlag, sich an die Gutachterkommission einer der vier Bezirksärztekammern (so in Baden-Württemberg) zu wenden. Auf den ersten Blick scheint dies eine gute und günstige Alternative zu sein, um als Patient ohne viel Aufwand und Kosten ein Sachverständigengutachten zu erhalten. Jedoch zeigt sich in der Praxis, dass das Verfahren erhebliche Nachteile für den Patienten bringen kann und nur in manchen Fällen Vorteile.

1. Die fehlende Verbindlichkeit

Ein entscheidender Nachteil ist die fehlende Verbindlichkeit der Einschätzung der Gutachterkommission für den Arzt oder dessen Haftpflichtversicherung. Selbst wenn der Sachverständige einen Behandlungsfehler feststellt, schließt sich häufig eine weitere Auseinandersetzung über die Schadenshöhe und das Schmerzensgeld an, die dann schließlich doch in einem Klageverfahren endet. Dies ist für den Patienten sehr ärgerlich, da er bis dahin viel Zeit verloren hat.

Nur selten bestätigt anschließend der vom Gericht bestellte Sachverständige vollständig die Einschätzung des Gutachters der Gutachterkommission. Sehr häufig folgt ein „ja, aber…“. Es ist also durchaus möglich, das Gerichtsverfahren noch zu verlieren, selbst wenn die Gutachterkommission einen Behandlungsfehler bestätigt.

2. Die Gefahr eines Eigentors

Da die Entscheidung der Gutachterkommission nicht verbindlich ist, kann der Patient selbstverständlich klagen, obwohl ihm die Gutachterkommission keinen Behandlungsfehler bestätigt hat. Dies ist durchaus häufig der Fall und in einigen wenigen Fällen kann sogar trotzdem erfolgreich vor Gericht ein Schmerzensgeld durchgesetzt werden. Spätestens bei den Vergleichsverhandlungen jedoch wird der Anwalt des Arztes oder des Krankenhauses dann das Sachverständigengutachten der Gutachterkommission dazu verwenden, um die Vergleichssumme zu drücken.

3. Lange Dauer des Verfahrens

Erfahrungsgemäß dauern die Verfahren mindestens ein Jahr. In manchen Fällen dauert es durchaus auch mehrere Jahre, bis ein Verfahren abgeschlossen ist. Schließt sich dann noch ein Gerichtsverfahren an, ist es unwahrscheinlich, dass sich Zeugen noch glaubhaft erinnern können und die nervliche Belastung für den Patienten ist enorm.

4. Kostenfreiheit

Entscheidender Vorteil eines Verfahrens vor der Gutachterkommission ist, dass es den Patienten nichts kostet, außer er beauftragt einen Anwalt damit, ihn zu vertreten. Da es Möglichkeiten der Prozesskostenhilfe und Prozessfinanzierung gibt, sollte der Patient vorher diese mithilfe eines Anwalts abklären.

In den Fällen jedoch, in denen es dem Patienten wirklich nur darum geht, Klarheit über das Vorliegen eines Behandlungsfehlers zu erhalten, ist ein Antrag auf Begutachtung durch die Kommission das Mittel der Wahl. Ebenso sinnvoll ist das Gutachterverfahren, wenn es nur um kleine Schmerzensgeldbeträge geht und nicht mit Spätfolgen zu rechnen ist.

5. Fazit

Ob ein Verfahren vor der Gutachterkommission sinnvoll ist, muss sorgfältig abgewogen werden, zumal sich in manchen Fällen ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (dauert derzeit zwischen 6 und 9 Monaten) oder ein Privatgutachten als Alternative anbietet.


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